Hallo Ihr Lieben,
unser Erkundungspfad zur Mandelbrotmenge hat uns zuletzt zu den Reellen Zahlen als (vermeintlich) ultimatives Zahlenmodell für die Abgeschlossenheit aller bislang betrachteten Rechenarten geführt. „Abgeschlossenheit aller bislang betrachteten Rechenarten” soll dabei heißen, dass die Verknüpfung zweier reeller Zahlen mit Hilfe der Addition, Subtraktion, Multiplikation oder Division, sowie des Potenzierens und Wurzelziehens uns stets ein Ergebnis liefert, das selbst wieder eine reelle Zahl ist. Allerdings haben wir die (selbstverständlich gleich bei Euch ausgebrochene) Euphorie über das Erreichen dieses langatmig erkämpften Ziels dann auch gleich wieder gehörig in Form der Erkenntnis gedämpft, dass negative Zahlen keine Wurzeln haben, die in den reellen Zahlen liegen können. Wir haben dabei auch erklärt, warum das so ist:
Damit das Ergebnis einer Multiplikation zweier Zahlen negativ ist, muss eine davon negativ und die andere positiv sein. Das kann aber schlichtweg nicht passieren, wenn man eine Zahl mit sich selbst multipliziert, denn dann sind beide zu multiplizierenden Zahlen (also zweimal dieselbe Zahl) entweder zur gleichen Zeit positiv oder zur gleichen Zeit negativ. Die Wurzel aus einer Zahl ist aber gerade jene Zahl, die man mit sich selbst multiplizieren muss, um erstgenannte Zahl zu erhalten:
Wie an obiger Darstellung zu sehen ist, ergibt 3×3 ebenso wie (-3)×(-3) jeweils 9, so dass definitionsgemäß sowohl die 3 als auch die ‑3 jeweils Wurzeln von 9 sind. Welche Zahl bleibt dann aber übrig, um als Wurzel aus ‑9 zu fungieren – also welche Zahl soll man mit sich selbst multiplizieren, um 9 zu erhalten? Jene Zahl müsste, wie bereits im letzten Teil dieser Beitragsserie angedeutet, irgendwie gleichzeitig einmal mit negativem und einmal mit positivem Zeichen in der Multiplikation erscheinen. Dann wäre es aber eben gerade keine Multiplikation einer Zahl mit sich selbst.
Vorstellungskraft
Wie ebenfalls im vorigen Teil dieser Beitragsserie angedeutet, besteht die Lösung darin, unsere Zahlenwelt mal wieder zu erweitern. Der dafür gefundene Weg ist dabei von der Art des Vorgehens her ein Gemisch aus der Einführung der Negativen Zahlen und derjenigen der Rationalen Zahlen. Die Negativen Zahlen hatten ja seinerzeit (zusammen mit der Null) unsere bis dahin bekannten Natürlichen Zahlen ergänzt, um mit ihnen gemeinsam die Ganzen Zahlen zu bilden. Dabei waren wir uns im Zusammenhang mit den Negativen Zahlen ja doch eigentlich darüber einig, dass sie alles andere intuitiv sind, da sie in unserer realen Erfahrungswelt schlichtweg nicht enthalten sind. Erinnert Ihr Euch noch: „Wenn Zwei in einem Raum sind und Fünf herauskommen, dann müssen Drei wieder hineingehen, damit keiner mehr drin ist”. Einfach absurd.
Bei den Rationalen Zahlen hatten wir hingegen Paare jeweils zweier ganzer Zahlen gebildet, um die Ergebnisse beliebiger Divisionen darstellen zu können. Das war schon viel intuitiver, hat aber deutlich aufwändigere Rechenvorschriften zur Folge gehabt, denen wir entsprechend einen eigenen kleinen Beitrag widmen mussten.
Um dem Problem mit den Wurzeln negativer Zahlen beizukommen, macht man es traditionell erst einmal so, wie wir es für die Negativen Zahlen gemacht hatten: man führt die sogenannte „imaginäre Einheit” – als Zeichen „i” – ein und legt einfach frech und frei fest, dass i×i = ‑1 sei.
Ja aber, was genau ist denn dann dieses mysteriöse „i” ?
Tja, das ist – wie gesagt – ganz ähnlich, wie bei den Negativen Zahlen. Wir können uns das nicht wirklich vorstellen, aber wir können sehr wohl so tun, als gäbe es dieses „i” und wir können – ganz wie bei den Negativen Zahlen – klar sagen, wie man mit diesem „i” rechnet. Eine Vorstellung davon, was „i” wirklich ist, benötigen die Mathematiker für sowas nicht (was vermutlich einer der Gründe ist, aus denen die Mathematikaversen unter Euch Mathe immer so gehasst haben). Daher nennt man sie ja auch folgerichtig imaginäre Einheit. Wir bilden uns einfach ein, dass es sie gibt, ganz egal, ob man zu begreifen in der Lage ist, was sie wirklich sein soll, oder nicht.
Ganz schön komplex
Mit dieser imaginären Einheit ausgestattet greift man jetzt auf ein sehr ähnliches Prinzip zurück, wie wir es bei der Einführung der Rationalen Zahlen angewandt hatten: man bildet neue Zahlen als Paare einzelner Komponenten, die jeweils den bisher bekannten Zahlen entstammen. Damals war es der Bruch in Form von Zähler und Nenner, die jeweils aus den Ganzen Zahlen stammten, diesmal ist es eine sogenannte komplexe Zahl, die sich jeweils aus zwei reellen Zahlen zusammensetzt: einem reellen Anteil „a“ und einem imaginären Anteil „b“. Notiert wird das Ganze dann so:Dabei ist i besagte imaginäre Einheit. Das Einzige, was man (vorläufig) ansonsten zum Rechnen mit komplexen Zahlen wissen muss, ist die Tatsache, dass i×i bzw. i2 eben gerade ‑1 ergibt. Die Menge aller (reellen) Vielfachen der imaginären Einheit wird naheliegender Wiese als Menge der „imaginären Zahlen” bezeichnet. Jetzt wird auch klarer, warum demgegenüber die Reellen Zahlen eben als reell bezeichnet werden. Auch wenn nämlich die im vorangegangenen Teil dieser Beitragsserie diskutierten Irrationalen Zahlen (als Teil der Reellen Zahlen) letztlich eine Art Schattendasein im Verborgenen der unerreichbaren Unendlichkeit führen, können wir zumindest beliebig genaue rationale Näherungen dieser Zahlen erzeugen und mit diesen rechnen. Die imaginären Zahlen entziehen sich hingegen jedweder Anschauung und lassen sich nicht einmal erahnen. Daher ist es durchaus gerechtfertigt, die Reellen Zahlen demgegenüber eben als reell zu bezeichnen – selbst wenn sie Zahlen beinhalten, die wir aus gutem Grund als „irrational” bezeichnen. Das ist ein bisschen so wie mit unseren verborgenen Ängsten: sie können uns bisweilen ziemlich irrational erscheinen, sind aber dennoch ausgesprochen reell.
Warum ich jetzt irrationale Zahlen mit verborgenen Ängsten assoziiere? Nutzt doch bitte die Kommentarfunktion weiter unten, um Euch diesbezüglich als Hobbypsychologen zu betätigen.
Mit dem Wissen über die Definition der imaginären Einheit und über den Aufbau von komplexen Zahlen ausgestattet, kann man sich (relativ) leicht überlegen, dass die Anwendung der Grundrechenarten (Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren) auf zwei beliebige komplexe Zahlen sowie das Potenzieren einer komplexen Zahl mit einem ganzzahligen Exponenten immer Ergebnisse hervorbringt, die selbst in den komplexen Zahlen liegen. Wer genauer wissen will, warum das so ist, für den habe ich dafür eigens einen kleinen Beitrag zusammengestellt, den Ihr hier finden könnt.
Was man in diesem Beitrag aber auch ganz gut sehen kann, ist der Umstand, dass wir (=ich) bei den Komplexen Zahlen zunehmend Schwierigkeiten haben, deren Mechanik mit Kuchenstückchen, Kügelchen oder kleinen blauen Männchen zu veranschaulichen. Das liegt vor allem daran, dass es in unserer Erlebniswelt so gut wie nichts gibt, was dem Umgang mit komplexen Zahlen entspricht. Sie spielen vor allem in der Zahlentheorie und verschiedenen Bereichen der Physik eine wichtige Rolle, mit denen normale Sterbliche aber halt eben selten bis nie in Berührung kommen.
Das soll aber nicht heißen, dass es nicht trotzdem ein wenig anschaulicher geht, als das ganze, langatmige Zeichengeschiebe anhand algebraischer Regeln, wie ich es in meinem Beitrag zum Rechnen mit komplexen Zahlen präsentiert habe.
Punkte in der Ebene
So, wie reelle Zahlen sich als kontinuierlicher Zahlenstrahl darstellen lassen, der sich in zwei entgegengesetzte Richtungen bis in die Unendlichkeit erstreckt, kann man genau dasselbe auch für die imaginären Zahlen tun. Sie sind ja nichts anderes als reelle Vielfache der imaginären Einheit i und insoweit eigentlich kaum mehr als ein weiters System reeller Zahlen. Da nun die Komplexen Zahlen aber aus je einem reellen und einem imaginären Anteil bestehen, kann sich eine komplexe Zahl demnach sowohl entlang des reellen, als auch entlang des imaginären Zahlenstrahls – oder natürlich gleichzeitig entlang beider Strahlen – bewegen. Für so etwas verwenden die Mathematiker gerne ein Koordinatensystem, das man sich für die komplexen Zahlen in etwa so vorstellen kann:
Während die reellen Zahlen weiterhin als horizontaler Zahlenstrahl zu sehen sind (hier mit „Re” markiert), kreuzt der imaginäre Zahlenstrahl (hier mit „Im” markiert) den reellen genau im rechten Winkel – also ganz so, wie man es etwa bei Koordinatensystemen auf Stadtplänen zum Auffinden von Straßen vorfinden würde. Der Kreuzungspunkt in der Mitte (der sogenannte „Ursprung“) entspricht dann der komplexen Zahl „0+0×i“ und jede andere komplexe Zahl wird durch einen eindeutigen Punkt in der Ebene repräsentiert, wie nachstehend am Beispiel „4+3×i“ zu sehen ist:
Wir sehen, dass die Zahl „4+3×i“ also genau jenem Punkt in der Ebene entspricht, den man erreicht, wenn man zuerst 4 Einheiten entlang der reellen Achse nach rechts (also in Richtung positive reelle Zahlen) geht und von dort aus dann 3 Einheiten parallel zur imaginären Achse nach oben (also in Richtung positive imaginäre Zahlen) geht.
Mit diesem Konzept der sogenannten „komplexen Ebene“ haben wir einen wichtigen Schritt in Richtung Verständnis der Mandelbrotmenge gemacht. Wie wir noch genauer sehen werden, ist die Mandelbrotmenge nämlich eine Menge ganz bestimmter komplexer Zahlen, und ihre weltberühmten Visualisierungen demnach nichts anderes als ein Haufen eingefärbter Punkte in der komplexen Ebene. Darauf kommen wir aber – wie gesagt – im nächsten Teil dieser Beitragsserie nochmals im Detail zurück.
Polarisierende Ansichten
Wenn wir uns die komplexe Ebene für einen Moment als Seekarte vorstellen, mit deren Hilfe wir etwa einem Schiffskapitän erläutern wollen, wie er – vom Ursprung ausgehend – zu eben dem Punkt gelangt, der die Zahl „4+3×i“ repräsentiert, dann ist die Beschreibung der Form „fahre erst vier Einheiten in Richtung positive reelle Zahlen, dann drei Einheiten in Richtung positive imaginäre Zahlen” nicht gerade sehr effizient. Anstatt den Kapitän auf direktem Kurs zu unserem Punkt fahren zu lassen, schicken wir ihn mit der obigen Beschreibung auf einen erheblichen Umweg.
Viel besser wäre es doch, wenn wir dem Kapitän stattdessen sagen könnten: „Schlage einen Kurs ein, der vom Ursprung aus um 36,9° gegen den Uhrzeigersinn verdreht ist (bezogen auf die positive reelle Achse) und fahre dann fünf Einheiten in diese Richtung“:
Es ist offensichtlich, dass er auf diese Weise den kürzesten Weg vom Ursprung aus zu unserem Punkt „4+3×i” fahren würde – nämlich 5 statt 4+3 (also 7) Einheiten. Diese Art der Beschreibung von komplexen Zahlen nennt man „Polarkoordinaten“. Eine solche Polarkoordinate besteht, wie eben gezeigt, aus einem Winkel (dem sogenannten „Polarwinkel“) und einer Länge, die man als „Betrag“ der betreffenden komplexen Zahl (in unserem Fall „4+3×i“) bezeichnet.
Aber wie kommt man eigentlich von „4+3×i” auf den Polarwinkel 36,9° und einen Betrag von 5? Letzeres lässt sich relativ einfach verstehen, wenn man sich den „umständlichen” Weg – also „vier nach rechts und drei nach oben” – als die beiden Seiten am rechten Winkel eines rechtwinkligen Dreiecks und den Betrag als die Seite gegenüber dem rechten Winkel vorstellt:
Dann sagt der berühmte Pythagoräische Lehrsatz, dass das Quadrat des Betrags der Summe der Quadrate der beiden Seiten am rechen Winkel – also 42+32 bzw. 16+9 und damit 25 – entsprechen muss. Wenn das Quadrat des Betrags aber 25 ist, dann ist der Betrag gerade die Wurzel aus 25, also jene Zahl, die mit sich selbst multipliziert 25 ergibt und das ist ganz klar die 5 (ja natürlich, könnte auch -5 sein, aber lassen wir es jetzt mal gut sein).
Wie jetzt? Ihr fragt, was nochmal der Satz des Pythagoras war? Kein Problem: ich habe ihn in einem eigenen kleinen Beitrag erläutert – und zwar, wie ich in aller Bescheidenheit finde, recht anschaulich.
Und wie kommt man auf die 36,9°? Nein, nicht mit dem Fieberthermometer. Das Zauberwort heißt in diesem Fall „Trigonometrische Funktionen“. Die Mathematikaversen unter Euch sind jetzt vermutlich ob des bloßen Klangs dieses Wortes schon wieder erschaudert. Ja genau, das war die Sache mit dem Sinus, dem Kosinus und der Erdnuss und dem Tangens. In unserem Fall bestimmt sich der Winkel φ im Wesentlichen aus einem Ungetüm namens „arctan(3÷4)“ – der sogenannte „Arkustangens” – angewendet auf das Verhältnis der Gegenkathete (also derjenigen Dreiecksseite, die dem gesuchten Winkel gegenüberliegt – hier die imaginäre Seite) zur Ankathete (also diejenige Dreiecksseite, die den rechten mit dem gesuchten Winkel verbindet – hier die reelle Seite). Wie man den Arkustangens ausrechnet? Und warum der Winkel sich nur „im Wesentlichen” aus dem Arkustangens bestimmt? Oje, Leute. Also wenn mir hier einer wirklich einen ernst gemeinten Kommentar schreibt, in dem er mich auffordert, das anschaulich zu erklären, würde ich den Versuch wagen. Leicht wird es allerdings nicht, denn das gehört zu den Bereichen der Mathematik, die wirklich in jeder Hinsicht weit von den üblichen Kategorien der Anschaulichkeit entfernt sind.
Das mit der komplexen Ebene und den Polarkoordinaten habe ich ja eigentlich auch aus einem ganz anderen Grunde hier erklären wollen. Man kann daran nämlich ziemlich anschaulich erläutern, dass die Multiplikation zweier komplexer Zahlen viel einfacher zu beschreiben ist, als mit den algebraischen Mitteln, die ich in meinem Beitrag zum Rechnen mit komplexen Zahlen vorgestellt habe. Um dies verständlich zu machen, habe ich wiederum in einem eigenen kleinen Beitrag mit geometrischen Argumenten hergeleitet, dass man zur Multiplikation zweier komplexer Zahlen lediglich deren Beträge multiplizieren und deren Polarwinkel addieren muss. Soll heißen, wenn ich zwei komplexe Zahlen a und b habe, dann berechne ich den Betrag x und den Polarwinkel φ von a sowie den Betrag y und den Polarwinkel ψ von b und erhalte dann den Betrag des Produkts a×b mit x×y und den Polarwinkel des Produkts mit φ+ψ.
Zurück zur Wurzel
Alles klar, Alter. Winkel als griechische Buchstaben, die ich nicht einmal aussprechen kann und abstrakte Zahlenbeispiele mit „a“ und „b“ und so – das soll anschaulich sein?
Ja, ich weiß. Wir sind hier in der Tat ein einem Bereich der Mathematik angelangt, der ein gewisses Abstraktionsvermögen voraussetzt. Es ist also durchaus zu befürchten, dass nicht jeder von Euch den jüngsten Ausführungen im Detail folgen konnte. Aber das ist auch nicht wirklich entscheidend. Wichtig ist letztlich nur, die Erkenntnis zu akzeptieren, dass man komplexe Zahlen multipliziert, indem man ihre Beträge multipliziert und ihre Polarwinkel addiert. Denn dann weiß man auch, wie man die Wurzel aus einer komplexen Zahl zieht – und genau darauf will ich mit alledem hinaus:
Nehmen wir dazu unser früheres Beispiel „4+3×i“. Wir hatten oben gezeigt, warum ihr Betrag 5 sein muss und jedenfalls behauptet, dass ihr Polarwinkel 36,9° sein muss. Die Wurzel aus dieser Zahl muss damit einen Betrag haben, der mit sich selbst multipliziert 5 ergibt, während ihr Polarwinkel zu sich selbst addiert 36,9° ergeben muss. Das ist so, weil wir ja gerade gelernt haben, dass man eine komplexe Zahl mit sich selbst multipliziert, indem man ihren Betrag mit sich selbst multipliziert und ihren Polarwinkel zu sich selbst addiert. Der Betrag unserer komplexen Wurzel muss damit also gerade die Wurzel aus 5 sein, denn diese mit sich selbst multipliziert ergibt ja gerade per definitionem 5. Der Polarwinkel unserer Wurzel muss hingegen die Hälfte von 36,9° sein, denn addiert man diese Hälfte zu sich selbst, erhält man wieder ihr Doppeltes und damit gerade wieder unsere 36,9°. So einfach zieht man Wurzeln aus komplexen Zahlen: Wurzel aus dem Betrag ziehen und Polarwinkel halbieren. Fertig. Wer Lust hat, kann sich ja mal überlegen, was demnach die Wurzel aus i (also 0+1×i) ist…
Vor allem aber wollte ich damit verdeutlichen, dass die Wurzel aus einer komplexen Zahl wiederum selbst eine komplexe Zahl ist, denn auch sie hat einen eindeutig bestimmten reellen Betrag und einen eindeutig bestimmten Polarwinkel. Auch das Wurzelziehen aus beliebigen komplexen Zahlen ist daher ein Vorgang, der uns nicht aus den Komplexen Zahlen hinausführt, womit wir endlich am Ziel unserer zahlentheoretischen Vorrede zum Verständnis der Mandelbrotmenge angelangt sind.
Fazit
In diesem Beitrag haben wir die Komplexen Zahlen kennengelernt, mit deren Hilfe gegenüber den Reellen Zahlen erreicht werden konnte, dass auch negative Zahlen Wurzeln haben, die innerhalb unserer bekannten Zahlenwelt bleiben. Die dafür eingeführte imaginäre Einheit entbehrt zwar jedweder Anschauung, aber das Rechnen mit ihr ist im Grunde sehr simpel.
Kennengelernt haben wir aber auch die komplexe Ebene als zweidimensionale Struktur, in der man sich mit Hilfe eines Koordinatensystems – bestehend aus einer reellen Achse und einer dazu rechtwinklig angeordneten imaginären Achse – orientieren kann. Jeder komplexen Zahl ist damit ein eindeutig bestimmter Punkt in dieser Ebene zugeordnet, dessen Koordinaten sich aus dem reellen und dem imaginären Teil der betrachteten komplexen Zahl bestimmen. Außerdem haben wir Polarkoordinaten kennengelernt, mit denen das Multiplizieren und Wurzelziehen für komplexe Zahlen erheblich einfacher erklärt werden kann.
Die komplexe Ebene mit all ihren Punkten, die jeweils für eine eindeutig bestimmte komplexe Zahl stehen, ist das eigentliche Ziel der langen zahlentheoretischen Vorrede, die wir auf unserem Erkundungspfad zur Mandelbrotmenge über uns haben ergehen lassen müssen. Dazu mehr im nächsten Teil dieser Beitragsserie, bei der es dann endlich um die Mandelbrotmenge selbst gehen wird.
Sind die komplexen Zahlen jetzt eigentlich in jeder Hinsicht ein Fortschritt gegenüber den Reellen Zahlen? Nein, sind sie nicht. Erstens ist das Rechnen mit komplexen Zahlen deutlich umständlicher als dasjenige mit den Reellen Zahlen. Das sollte in diesem Beitrag mehr als deutlich geworden sein. Ein weiterer gravierender Nachteil der Komplexen Zahlen gegenüber den Reellen Zahlen ist der Verlust der Ordnung. Für je zwei ungleiche reelle Zahlen kann man immer eindeutig entscheiden, welche von beiden die kleinere und welche die größere ist. Bei komplexen Zahlen ist das nicht so. Betrachten wir dazu mal die beiden Zahlen 2+1×i und 1+2×i. Es sind offenbar verschiedene Zahlen, aber welche ist denn jetzt die Kleinere und welche die Größere? Bei der Ersten ist der reelle Anteil größer als bei der Zweiten, aber mit dem imaginären Anteil verhält es sich genau umgekehrt. Insgesamt erkauft man sich also die Vorteile der Komplexen Zahlen gegenüber den Reellen Zahlen mit erheblichen Nachteilen. Das ist einer der vielen Gründe dafür, dass wir in der Schule (und erst recht im Alltag) eigentlich nie über die Reellen Zahlen hinausgehen.
Die Menge der Komplexen Zahlen wird übrigens mit dem Zeichen „“ abgekürzt.
Auf die Idee mit der imaginären Einheit ist man vermutlich im 16. Jahrhundert in Italien gekommen und der Begriff „imaginäre Einheit” wurde im Jahre 1637 von niemandem Geringeres als René Descartes geprägt. Das Konzept der komplexen Ebene wiederum wurde erstmalig 1799 vom dänisch-norwegischen Mathematiker Caspar Wessel beschrieben.
Im Großen und Ganzen handelt es sich bei den Komplexen Zahlen demnach um ein historisch gesehen vergleichsweise modernes mathematisches Konzept. Nicht alles, was ich hier zum Besten gebe, ist also unbedingt antik und angestaubt…
Die Mandelbrotmenge ist es jedenfalls ganz sicher nicht. Sie stammt aus dem späten zwanzigsten Jahrhundert und ist damit ein Kind des Computerzeitalters. Doch davon – wie gesagt – erzähle ich dann im nächsten Beitrag.
Alles Liebe
Daniel