Hallo Ihr Lieben,
jetzt habe ich doch endlich mal ein Thema gefunden, das ganz ohne Zweifel uns alle angeht: die aktuell grassierende SARS-CoV-2-(„Coronavirus”)-Pandemie und die sicher nicht minder heftig grassierende Hysterie um eben jenes pandemische Geschehen. Nein, dass soll jetzt kein opportunistischer Versuch werden, meinem Blog mehr Aufmerksamkeit zu verleihen, indem ich schamlos auf dem Trittbrett der gegenwärtigen Popularität dieses Themas mitfahre. Vielmehr verbringe ich, wie die Meisten von Euch vermutlich auch, in den letzten Wochen gefühlt fast den ganzen Tag auf die eine oder andere Weise mit Corona & Co – sei es über soziale Netzwerke und Medien, sei es im Gespräch mit Familie, Freunden und Bekannten, sei es auf der verzweifelten Suche nach belastbaren Sachinformationen im Word-Wide-Web oder sei es grübelnd beim Einschlafen (das mir aus eben diesem Grund in letzter Zeit sicher nicht leichter fällt). Mag sein, dass glücklicherweise nur Bruchteile einer Promille aller Menschen dieser globalisierten Welt tatsächlich mit dem SARS-CoV-2-Erreger infiziert worden sind: Corona hat uns alle schon längst erreicht, und die damit einhergehenden Sorgen und Ängste machen uns unter Umständen kranker, als es der Erreger jemals tun könnte.
So gesehen, schreibe ich mir also mit diesem Beitrag sicher auch ein wenig meine eigenen Sorgen und Ängste von der Seele. Betrachtet das also gerne als eine Art Selbsttherapie. Soll mir recht sein. Tatsache ist aber, dass mir in dieser ganzen Corona-Grübelei so mancher Gedanke gekommen ist, der es vielleicht wert wäre, mit meiner sozialen Umwelt geteilt zu werden, und so vielleicht dazu beiträgt, einen wortwörtlich gesünderen Umgang mit der Pandemie zu erwirken.
Wissen ist Macht
Allenthalben wird es ja in diesen Tagen immer wieder postuliert: man solle sich in Sachen Corona nicht von Halbwahrheiten oder bewusst lancierten Fake-News verwirren lassen, sondern sich stattdessen an den Fakten orientieren. Leicht gesagt. Wenn man nur wüsste, welches aus all der Flut an Informationen in Medien und Word-Wide-Web die wirklichen Fakten und eben keine Spekulationen oder schiere Panikmache sind. Es bietet sich einem ja aktuell der untrügliche Eindruck, dass nicht einmal die einschlägigen Fachleute in all ihren Veröffentlichungen, Pressekonferenzen, Interviews und Talkshow-Auftritten so wirklich genau wissen, was Sache ist. Und auch am Ende mehrerer Wochen der geradezu besessenen Suche nach irgendwelchen greifbaren fundierten Erkenntnissen darf ich als Zwischenbilanz verkünden, dass ich nirgends wirklich fündig geworden bin.
Im Wesentlichen scheint es daran zu liegen, dass es aus wissenschaftlicher Sicht einfach noch zu früh ist, belastbare Aussagen über den Erreger, seine pathogene Wirkung und seine Verbreitung sowie über den epidemiologischen Verlauf der Pandemie zu machen. Dazu bräuchte man die statistisch relevanten großen Zahlen, die es derzeit nur aus China gibt und deren Objektivität insofern angezweifelt werden darf, denn es handelt sich hier um Bekanntmachungen eines totalitären Regimes, das sich nicht entblödet hat, die ursprüngliche Ausbreitung des Virus zunächst totzuschweigen und auch noch alle Ärzte mundtot zu machen, die es dennoch gewagt haben, vor einer neuen Epidemie zu warnen. Im Grunde bräuchten wir also aus wissenschaftlicher Sicht jetzt genau die Zahlen, deren Entstehung wir gerade mit allen möglichen Eindämmungsmaßnahmen zu verhindern versuchen.
Aus aktueller Selbsterfahrung kann ich außerdem nur davon abraten, sich in der verzweifelten Suche nach objektiven Informationen auf all jene Websites zu stürzen, in denen die aktuellen weltweiten Fallzahlen für Infektionen, Todesfälle und Heilungen teilweise sogar in Echtzeit veröffentlicht und in sehr plastischer Weise visualisiert werden. Nicht nur, weil etwa die gerne gewählte Darstellung mit knallroten Kreisen, die wie Pickel auf der Weltkarte zu sprießen und grenzenlos – ja geradezu geschwürartig – zu wachsen scheinen, dafür sorgt, dass die Infektionsausbreitung in ihrer globalen Bedeutung vollkommen überzeichnet wird und so vor allem unsere Untergangsfantasien anregt.
Nein, es geht auch um die Frage, was diese Zahlen eigentlich aussagen. Die meisten der im Web abrufbaren Zahlensammlungen beziehen ihre Informationen aus den jeweiligen Veröffentlichungen der Behörden in den einzelnen betroffenen Ländern. Und da fängt es ja schon mal an: erfolgen diese Veröffentlichungen auch nur annähernd nach denselben Kriterien? Wie gehen etwa totalitäre Regime mit diesen Zahlen um? Nach welchen Standards wird überhaupt beurteilt, wer ernst und/oder kritisch erkrankt ist? Werden die Infizierten im Rahmen weiträumiger Screening-Programme ermittelt oder erst dann, wenn sie schon halbtot in die Krankenhäuser kommen? Wie viel Zeit vergeht zwischen dem Abstrich beim Patienten und dem Vorliegen der Laborergebnisse? Wann gilt jemand als genesen?
Sicher, es gibt WHO-Standards für sowas. Aber werden sie überall eingehalten? In den USA hat man ja zu Anfang nicht einmal den SARS-CoV-2-Test der WHO verwendet. Es ist also schon mal höchst unsicher, ob man die Zahlen aus dem einen Land mit denjenigen aus einem anderen Land überhaupt grundsätzlich vergleichen kann. Aber bleiben wir mal bei den Zahlen für ein konkretes Land. Was genau sagen uns die Zahlen?
Die Sprache der Zahlen
Ein wohlbekanntes Postulat der empirischen Forschung lautet:
Korrelation ist noch keine Kausalität!
Oft haben korrelierte Beobachtungen beispielsweise einfach nur eine gemeinsame Ursache, hängen aber nicht direkt voneinander ab. So korreliert bei uns in den Sommermonaten der Konsum an Speiseeis erkennbar mit der Anzahl an Sonnenbränden: beides nimmt auf verblüffend parallele Weise zu, je wärmer und sonniger es draußen wird. Deswegen kriegt man aber noch lange keinen Sonnenbrand vom Eisessen. Beides sind lediglich voneinander unabhängige Folgen des Wetters. Alleine auf Basis empirisch erfasster Zahlenreihen lassen sich also keine Kausalitäten nachweisen.
Ähnliches gilt für den Umgang mit den Pandemie-Zahlen. Die Anzahl festgestellter Infektionen könnte etwa einen Anhaltspunkt dafür geben, wie schnell sich die Infektion ausbreitet. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn auch wirklich flächendeckend nach statistischen Vorgaben Stichproben gemacht würden. In Wahrheit zeigen die Zahlen lediglich, wie viele Infizierte zu einem gegebenen Zeitpunkt vom Gesundheitssystem erfasst wurden. Sie zeigen also insbesondere nicht, wie viele Infizierte herumlaufen, ohne erfasst worden zu sein – zum Beispiel, weil sie keinerlei oder nur geringe Beschwerden haben oder es vorziehen, sich gar nicht erst behördlich zu melden. Und schon gar nicht zeigen sie, wer alles nicht infiziert worden ist, obwohl er Kontakt zu Infizierten Personen hatte. Solche Personen müssten aber eigentlich gerade erfasst werden, um einen Anhaltspunkt zu liefern, wie viele Menschen von Vorneherein gegen den SARS-CoV-2-Erreger resistent sind. Das wiederum hätte entscheidenden Einfluss darauf, wie schnell und vor allem wie weit sich die Infektion überhaupt ausbreiten kann, denn größere Cluster immuner Menschen wirken wie Brandschneisen in einem Waldgebiet: sie verhindern die Ausbreitung der Infektion, sobald sie bis zu ihnen gelangt ist.
Schauen wir uns dazu mal die Zahlen vom Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess” an, das ja zu Anfang des Corona-Hypes überall in die Schlagzeilen geraten war. Die Diamond Princess ist nach meiner Kenntnis der einzige Fall, in der ein vollständiger Durchlauf des gesamten Epidemie-Verlaufs quasi unter Laborbedingungen beobachtet werden konnte. Das begann so:
Ein japanischer Passagier, der am 25. Januar 2020 in Hongkong von Bord des Schiffs gegangen war, wurde am 1. Februar positiv auf SARS-CoV‑2 getestet. Am 4. Februar wurden dann zehn SARS-CoV-2-Infektionen an Bord des Schiffes nachgewiesen, das aus diesem Grund noch am selben Tag unter Quarantäne gestellt wurde. Die Infektion hatte sich also zu diesem Zeitpunkt mindestens neun Tage lang vollkommen ungehindert von irgendwelchen Eindämmungsmaßnahmen in einer sehr dicht an Bord lebenden Population von rund 3.700 Personen (Passagiere plus Besatzung) ausbreiten können. Der weitere Verlauf ist in folgendem Diagramm dokumentiert:
Wir sehen dort, dass am 5. März insgesamt 3.618 Personen an Bord des Schiffes auf Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus getestet wurden, womit alle Personen an Bord vollständig erfasst worden sind. Davon waren am selben Tag 696 mit dem Virus infiziert, 410 davon symptomlos. Insgesamt gab es übrigens 7 Todesfälle auf der Diamond Princess, 6 davon waren über 70 Jahre alt (davon wiederum mindestens drei über 80 Jahre alt) und von einem konnte ich keine Informationen über sein Alter finden. Wie oben dargelegt, konnte sich die Infektion zumindest neun Tage lang unter geradezu idealen Bedingungen hemmungslos ausbreiten, da bis dahin keinerlei Maßnahmen zur Abschottung der Menschen voneinander getroffen wurden. Im Gegenteil: im Bordtheater, auf dem Sonnendeck, im Hauptrestaurant und in den vielen anderen Attraktionen des Schiffes kleben die Gäste üblicherweise in großen Trauben eng aneinander. Die Crew hingegen lebt ohnehin auf sehr engem Raum – schon alleine wegen der platzsparend ausgelegten Mannschaftsquartiere. Kurz: wenn eine Infektion sich maximal ausbreiten kann, dann unter diesen Bedingungen.
Und was ist objektiv passiert? Es haben sich gerade mal 20% der Personen an Bord überhaupt angesteckt. Davon wiederum waren 57% symptomlos. Bleiben 286, bei denen sich die COVID-19-Krankheit überhaupt in der einen oder anderen Form klinisch manifestiert hat. Das sind lediglich 8% aller Personen an Bord. Gestorben sind sieben Personen, von denen zumindest sechs eindeutig ältere bis sehr alte Semester waren. Über Vorerkrankungen konnte ich nichts finden, aber nach meiner eigenen Erfahrung auf diversen Kreuzfahrtschiffen, trifft man dort eine Menge Raucher und vor allem eine Menge hochgradig adipöser Menschen, von denen nicht wenige die klassischen Risikofaktoren wie Herz-Kreislauf-Insuffizienzen und Diabetes Mellitus in sich tragen dürften.
Also – in dieser für die Verbreitung des Erregers nahezu optimalen Umgebung haben wir 80% offenbar immune Personen, weitere 12% mit symptomlosen Erkrankungen, 8% klinische Manifestationen von COVID-19 und 0,2% Todesfälle – davon entstammen bis auf einen ungeklärten Fall alle anderen genau denselben Risikogruppen, die auch bei Influenza-Infektionen mit schweren bis tödlichen Verläufen rechnen müssten.
Ob diese Zahlen für allgemeinere und größere Stichproben repräsentativ sind, kann ich nicht qualifiziert beurteilen. Aber wenn sie es wären, hieße das, dass sich nur rund 20% aller Menschen überhaupt mit dem SARS-CoV-2-Erreger anstecken können. Alle anderen sind sowieso schon immun. Das ist nicht mehr sehr weit weg von den Größenordnungen, die selbst bei Mumps oder Masern für die vielzitierte Herdenimmunität notwendig sind. In einem Land wie Deutschland wäre nach diesen Zahlen also auch ohne jedwede Eindämmungsmaßnahmen mit einem theoretischen Maximum an 6,5 Millionen klinischen Manifestationen und knapp 165.000 Todesfällen – überwiegend innerhalb der üblichen Risikogruppen – zu rechnen.
Das ist jetzt sicher kein Grund irgendetwas zu bagatellisieren. Und es ist ja auch keineswegs gesagt, dass die Zahlen von der Diamond Princess repräsentativ für Deutschland sind. Allerdings sind es die einzigen Zahlen, die ich finden konnte, bei denen die Gesamtpopulation bis zum vollständigen Ende des Epidemieverlaufs systematisch getestet wurde. Und man muss nochmals betonen, dass die Betroffenen hier alle auf engstem Raum zusammengelebt haben.
Jedenfalls relativiert sich angesichts dieser Zahlen allemal das anfangs noch verbreitete Schreckensszenario einer aggressiv grassierenden Pandemie, der wir allesamt zum Opfer fallen werden, weil insbesondere junge, gesunde Menschen wie die Fliegen massenweise davon hingerafft werden. Und mit einigermaßen konsequenten Eindämmungsmaßnahmen, wie sie in China und Südkorea – sofern man den veröffentlichten Zahlen überhaupt glauben schenken darf – offenbar erfolgreich umgesetzt werden konnten, ließen sich die Modellrechnungen von der Diamond Princess wohl nochmals deutlich nach unten korrigieren.
Out of the Box
All diese Einsichten stammen natürlich nicht von mir. Dazu bin ich ja nun auch wahrlich nicht qualifiziert. Ich habe sie stattdessen in einem kurzen aber prägnanten Artikel aus der Jerusalem Post vom 16.3.2020 gefunden. Er berichtet vom Biophysiker und Nobelpreisträger Michael Levitt, der sich intensiv mit den Zahlen aus China befast hat und schon Mitte Februar 2020 vorherzusagen in der Lage war, dass es zwei Wochen später zu einer Trendwende und Ende März zu einem vollständigen Erliegen der Epidemie in China kommen würde. Als ich diesen Artikel gelesen hatte, wurde mir zum ersten Mal klar, dass es eben nicht nur um die reinen Zahlen geht, sondern vor allem um jene Kausalzusammenhänge, die man ihnen unter Umständen eben gerade nicht ansehen kann.
So argumentiert Levitt, dass die allgemein postulierte exponentielle Wachstumsrate einer Infektionsausbreitung unseren tatsächlichen Lebensverhältnissen nicht gerecht wird. Wir begegnen in unserem Alltagsleben nicht immer und immer wieder neuen Menschen, die wir anstecken können, sondern bewegen uns vielmehr weitgehend in einer konstanten sozialen Umgebung. Dieser Umstand gepaart mit der Annahme, dass es offenbar bereits ein hohes Maß an naturgegebener Immunität gegen den Erreger in der Bevölkerung gibt, sorgt dafür, dass die Neuinfektionszahlen ab einem gewissen Punkt quasi von alleine wieder zurückgehen, denn jeder Infizierte trifft dann immer häufiger auf einen entweder sowieso immunen Mitmenschen oder einen solchen, der aufgrund einer überstandenen Infektion immunisiert worden ist. Auf diese Weise gelangt die Infektionsausbreitung relativ schnell wieder zu einem Stillstand.
Wo aber kommen dann die Horrorszenarien her, die uns aus Italien, Frankreich und Spanien gemeldet und vor allem sehr plastisch von den Medien frei Haus in unsere Smartphones geliefert werden?
Auch dazu hat Levitt eine klare Meinung, die ich einem weiteren Artikel aus der Jerusalem Post entnommen habe. Er verweist darin auf etwas, das ich schon lange vermutet habe: es hat keinen Sinn, sich die Anzahl an Infizierten anzusehen. Maßgebend sind letztlich nur die gezählten Todesfälle. Der Grund: ob und wenn ja wann, wie gründlich, wie umfassend und wie zuverlässig die Infizierten überhaupt festgestellt werden, ist von Land zu Land unterschiedlich. Wie bereits oben ausgeführt, hat jedes Land so seine eigene Herangehensweise. Während Deutschland beispielsweise ziemlich vorausschauend das gesamte soziale Umfeld von bereits nachgewiesen Infizierten auf Infektion testet und damit Infizierte zu einen Zeitpunkt erfasst, zu dem die Infektion sich klinisch oft noch gar nicht manifestiert hat, werden die Infizierten in andren Ländern erst erfasst, wenn sie aufgrund auffälliger Beschwerden ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Bei Todesfällen ist das anders: dass jemand tot ist, lässt sich jenseits von kultur- und traditionsgrenzen ziemlich zuverlässig und objektiv feststellen. Und dass er an COVID-19 verstorben ist, kann man zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellen. Die festgestellte Anzahl an Todesfällen unterliegt daher sehr viel weniger landesspezifischen Schwankungen als die Anzahl an Infektionen. Klar: dass etwa der Iran so wirklich alle COVID-19-bedingten Todesfälle bereitwillig veröffentlicht, kann aus gutem Grund bezweifelt werden. Aber von solchen regimeabhängigen Faktoren einmal abgesehen, sind die Todesfallzahlen ein recht einheitliches Maß für den jeweiligen Epidemieverlauf.
Von der oben dargelegten „Labor-Situation” auf der Diamond Princess ausgehend, kann man ziemlich klar erkennen, dass die Anzahl der Infizierten mindestens um den Faktor 100 über der Anzahl der Todesfälle liegt. Die dort festgestellten Todesfälle ereigneten sich zwischen dem 20. Februar und dem 6. März 2020 – also ab einem Zeitpunkt, zu dem bereits 634 Infektionsfälle bestätigt waren. Sofern man diese Beobachtung zugrundelegt, kann man also davon ausgehen dass zu einem beliebigen Zeitpunkt auf jeden Todesfall mindestens mal das Hundertfache an Infektionsfällen kommt – in der Anfangszeit sogar eher das Vier- bis Fünfhundertfache.
Schauen wir uns mit diesen Überlegungen ausgestattet mal die Todesfallzahlen in Italien zwischen dem 24. Februar 2020 und dem 18 März 2020 an:
Man sieht, dass die ersten nennenswerten Fallzahlen Anfang März zusammengekommen waren. So waren es 41 Fälle am 1. März. Nach der obigen Überlegung müsste es also zu diesem Zeitpunkt mindestens mal das Hundertfache – also 4.100 – an Infektionsfällen gegeben haben. Werfen wir also dann auch mal einen Blick auf die Infektionszahlen in Italien im selben Zeitraum:
Am 1. März wurden in Italien demnach gerade mal 1.701 Infektionen bestätigt. Also lediglich ein Drittel der mutmaßlichen Mindestanzahl tatsächlicher Infektionen. Am 15. März waren bereits gut 1.800 Todesfälle zu beklagen, während demgegenüber noch knapp unter 25.000 Infizierte anstelle der rechnerischen Mindestanzahl von 180.000 gemeldet wurden – also nur ein Siebtel der vermuteten Anzahl an tatsächlich Infizierten. Mit anderen Worten: Italien hat die Epidemie bis Anfang März praktisch komplett verschlafen und überhaupt erst angefangen, nach Infizierten zu suchen, als bereits Menschen an COVID-19 zu sterben begannen. Die beiden obigen Kurven, also Infektionszahlen und Todesfallzahlen, laufen daher praktisch parallel. Normalerweise müsste die Todesfallkurve der Infektionskurve um mindestens zwei Wochen hinterherlaufen, denn laut Worldometer dauert es alleine schon so lange bis es nach dem ersten Auftreten von Beschwerden zum Versterben des Patienten kommt.
Von diesen Zuständen sind wir in Deutschland noch recht weit entfernt. Wir hatten in Deutschland die ersten beiden Todesfälle am 9. März 2020 zu beklagen, als bereits über 1.200 Infektionsfälle gemeldet waren. Per 19.3.2020 hat es den Anschein, als würden sich nun auch die Todesfallzahlen schneller erhöhen, aber man kann etwa an der Todesfallstatistik von Südkorea erkennen, dass die Verläufe am Anfang noch sehr unstetig sind:
Ein klarer Trend lässt sich dort auch nach fast einem Monat nicht erkennen. Jedenfalls ist das eindeutig kein exponentieller Verlauf. Das dürfte daran liegen, dass Südkorea mit Eindämmungsmaßnahmen zu einem Zeitpunkt begonnen hat, als die Fallzahlen noch überschaubar waren. Ähnliches könnte auch in Deutschland gelingen.
Der unbekannte Mahner
Immer klarer scheint auch zu werden, dass die Todesfälle fast ausschließlich in jenen Risikogruppen zu finden sind, die auch sonst etwa von der saisonalen Influenza bedroht wären: sehr alte Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. Es scheint also nach momentaner Sachlage so zu sein, als wäre die SARS-CoV-2-Pandemie eben gerade keine Bedrohung für die großen Massen der Bevölkerung. Jedenfalls nicht in höherem Maße als so manche saisonale Influenzawelle (wie etwa diejenige aus 2017/18, die allein in Deutschland 25.000 Todesopfer gefordert hat). Woher kommt dann aber diese nie dagewesene, allseits um sich greifende Panik vor dem Coronavirus?
Sowohl auf Basis der Diamond Princess-Zahlen als auch anhand des bisherigen Epidemieverlaufs in China und Südkorea ist jedenfalls klar, dass die Meisten von uns dem Coronavirus vor allem als latente Bedrohung und nicht als klinische Manifestation begegnen werden. Und genau da liegt wohl auch das Problem: wir sehen wachsende rote Kreise auf Weltkarten, dramatische Bilder aus italienischen Intensivstationen oder chinesischen Großstadtstraßen, wir erleben einen völlig veränderten Alltag mit geschlossenen Restaurants, Theatern, Kinos und Spielplätzen, mit Home-Office und hirnlosen Hamsterkäufen, mit Gesichtsmasken und Social Distance. Kurzum: wir haben nicht die geringste Chance, die Pandemie auch nur für den Bruchteil einer Sekunde auszublenden. Sie ist omnipräsent von morgens bis abends und vor allem von abends bis morgens.
Mit tatsächlichen COVID-19-Manifestationen kommen wir hingegen nur selten in Berührung. Alle konkreten Fälle aus meinem sozialen Umfeld beschränken sich einstweilen auf nervigen Husten und eine gewisse Abgeschlagenheit. Also eher weniger schlimm als manch eine saisonale Grippe. Klar, es gibt auch sehr schlimm verlaufende COVID-19-Fälle, aber die gibt es leider auch immer wieder bei der Influenza, wegen derer ich jedoch noch keinen allgemeinen Lockdown oder die Plünderung von Klopapiervorräten in Supermärkten gesehen habe.
Corona ist also vor allem eine ebenso allgegenwärtige wie unbekannte Bedrohung, zumal es auch auf wissenschaftlicher Ebene noch keine fundierten Erkenntnisse dazu gibt. Das macht Corona so anders als die Influenza, die wir einschätzen können und der wir außerdem im Alltag fast nie begegnen.
Aber Corona ist noch viel mehr: die Pandemie zeigt mit weit ausgestrecktem Finger auf uns alle und schreit uns ins Gesicht „j’accuse!”. Sie zeigt die Verfehlungen einer Weltordnung auf, bei der wir dringend gebotene Krisenvorsogemaßnahmen hemmungslos auf dem Altar der strengen Kostenminimierung opfern. Corona ist wie ein Menetekel unserer sprichwörtlich grenzenlosen Reiselust, die täglich Hunderttausende von uns zwischen den entferntesten Enden der Welt hin- und hertreibt und so die von der Natur geschaffenen geografischen Barrieren für die Ausbreitung biologischer Phänomene aller Art schlechterdings außer Kraft setzt. Die lästigen aus Asien eingeschleppten marmorierten Baumwanzen, die in den Hebsttagen 2018 und 2019 ständig in unseren Wohnungen Zuflucht vor der für sie ungewohnten Kälte gesucht haben, mögen dafür noch ein recht harmloses Beispiel gewesen sein.
Und Corona zeigt uns unübersehbar die Empfindlichkeit unseres globalisierten Wirtschaftssystems auf: man nehme ein winziges, kronenförmiges Proteinkonglomerat, lasse es irgendwo in China von einer asiatischen Fledermaus auf ein unbedarftes Pangolin überspringen, welches seinerseits bedauernswerter Weise auf der Speisekarte einiger Liebhaber der besonders exotischen Küche landet – und schwupp steht die Welt ein paar Monate später vor dem ökonomischen Kollaps. Wie kann man in einer Welt gut schlafen, in der wir so etwas möglich gemacht haben?
Nein: die Angst vor Corona ist eher nicht die Angst vor den Folgen einer drohenden Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus. Die Angst vor Corona ist die Angst vor der offen zutage getretenen Fragilität unserer Welt, die wir allzu lange zu verdrängen gelernt haben. Corona führt uns sehr verbindlich vor Augen, dass es höchste Zeit ist, mit dieser Verdrängung Schluss zu machen und ein paar wirklich drängende Probleme unserer Weltordnung nachhaltig zu lösen!
Und vielleicht ist diese ganze mysteriöse Besessenheit mit dem Horten von Klopapier ja auch nichts anderes als Ausdruck der durch Corona ins Bewusstsein gerückten Erkenntnis, dass wir die ganze Scheiße, die wir in den letzten Jahrzehnten produziert haben, so schnell nicht werden abwischen können…
Seid mir alle gesund, Ihr Lieben!
Alles Liebe
Daniel
1. Die Sterberate bei CoViD ist deutlich höher als bei seasonal influenza.
2. Das jemand einen milden Krankheitsverlauf hat, ist imho nicht als Immunität zu bezeichnen.
3. Selbst wenn es gelänge, die Risikobevölkerung abzuschirmen, wäre auch das deutsche Krankenhaus System mit seiner hohen Intensive Care Dichte bei einem exponentiellen Anstieg bald überfordert, und die Todesrate würde wegen fehlender Beatmungsgeräte deutlich steigen. Siehe Italien. Siehe die Imperial College Studie, die BoJo zur Kehrtwende bewegt hat.
4. Ich empfehle
https://www.ndr.de/nachrichten/info/Coronavirus-Virologe-Drosten-im-NDR-Info-Podcast,podcastcoronavirus100.html
Panik ist immer falsch. Angenommen, die bis zum Abflauen der Krankheit Verstorbenen verschwänden plötzlich, wäre es recht überraschend und nicht sehr angenehm, die Sekundärfolgen wären aber gering. Die zu erwartenden Folgen unserer jetzigen Panik sind aber immens, manche orakeln, dass es Herrn Trump in den Krieg mit dem Iran ziehe etc. — das bloße Verschwinden einiger tausend, oder seien es sogar hunderttausend Menschen rechtfertigt eine solche Reaktion nicht
Ignorieren ist falsch, wie man von England lernt (Yankel Moishe weiß sicher mehr)