Die Krö­nung der Igno­ranz – von Coro­na­ver­harm­lo­sung und Realitätsverlust

Hal­lo Ihr Lieben,

lan­ge nichts mehr auf mei­nem Blog geschrie­ben. Eigent­lich komisch. Es ist ja nicht so, als wür­de ich mich zu den­je­ni­gen zäh­len wol­len, die sich selbst nicht ger­ne reden hören oder schrei­ben sehen. Aber die­se Pan­de­mie­zeit hat unser Leben doch irgend­wie nach­hal­tig ver­än­dert. Der gan­ze All­tags­rhyth­mus ist gleich­för­mi­ger gewor­den, man fokus­siert sich zuneh­mend auf ande­re Schwer­punk­te des Lebens und befin­det sich stim­mungs­mä­ßig in einer anhal­ten­den Pen­del­be­we­gung zwi­schen Zuver­sicht und Bedrückt­heit – und das mit nahe­zu täg­lich wech­seln­den Fre­quen­zen und Amplituden.

Was mich jetzt aller­dings dazu bewo­gen hat, die Tas­ta­tur dann doch end­lich mal wie­der in die Hand zu neh­men, ist die nicht enden wol­len­de Dau­er­be­auf­schla­gung mit den Aus­sa­gen all jener, die sich immer noch nicht damit abfin­den kön­nen (oder wol­len), dass die SARS-CoV-2-Pan­de­mie eine unum­stöß­li­che Rea­li­tät ist. Es nervt ein­fach, dass ich immer noch Men­schen in mei­nem eigent­lich ja ziem­lich sorg­fäl­tig aus­ge­wähl­ten sozia­len Umfeld begeg­ne, von denen ernst­haft Aus­sa­gen kom­men wie „die Pan­de­mie ist in dem Moment vor­bei, in dem alle end­lich mal den Fern­se­her aus­schal­ten” oder die stän­dig dar­auf ver­wei­sen, dass unse­re Regie­run­gen in Fra­gen des Umgangs mit der Pan­de­mie abso­lut ein­sei­tig bera­ten wür­den, wäh­rend es unge­zähl­te Fach­leu­te gebe, die zu einer ganz ande­ren Bewer­tung des Pan­de­mie­ge­sche­hens kämen als jene offi­zi­ell kon­sul­tier­ten Exper­ten. Der bit­te­re Ernst der Gefah­ren, die von der Pan­de­mie für Indi­vi­du­um und Gesell­schaft aus­ge­hen, wird also von die­sen Zeit­ge­nos­sen eben­so geflis­sent­lich igno­riert wie der Umstand, dass es dem­zu­fol­ge kei­ne wesent­li­chen Alter­na­ti­ven für die der­zeit getrof­fe­nen Gegen­maß­nah­men gibt. 

Manch einer aus mei­nem Gesell­schafts­kreis über­schwemmt sogar sozia­le Netz­wer­ke mit Quer­den­ker-nahen Coro­na-Fake-News oder müllt mich mit Vide­os zu, in denen angeb­li­che Exper­ten alle wesent­li­chen Fak­ten zur Pan­de­mie genüss­lich in Zwei­fel zie­hen: sei es die Zuver­läs­sig­keit der PCR-Test, die Wirk­sam­keit bzw. die Unschäd­lich­keit der COVID-19-Impf­stof­fe, die eigent­li­che Todes­ur­sa­che der offi­zi­el­len COVID-19-Todes­op­fer, die Leta­li­tät von COVID-19, die Scha­dens­wir­kung einer SARS-CoV-2-Infek­ti­on für den mensch­li­chen Kör­per – zu allem gibt es eine Arma­da selbst­er­nann­ter Fach­leu­te, die behaup­ten, auf Basis ver­meint­lich wis­sen­schaft­li­cher Schluss­fol­ge­run­gen nahe­zu das genaue Gegen­teil all des­sen bewei­sen zu kön­nen, was die eta­blier­ten Wis­sen­schaft­ler, For­schungs­in­sti­tu­te und Exper­ten­gre­mi­en die­ser Welt durch die Bank hin­weg ein­hel­lig vertreten.

Fak­ten­check

Zu all den oben ange­spro­che­nen Punk­ten kann ich ger­ne die ein­schlä­gi­gen Quel­len nen­nen, aus denen auf Basis Peer-Review-begut­ach­te­ter Stu­di­en und For­schungs­er­geb­nis­se ein­deu­tig her­vor­geht, dass die Din­ge wirk­lich so sind, wie die poli­ti­schen Akteu­re sie ihren Ent­schei­dun­gen zugrun­de legen:

Dazu kom­men noch ein paar All­ge­mein­weis­hei­ten, die an die­ser Stel­le aus­drück­lich an die Adres­se der noto­ri­schen Coro­na-Klein­red­ner gerich­tet sein sollen:

  • Eine Krank­heit, an der man nicht gleich stirbt, ist des­halb noch lan­ge kei­ne harm­lo­se Krank­heit. Weder an Hepa­ti­tis noch an Polio stirbt man etwa übli­cher­wei­se nach einer Erst­in­fek­ti­on. Die fata­len Spät­fol­gen die­ser Infek­tio­nen zei­gen sich indes­sen oft erst Jah­re danach. Wer also argu­men­tiert, dass an COVID-19 auch nicht mehr Men­schen ster­ben als an der sai­so­na­len Influ­en­za (wenn es denn stim­men wür­de), wes­we­gen die SARS-CoV-2-Pan­de­mie auch kei­ne ande­ren Maß­nah­men erfor­de­re als die all­jähr­li­chen Influ­en­za-Aus­brü­che, ver­kennt ein­deu­tig die Viel­fäl­tig­keit der Wege, auf denen das SARS-CoV-2-Virus schwe­ren und nach­hal­ti­gen Scha­den bei Men­schen anrich­ten kann.
  • Über 1,5% der in Deutsch­land gemel­de­ten COVID-19-Fäl­le müs­sen im Kran­ken­haus beatmet wer­den. Ein bedeu­ten­der Teil die­ser Pati­en­ten wür­de die Krank­heit ohne die­se Beatmungs­maß­nah­men nicht über­le­ben. Die Falls­terb­lich­keit läge also deut­lich höher, wenn die Anzahl an beatmungs­pflich­tig Erkrank­ten regel­mä­ßig die­je­ni­ge der gera­de ver­füg­ba­ren Beatmungs­plät­ze über­stie­ge. Dies wie­der­um wür­de bei einer unkon­trol­lier­ten Aus­brei­tung von COVID-19 auf­grund simp­ler mathe­ma­ti­scher Gesetz­mä­ßig­kei­ten unwei­ger­lich nach weni­gen Mona­ten gesche­hen. Inso­fern bezie­hen sich die bis­her ver­öf­fent­lich­ten Zah­len zur Falls­terb­lich­keit aus­schließ­lich auf Epi­de­mie­ver­läu­fe, die durch ent­spre­chen­de Ein­däm­mungs­maß­nah­men erheb­lich ver­lang­samt wor­den sind. Die tat­säch­li­che Falls­terb­lich­keit bei unge­steu­er­tem epi­de­mi­schem Gesche­hen läge daher mit hoher Wahr­schein­lich­keit sehr deut­lich über den bis­her gemes­se­nen Zahlen.
  • Nach einer aktu­el­len, im Cana­di­an Medi­cal Asso­cia­ti­on Jour­nal ver­öf­fent­lich­ten Stu­die, liegt das Risi­ko, die eine oder ande­re Form einer Lun­gen­ent­zün­dung im Zusam­men­hang mit einer COVID-19-Erkran­kung zu ent­wi­ckeln, immer­hin bei über 25%. Nicht jede die­ser Ent­zün­dun­gen ver­läuft son­der­lich schwer oder bedarf gar einer Hos­pi­ta­li­sie­rung bzw. Beatmung. Aber jede davon birgt prin­zip­be­dingt das Risi­ko, dass Lun­gen­ge­we­be in mehr oder min­der aus­ge­präg­ter Form irrever­si­bel geschä­digt wird. Selbst für Per­so­nen unter 18 Jah­ren liegt das Lun­gen­ent­zün­dungs­ri­si­ko laut besag­ter Stu­die immer­hin noch bei knapp 10%. Jede SARS-CoV-2-Infek­ti­on geht also mit einem nicht uner­heb­li­chen Risi­ko für dau­er­haf­te Lun­gen­schä­den ein­her. Und zwar aus­drück­lich auch bei jun­gen Menschen. 

Völ­lig losgelöst

All das wis­sen die besag­ten Skep­ti­ker im Grun­de auch. Ich habe mir das ja nicht aus den Fin­gern gesaugt, son­dern schlicht im Inter­net recher­chiert und anhand der jeweils ange­ge­be­nen Quel­len auf Plau­si­bi­li­tät über­prüft. Das kann jeder ande­re genau­so tun. Sach­lich gese­hen gibt es an der SARS-CoV-2-Pan­de­mie also ein­fach nichts zu verharmlosen. 

Es drängt sich daher die Fra­ge auf: war­um tun die das? War­um strei­ten die Ver­harm­lo­ser all jenes vehe­ment ab und stür­zen sich statt­des­sen gera­de­zu obses­siv auf dubio­se Quel­len, in denen ver­meint­lich qua­li­fi­zier­te Fach­leu­te die wohl­fun­dier­ten Fak­ten zu Coro­na & Co. bestrei­ten? Sicher: aner­kann­te Exper­ten­gre­mi­en, eta­blier­te For­schungs­in­sti­tu­te und renom­mier­te Wis­sen­schaft­ler – sie alle kön­nen sich irren. Viel­leicht sogar fun­da­men­tal irren. Aber gleich alle auf ein­mal? Welt­um­span­nend und kulturübergreifend?

Aber gut – spie­len wir das doch mal ganz kurz gedank­lich durch. Neh­men wir also an, es gäbe wirk­lich fun­diert begrün­de­te Zwei­fel an jenen eta­blier­ten Aus­sa­gen über die Pan­de­mie, auf deren Basis die Regie­run­gen die­ser Welt schwe­ren Her­zens Kon­takt­be­schrän­kun­gen und sons­ti­ge Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men ange­ord­net haben. Wür­den eben die­se Regie­run­gen unse­rer Welt dann nicht hän­de­rin­gend nach sol­chen Erkennt­nis­sen suchen, um eine Recht­fer­ti­gung dafür zu haben, die mas­siv wirt­schafts­schä­di­gen­den Infek­ti­ons­schutz­an­ord­nun­gen schnellst­mög­lich auf­he­ben zu kön­nen? Wel­che Regie­rung eines demo­kra­ti­schen Lan­des legt denn mit Blick auf die nächs­te Wie­der­wahl frei­wil­lig gan­ze Wirt­schafts­zwei­ge über Mona­te hin­weg lahm und zieht damit den Unmut gro­ßer Tei­le ihrer Wäh­ler­schaft auf sich, wenn es qua­li­fi­zier­te Argu­men­te gegen die Grund­la­gen für der­ar­ti­ge Ent­schei­dun­gen gäbe? 

Bevor man als Regie­rungs­ver­ant­wort­li­cher einer nam­haf­ten Indus­trie­na­ti­on also der­art ein­schnei­den­de und ganz sicher unpo­pu­lä­re Ent­schei­dun­gen trifft, greift man doch alle­mal nach jedem sich bie­ten­den Stroh­halm, um doch noch einen stich­hal­ti­gen Grund zu fin­den, sol­che Maß­nah­men ver­mei­den zu kön­nen. Wenn also glaub­haf­te Fach­leu­te wirk­lich über­zeu­gend dar­le­gen könn­ten, dass die von den eta­blier­ten Insti­tu­tio­nen ver­tre­te­ne Sicht auf die Pan­de­mie min­des­tens mal zwei­fel­haft ist, hät­ten sich die Exe­ku­tiv­ver­ant­wort­li­chen die­ser Welt doch schon im urei­gens­ten Inter­es­se längst auf sol­che Exper­ten­mei­nun­gen gestürzt, um all die volks­wirt­schafts­ge­fähr­den­den Not­maß­nah­men ver­mei­den zu kön­nen. Wenn sie genau dies aber durch die Bank hin­weg prak­tisch nir­gends auf der Welt getan haben (sieht man mal von den Trumps, Bol­so­n­a­ros und John­sons die­ser Welt mit dem wenig ruhm­rei­chen Ergeb­nis ab, das ihre anfäng­lich igno­ran­te Infek­ti­ons­schutz­po­li­tik gezei­tigt hat), dann kann das doch im Umkehr­schluss nichts ande­res bedeu­ten, als dass es der­art qua­li­fi­zier­te Gegen­po­si­tio­nen schlicht­weg nicht gibt.

Fins­te­re Mächte

So manch noto­ri­scher Ver­harm­lo­ser wird mir an die­ser Stel­le mög­li­cher­wei­se ent­geg­nen, dass es die­se qua­li­fi­zier­ten Gegen­po­si­tio­nen selbst­ver­ständ­lich allent­hal­ben gebe. Allein: ihre lei­den­schaft­lich um Gehör kämp­fen­den Ver­tre­ter wer­den von den eta­blier­ten Kräf­ten die­ser Welt gezielt und sys­te­ma­tisch igno­riert oder gar mund­tot gemacht. Die­ses Vor­ge­hen fol­ge einer fins­te­ren, welt­wei­ten Ver­schwö­rung, die sich zum Ziel gesetzt habe, eine gänz­lich erfun­de­ne, zumin­dest aber in ihrem Bedro­hungs­po­ten­zi­al mas­siv über­zeich­ne­te Pan­de­mie her­bei­zu­re­den, um unter ihrem Deck­man­tel die Völ­ker die­ser Erde sys­te­ma­tisch zu ent­rech­ten und mit Hil­fe unüber­wind­ba­rer Über­wa­chungs- und Kon­troll­me­cha­nis­men ein für alle­mal wil­len­los und gefü­gig zu machen.

Echt jetzt? Die­se Vari­an­te ist wirk­lich wahr­schein­li­cher, als die Annah­me, dass die Pan­de­mie in all ihren bekann­ten Aus­wir­kun­gen real ist? Die Regie­run­gen aller bedeut­sa­men Staa­ten die­ser Welt sol­len sich in Über­win­dung ihrer sonst ja nicht gera­de gering aus­ge­präg­ten Gegen­sät­ze kon­spi­ra­tiv zusam­men­ge­fun­den haben, um vor unse­ren Augen den als Pan­de­mie getarn­ten gro­ßen Mas­ter­plan zur Unter­wer­fung aller frei­en Gesell­schaf­ten die­ser Erde zu ver­wirk­li­chen? Selbst­ver­ständ­lich machen alle nam­haf­ten Medi­en­re­dak­tio­nen, Wis­sen­schafts­in­sti­tu­te, Uni­ver­si­tä­ten, Kran­ken­häu­ser, Medi­zi­ner, Pfle­ger, Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te, Gesund­heits­äm­ter, Poli­zis­ten und Poli­ti­ker mun­ter dabei mit. Naja, mit Aus­nah­me solch ein­sa­mer Vor­kämp­fer der gerech­ten Sache, wie etwa die AfD oder die Quer­den­ker in Deutsch­land bzw. manch repu­bli­ka­ni­scher Poli­ti­ker oder QAnon in den USA natür­lich. DAS sind dann also die letz­ten der Gerech­ten die­ser Welt, die noch für unse­re frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­rech­te einstehen. 

Leu­te – kann es sein, dass ihr vor lau­ter Pan­de­mie­lan­ge­wei­le in letz­ter Zeit zu vie­le Sci­ence-Fic­tion-Thril­ler gese­hen habt?

Aber nein, lie­ber Dani­el, du checkst es nicht: da gibt es eine ganz klei­ne aber extrem ein­fluss­rei­che kon­spi­ra­ti­ve Eli­te, die eben­so gezielt wie geschickt auf die wesent­li­chen Ent­schei­der die­ser Welt ein­wirkt und sie alle dazu bringt, an die in Wahr­heit gar nicht exis­tie­ren­de Pan­de­mie zu glau­ben. Bei den Ange­hö­ri­gen aller ande­ren der oben­ge­nann­ten Grup­pie­run­gen setzt die­se Eli­te hin­ge­gen auf den Her­den­trieb, der schon dafür sor­gen wird, dass nie­mand sich als Ein­zel­kämp­fer gegen den Main­stream auf­zu­leh­nen wagt. 

Ja klar. Was auch sonst. Bill Gates viel­leicht? Oder die Juden mal wieder? 

Klar: es könn­te wirk­lich so sein – jeden­falls mit einer gewis­sen Wahr­schein­lich­keit. Doch wie groß ist die­se Wahr­schein­lich­keit im Ver­gleich zur Wahr­schein­lich­keit dafür, dass die Pan­de­mie eben doch eine ech­te Pan­de­mie ist – und zwar mit all den Eck­da­ten, die prak­tisch ein­heit­lich von allen rele­van­ten Insti­tu­tio­nen die­ser Welt akzep­tiert und ver­tre­ten werden? 

Wahr oder scheinlich?

Die­se Wahr­schein­lich­kei­ten fun­diert zu quan­ti­fi­zie­ren, über­steigt sowohl mei­ne Fähig­kei­ten also auch das Zeit­kon­tin­gent, das ich zur Abfas­sung die­ses Bei­trags vor­ge­se­hen habe. Ich den­ke aber, das ist auch gar nicht nötig. Die meis­ten halb­wegs auf­ge­schlos­se­nen Men­schen wer­den mir sicher in dar­in bei­pflich­ten, dass auf Basis gesun­den Men­schen­ver­stands wesent­lich mehr für die Echt­heit der Pan­de­mie spricht als für ein kon­spi­ra­tiv fin­gier­tes Schre­ckens­sze­na­rio, das in Wahr­heit der feind­li­chen Über­nah­me aller frei­en Gesell­schaf­ten unse­rer Welt dient. Was alles zusam­men­kom­men müss­te, um letz­te­res über­haupt erst mög­lich zu machen, habe ich oben ver­sucht, über­blicks­hal­ber darzulegen.

Bleibt also die Fra­ge, war­um selbst sol­che Per­so­nen, denen ich unum­wun­den ein hohes Maß an Intel­li­genz, Bil­dung und Auf­ge­schlos­sen­heit attes­tie­ren wür­de, der­zeit gera­de­zu ver­zwei­felt an der Wahn­vor­stel­lung fest­hal­ten, dass (außer ihnen selbst und ein paar wacke­ren Mit­strei­tern) der über­wäl­ti­gen­de Teil der Mensch­heit hoff­nungs­los an eine Pan­de­mie glaubt, die real gar nicht exis­tiert, min­des­tens aber viel harm­lo­ser sei als befürchtet. 

Gute Fra­ge. Mein ers­ter Denk­an­satz rich­tet sich auf die Anfangs­ta­ge der Pan­de­mie zu Beginn des Jah­res 2020. Da war ich selbst durch­aus eine gan­ze Wei­le lang gera­de­zu ver­zwei­felt auf der Suche nach glaub­wür­di­gen Indi­zi­en dafür, dass alles längst nicht so dra­ma­tisch ist, wie es schon damals von den nam­haf­ten Fach­leu­ten vor­her­ge­sagt wur­de. Es hat also auch bei mir selbst eine Wei­le gedau­ert, bis ich bereit war zu akzep­tie­ren, was ja nun auch wirk­lich schwer zu akzep­tie­ren ist: wir haben’s jetzt gera­de mal so rich­tig gründ­lich ver­zockt. Da hilft kein Wunsch­den­ken und kein Kopf-in-den-Sand-Ste­cken. Die welt­wei­te Pan­de­mie, vor der seit vie­len Jah­ren immer wie­der gewarnt wur­de, ist real gewor­den und kei­ner kann sich vor ihren Gefah­ren und Fol­gen drü­cken oder so tun, als hät­te er mit ihren Ursa­chen nichts zu tun. Wir sit­zen alle irgend­wo im sel­ben Boot (gleich­wohl man­che in der ers­ten, man­che in der zwei­ten und sehr vie­le in der drit­ten Klasse). 

Wahr ist halt auch, dass kaum ein Ange­hö­ri­ger der west­li­chen Welt aus mei­ner Gene­ra­ti­on über­haupt über eige­ne Lebens­er­fah­rung mit der­ar­tig umfas­sen­den Aus­nah­me­si­tua­tio­nen ver­fügt. OK, wir hat­ten den kal­ten Krieg mit sei­ner schwe­len­den Gefahr eines ther­mo­nu­klea­ren Schlag­ab­tauschs zwi­schen den Super­mäch­ten. Aber mal ehr­lich: so wirk­lich unse­ren All­tag beein­träch­tigt hat das jetzt auch nicht gera­de. Für uns war unser Leben eigent­lich immer von den­sel­ben wesent­li­chen Fak­to­ren bestimmt: Schu­le, Berufs­aus­bil­dung, Kar­rie­re, Fami­lie, Freun­de und Frei­zeit. Nichts könn­te jemals ernst­haft an die­sen Grund­fes­ten unse­res Daseins rütteln. 

Und dann kam die Pandemie.

Know your enemy

 

Klar also, dass kei­ner von uns auch nur annä­hernd dar­auf vor­be­rei­tet war, was es wirk­lich bedeu­tet, mit die­ser Form mas­si­ven Kon­troll­ver­lusts ohne kla­re Per­spek­ti­ve dar­auf leben zu müs­sen, wie es in Zukunft wei­ter­ge­hen soll. Unser Leben, wie wir es bis dahin kann­ten, wur­de uns in fun­da­men­ta­len Berei­chen unse­res All­tags schlicht­weg genom­men. Restau­rants, Bars, Cafés, Rei­sen, Fei­ern, Tref­fen mit Freun­den und Fami­lie – all das war, wenn über­haupt, nur noch ein­ge­schränkt und längst nicht mehr so unbe­fan­gen mög­lich, wie wir es seit jeher gewohnt waren. Gan­ze Wirt­schafts­zwei­ge wur­den per Regie­rungs­be­schluss lahm­ge­legt und nicht weni­ge von uns hat­ten gute Grün­de, um ihre finan­zi­el­le Exis­tenz zu ban­gen. Und kei­ner konn­te uns sagen, wie lan­ge das wohl noch so wei­ter­ge­hen bzw. wie schlimm es am Ende noch kom­men wird. Das SARS-CoV-2-Virus war (und ist bis heu­te) eine in vie­ler­lei Hin­sicht unbe­kann­te Grö­ße, und die schwer ein­zu­schät­zen­de Bedro­hung einer mani­fes­ten COVID-19-Erkran­kung hing (und hängt auch wei­ter) wie ein Damo­kles­schwert über uns allen. 

Hin­zu kommt. dass man die jahr­zehn­te­lang für unse­re Gesell­schaft prä­gen­de Fokus­sie­rung auf das indi­vi­du­el­le Glück plötz­lich nicht mehr unein­ge­schränkt aus­le­ben konn­te. Urlaub, Frei­zeit, Kar­rie­re – alles ist plötz­lich in mehr oder min­der aus­ge­präg­ter Form der indi­vi­du­el­len Gestal­tungs­frei­heit beraubt. Und mehr noch: jetzt ist auch noch Soli­da­ri­tät mit ande­ren in unse­rer Gesell­schaft gefragt. Muss ich jetzt etwa auf unein­ge­schränk­te Frei­zeit­ge­stal­tung und Kar­rie­re­ent­wick­lung ver­zich­ten, damit ein paar Acht­zig­jäh­ri­ge noch älter wer­den, oder was?

Kein Wun­der, dass so man­cher von die­ser Situa­ti­on maß­los über­for­dert war. Mir selbst ging es ja – wie bereits oben aus­ge­führt – erst ein­mal auch nicht anders. Aller­dings ist es mir im Lau­fe der ers­ten Pan­de­mie­mo­na­te gelun­gen, das inne­re Blatt zu wen­den. Statt sich mit Hän­den und Füßen gegen die Rea­li­tät der Pan­de­mie zu stem­men, habe ich an einem bestimm­ten Punkt beschlos­sen, sie bis auf wei­te­res als Teil unse­res Lebens zu akzep­tie­ren und mich gewis­ser­ma­ßen mit ihr anzu­freun­den. Bes­ser, sich wert­frei mit den Fak­ten der Pan­de­mie aus­ein­an­der­zu­set­zen, als wie ein Beses­se­ner nach Anhalts­punk­ten dafür zu suchen, dass sie in Wahr­heit ja gar nicht schlimm ist oder – noch bes­ser – gar nicht erst wirk­lich exis­tiert. Frei nach dem Mot­to: „Know your ene­my”. Und ich den­ke, die meis­ten mei­ner Mit­men­schen haben etwa zur sel­ben Zeit einen ähn­li­chen Sin­nes­wan­del durch­ge­macht. Man­che sicher auch schon deut­lich frü­her, eini­ge aber eher später.

Ein paar weni­ge schei­nen indes­sen bis heu­te immer noch in der Ableh­nungs­schlei­fe der Anfangs­zeit fest­zu­hän­gen. Für sie scheint auch wei­ter­hin nicht sein zu kön­nen, was nicht sein darf. So etwas bricht nicht ein­fach so aus hei­te­rem Him­mel und dann auch noch mit die­ser Vehe­menz über uns her­ein. Da geht ein­deu­tig was nicht mit rech­ten Din­gen zu. Da muss doch mehr dahin­ter­ste­cken als nur das vor­her­seh­ba­re Pech einer all­zu glo­ba­li­sie­ren Welt. Und außer­dem braucht man ja irgend­ei­ne Recht­fer­ti­gung dafür, dass man inner­lich ein­fach nicht bereit ist, sei­ne indi­vi­dua­lis­ti­schen Bestre­bun­gen zuguns­ten einer gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Soli­da­ri­tät ein­zu­schrän­ken. „Ich kann machen, was ich will – wer was ande­res von mir ver­langt, kann ein­fach nicht recht haben.”

Und schon sind sie gebo­ren, die Ver­schwö­rungs­theo­rien, die Dele­gi­ti­mie­rung der Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men, die The­se von der Igno­ranz der Regie­ren­den und ihrer Bera­ter sowie die Mär vom gro­ßen Mas­ter­plan zur Unter­wer­fung der frei­en Welt, der jetzt unter dem Deck­man­tel einer her­auf­be­schwo­re­nen Pan­de­mie ver­wirk­licht wer­den soll.

Und jetzt?

Ob ich hier alle dif­fa­mie­ren will, die eine kri­ti­sche Hal­tung gegen­über den Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men oder den ihnen zugrun­de geleg­ten Erkennt­nis­sen über die Pan­de­mie haben? Kei­nes­wegs! Wir alle sind gut bera­ten, mit kri­ti­schem Blick durchs Leben zu gehen und immer wie­der zu hin­ter­fra­gen, ob die Mäch­ti­gen die­ser Welt ihre Ent­schei­dun­gen mit dem nöti­gen Sach­ver­stand und in gewis­sen­haf­ter Aus­übung ihrer Ver­ant­wor­tung für das Wohl­erge­hen Aller tref­fen. Das cha­rak­te­ri­siert einen mün­di­gen Men­schen und jeder von uns soll­te sich daher durch­aus abver­lan­gen, nicht ein­fach alles leicht­fer­tig für bare Mün­ze zu neh­men, was man uns vor­setzt. So weit, so gut. 

Klar ist auch, dass bei­lei­be nicht alles, was die Regie­run­gen die­ser Welt im Zusam­men­hang mit der Pan­de­mie beschlos­sen oder unter­las­sen haben, sich im Nach­hin­ein als klug erwie­sen hat. Man den­ke nur an das viel zu spä­te Ein­len­ken der natio­na­len und inter­na­tio­na­len Gesund­heits­be­hör­den hin­sicht­lich des Tra­gens eines Mund-/Na­sen­schut­zes zur Infek­ti­ons­prä­ven­ti­on. Da haben sich weder die WHO noch das Robert-Koch-Insti­tut son­der­lich mit Ruhm bekle­ckert. Und auch die zöger­li­che und eher kurz­sich­ti­ge Impf­stoff-Beschaf­fungs­po­li­tik der EU erweist sich jetzt zuneh­mend als gran­dio­se Fehlentscheidung. 

Klar ist aber auch: als bis­her mit Abstand gran­dio­ses­te Fehl­ent­schei­dung in der Pan­de­mie hat sich schon jetzt die selbst­herr­li­che Igno­ranz der Trumps, Bol­so­n­a­ros, John­sons und Lukaschen­kos die­ser Welt erwie­sen, die viel zu lan­ge geglaubt haben, die Pan­de­mie ein­fach solan­ge klein­re­den zu kön­nen, bis sie sich von allei­ne in Wohl­ge­fal­len auf­löst. Die tra­gi­sche Zeche dafür haben zum Zeit­punkt der Abfas­sung die­ses Blog­posts bis­lang laut Worl­do­me­ter weit über eine hal­be Mil­li­on US-Ame­ri­ka­ner, mehr als eine Vier­tel­mil­li­on Bra­si­lia­ner, über hun­dert­tau­send Bri­ten und eine unbe­kann­te Anzahl Weiß­rus­sen (da ich den offi­zi­el­len Ver­laut­ba­run­gen eines dik­ta­to­ri­schen Regimes kate­go­risch miss­traue) mit ihrem Leben bezah­len müs­sen. Auch den bra­si­lia­ni­schen Todes­zah­len traue ich nur bedingt, da aller Wahr­schein­lich­keit nach im Elend der Fave­las eine gro­ße Zahl an Men­schen zu COVID-19-Toten gewor­den ist, die über­haupt nicht auf dem Radar der Behör­den erscheinen.

Ich will damit nicht sagen, dass in die­sen Län­dern bei einer früh­zei­tig ein­ge­läu­te­ten Infek­ti­ons­schutz­po­li­tik nie­mand gestor­ben wäre. Aber wenn man die Zah­len der COVID-19-Toten pro 100.000 Ein­woh­ner aus die­sen Län­dern etwa mit den­je­ni­gen aus Deutsch­land ver­gleicht, stellt man fest, dass sie teils mehr als dop­pelt so hoch sind. Ohne hier vor­ei­li­ge Schlüs­se zie­hen zu wol­len, ist das aber alle­mal ein deut­li­ches Indiz für den Effekt der anfäng­li­chen Versäumnisse. 

Daher lau­tet mein Schluss­credo für die­ses Mal:

Lie­be Coro­na-Ver­harm­lo­ser, bit­te fragt Euch doch ein­fach mal, ob Ihr in ande­ren wesent­li­chen Belan­gen Eures Lebens Eure Welt­sicht und die dar­aus resul­tie­ren­den Ent­schei­dun­gen auf ähn­li­che Wei­se an der­art unwahr­schein­li­chen Erklä­run­gen fest­macht, wie im Fal­le der Pan­de­mie. Glaubt Ihr wirk­lich, dass schwar­ze Kat­zen Unglück brin­gen, dass die Mond­lan­dun­gen der USA ein Hoax waren und dass Ein­steins all­ge­mei­ne Rela­ti­vi­täts­theo­rie Bull­shit ist? Glaubt Ihr, dass unser Schick­sal von den Tages­lau­nen irgend­wel­cher Göt­ter auf dem Olymp abhängt oder dass die Erde eine Schei­be ist? 

Mann kann alle wesent­li­chen Erkennt­nis­se, wel­che die Wis­sen­schaft auf Basis einer über Jahr­hun­der­te hin­weg gereif­ten, außer­or­dent­lich fun­dier­ten Metho­dik her­vor­ge­bracht hat, in Zwei­fel zie­hen, denn bis auf die rei­ne Mathe­ma­tik ist alle Wis­sen­schaft letzt­lich „nur” empi­risch und damit von Wahr­schein­lich­kei­ten bestimmt. Aller­dings ver­fügt die Wis­sen­schaft über extrem ver­läss­li­che Mecha­nis­men, mit deren Hil­fe der Zuver­läs­sig­keits­grad empi­risch ermit­tel­ter Erkennt­nis­se sehr genau quan­ti­fi­ziert wer­den kann. Und solan­ge die­se Mecha­nis­men gewis­sen­haft zur Anwen­dung gelan­gen, sind die auf ihnen basie­ren­den Ergeb­nis­se zuver­läs­si­ger als jede ande­re mir bekann­te Form des Erkenntnisgewinns. 

Daher, lie­be Coro­na-Ver­harm­lo­ser: trotz aller berech­tig­ter For­de­rung nach kri­ti­schem Hin­ter­fra­gen unse­res Welt­ge­sche­hens – habt auch ein wenig Ver­trau­en in die Objek­ti­vi­tät der Wis­sen­schaft. Sie ist alles ande­re als per­fekt und schwar­ze Scha­fe tum­meln sich dort auch nicht gera­de weni­ge. Aber sie ist immer noch bes­ser als irgend­wel­che Influen­cer in den sozia­len Netz­wer­ken oder die vie­len selbst­er­nann­ten Exper­ten, die wie die Pil­ze aus dem Boden schie­ßen, wenn der Fokus der media­len Auf­merk­sam­keit sich mal wie­der auf ein für uns alle bedeut­sa­mes, emo­tio­nal auf­ge­la­de­nes The­ma rich­tet. Und lei­der gilt halt auch in Sachen Pan­de­mie­wahr­heit wei­ter­hin das Bull­shit-Asym­me­trie-Prin­zip des ita­lie­ni­schen Infor­ma­ti­kers Alfre­do Brandolini: 

“The amount of ener­gy nee­ded to refu­te bull­shit is an order of magni­tu­de big­ger than to pro­du­ce it.”
(„Das Wider­le­gen von Schwach­sinn erfor­dert eine Zeh­ner­po­tenz mehr Ener­gie als des­sen Produktion.“)

Fake-News hal­ten sich also hart­nä­ckig. Das gilt lei­der auch für die Pan­de­mie. Lasst Euch davon nicht beir­ren. Eure Gesund­heit und die Gesund­heit aller Men­schen, die Euch lieb und teu­er sind, ist in aku­ter Gefahr, wenn Ihr der Rea­li­tät wei­ter­hin nicht ins Auge seht!

Bleibt mir alle gesund! 

Alles Lie­be

Dani­el

5 Kommentare

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  • Lie­ber Dani­el, du hast da ein The­ma auf­ge­grif­fen, wel­ches sicher­lich sehr vie­le beschäf­tigt. Ich zumin­dest kann sehr vie­le dei­ner ange­spro­che­nen Punk­te voll und ganz nach­emp­fin­den. Wäh­rend der Weih­nachts­zeit bei einem Gespräch mit einem sehr sym­pa­thi­schen Bäcker über sei­ne tier­leid­frei­en Stol­len heißt es plötz­lich, man müs­se ja, wenn man noch Geld auf der Bank habe asap alles weg­schaf­fen oder Gold kau­fen, da die Regie­rung uns bald alles weg­neh­men wür­de. Und am nächs­ten Tag bekommt man dann plötz­lich Links zu irgend­wel­chen Tele­gram­grup­pen wo es aus­schließ­lich um Ver­schwö­run­gen geht.
    Ein Bekann­ter unse­rer Fami­lie, den wir immer sehr schätz­ten, pos­tet plötz­lich auf Insta­gram Bil­der von Juden die im 2. Welt­krieg von der Gesta­po abge­führt wur­den und zum Ver­gleich Men­schen die gera­de von der Poli­zei, auf­grund der Mas­ken­flicht, ange­hal­ten wer­den. Nach mei­nem Ver­such ihn wirk­lich nett dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die­ser Ver­gleich abso­lut untrag­bar sei, blo­ckiert er mei­ne gan­ze Familie.
    Ich fin­de es wun­der­bar, dass du auch expli­zit sagst, dass es nicht in dei­nem Sin­ne sei die­je­ni­gen zu dif­fa­mie­ren, die eine kri­ti­sche Hal­tung zu den Maß­nah­men haben und dass man einen kri­ti­schen Blick behal­ten sol­le und es wich­tig sei zu hin­ter­fra­gen. In der Ver­gan­gen­heit hat­te ich näm­lich den Ein­druck, dass du Men­schen die Din­ge hin­ter­fra­gen, wel­che du selbst nicht zu hin­ter­fra­gen wagst, als Gefahr betrach­test. Nun bin ich jemand der sich immer bei­de Sei­ten anhö­ren möch­te und nie­mals denkt, dass nur weil eine Mehr­heit etwas behaup­tet oder an etwas fest­hält, das auch heißt, dass die­se Mehr­heit rich­tig han­delt. Trotz­dem geht es mir beim The­ma Coro­na ganz genau­so wie dir. Immer wie­der ver­su­che ich die Theo­rien nach­zu­voll­zie­hen und fra­ge die „Anders­den­ken­den“ was denn dann das Ziel des gan­zen wäre. Und bis heu­te habe ich kei­ne ein­zi­ge plau­si­ble Ant­wort erhalten.
    Nur dei­ne Fra­ge, war­um intel­li­gen­te gebil­de­te Men­schen die Pan­de­mie leug­nen, kann ich nicht ganz nach­voll­zie­hen. Ist es denn nicht offen­sicht­lich? Die meis­ten Men­schen wol­len sich nicht selbst hin­ter­fra­gen, sind nicht bereit sich zu ver­än­dern vor Angst ihre Kom­fort­zo­ne ver­las­sen zu müs­sen. Da ist es doch viel ein­fa­cher zu sagen, das gäbe es alles nicht, sei nicht so schlimm oder wur­de von ver­steck­ten Mäch­ten erfun­den. Fast noch schlim­mer fin­de ich per­sön­lich, dass die Mehr­heit der Men­schen die sehr wohl Respekt vor der Pan­de­mie haben und sich auch an die Regeln hal­ten, auch wie­der nur ande­ren die Schuld zuwei­sen. Zum Bei­spiel die belieb­te Aus­sa­ge die Chi­ne­sen sei­en an allem schuld, weil sie Fle­der­mäu­se essen. Ohne sich mal zu fra­gen, war­um die Fle­der­mäu­se und Schup­pen­tie­re sich uns über­haupt annä­hern. Wenn wir für die Tier­zucht die Wäl­der nicht roden wür­den und ihnen ihr Zuhau­se nicht weg­neh­men wür­den, dann wür­den sie sich uns auch nicht annä­hern. In Däne­mark wur­den 17.000.000 Ner­ze ver­gaßt, weil sie mit dem Coro­na­vi­rus infi­ziert waren und die­ser sich schon auf Men­schen über­tra­gen hat­te. Statt sich zu fra­gen war­um man für ein völ­lig unnö­ti­ges Sta­tus­sym­bol über­haupt noch füh­len­de Lebe­we­sen züch­tet, ver­gast man sie lie­ber alle und macht dann fröh­lich wei­ter, genau­so wie Tön­nies und CO immer wei­ter fröh­lich Mensch und Tier aus­beu­ten und dem Virus aus­setz­ten. Ich wür­de mir sehr wün­schen, dass man nicht nur auf sei­ne Imp­fung war­ten wür­de son­dern auch dar­über nach­denkt, was man denn tun kann um wei­te­re Pan­de­mien zu verhindern.
    Und du schreibst ja auch, dass nie­mand so tun kön­ne, als hät­te er mit den Ursa­chen nichts zu tun und dass seit vie­len Jah­ren schon vor der Pan­de­mie gewarnt wur­de. Ganz genau! Schon vor eini­gen Jah­ren hat auch unser Rabi­ner Sous­san schon dar­auf hingewiesen:
    „Man neh­me das Bei­spiel BSE. Wäh­rend wir nur Säu­ge­tie­re essen dür­fen, die sich wie­der­um vege­ta­risch ernäh­ren, hat die gewinn­ori­en­tier­te Indus­trie Rin­dern u.a. Kno­chen­mehl der eige­nen Art vor­ge­setzt und sie damit zu „Kan­ni­ba­len“ gemacht. Das sich dar­aus der soge­nann­te Rin­der­wahn­sinn, der sich auch auf Men­schen als Krank­heit über­tra­gen hat, ent­wi­ckel­te, wäre, wenn nicht so tra­gisch, bei­na­he poe­tisch, denn der Rin­der­wahn­sinn wäre eine Ant­wort der Natur auf den Wahn­sinn der Men­schen.“ (Jüdi­sche Gemein­de­zei­tung Frank­furt Dezem­ber 2018, S. 38).
    Mit Recht siehst du das Leug­nen der Pan­de­mie auch als „Recht­fer­ti­gung dafür, dass man inner­lich ein­fach nicht bereit ist, sei­ne indi­vi­dua­lis­ti­schen Bestre­bun­gen zuguns­ten einer gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Soli­da­ri­tät ein­zu­schrän­ken“. Auch das ist ein Kern­pro­blem der Mensch­heit. Die meis­ten Men­schen sind ego­is­tisch und nicht bereit für Ver­än­de­run­gen bei denen sie mei­nen, sie wür­den dabei zu kurz kom­men oder gar etwas ver­lie­ren. Sie ver­ste­hen nicht, dass genau das Gegen­teil der Fall ist. Wenn man etwas für sei­ne Mit­le­be­we­sen und den Pla­ne­ten tut, Soli­da­ri­tät zeigt und Rück­sicht nimmt, dann geht es einem auto­ma­tisch selbst auch viel bes­ser und man kann auch mit den Ein­schrän­kun­gen in die­sen Zei­ten viel bes­ser umge­hen und jeden ein­zel­nen Tag dank­bar sein für das was man hat. Und heu­te bin ich unter ande­rem Dir dank­bar für die­sen Artikel 🙂

    • Lie­be Sigal,

      herz­li­chen Dank für Dei­nen eben­so aus­führ­li­chen wie nach­denk­li­chen Kom­men­tar. Zwar habe ich schon eini­ges an Feed­back zu die­sem Blog­bei­trag erhal­ten, bis­her aber aus­schließ­lich per E‑Mail, Whats­App oder münd­lich. Inso­fern freue ich mich umso mehr, dass Du bereit bist, Dei­ne Gedan­ken zu mei­nen Aus­füh­run­gen auch ande­ren zugäng­lich zu machen.

      Das, was Du von Dei­nen per­sön­li­chen Erfah­run­gen mit Ver­schwö­rungs­theo­rien zur Pan­de­mie berich­test, ist für mich ein wei­te­rer Beleg dafür, dass die Pan­de­mie in vie­rer­lei Hin­sicht zur Ent­lar­vung so man­cher Miss­stän­de bei­trägt, die viel zu lan­ge vom ober­fläch­li­chen Glanz unse­rer Wohl­stands­ge­sell­schaft über­deckt wor­den sind – allen vor­an ein erschre­cken­des Maß an Ego­zen­tris­mus, als der sich der viel­ge­prie­se­ne Indi­vi­dua­lis­mus zuneh­mend ent­puppt. Dass Men­schen sich auf einer Stu­fe mit Opfern der Nazi­dik­ta­tur wahr­neh­men, wenn man ihnen abver­langt, aus Sor­ge um die Gesund­heit ihrer Mit­men­schen einen Mund-/Na­sen­schutz zu tra­gen, zeigt auf bestür­zen­de Wei­se, wie dra­ma­tisch es um Gemein­sinn und Soli­da­ri­tät in unse­rer Gesell­schaft bestellt ist. Gera­de Nazi­ver­glei­che ver­bie­ten sich eigent­lich grund­sätz­lich und in jed­we­dem Zusam­men­hang, denn sie tra­gen unwei­ger­lich zur Rela­ti­vie­rung des größ­ten Ver­bre­chens bei, das jemals began­gen wor­den ist. Inso­fern sind wir uns abso­lut einig.

      Auch die Ver­schwö­rungs­theo­rien deu­ten für mich klar auf eine man­geln­de Bereit­schaft hin, Ver­ant­wor­tung für die Miss­stän­de unse­rer Gesell­schaft zu über­neh­men. Bevor man sich fragt, was man selbst und das eige­ne Ver­hal­ten mög­li­cher­wei­se mit Ereig­nis­sen wie der Pan­de­mie zu tun haben könn­te, schiebt man sie lie­ber dubio­sen, nicht näher bezeich­ne­ten Krei­sen zu, die das alles nur insze­niert haben sol­len, um die Welt­herr­schaft an sich zu rei­ßen. Dabei weiß ich noch nicht ein­mal, was mich mehr ent­set­zen soll: die Vor­stel­lung, dass die­se Leu­te wirk­lich glau­ben, was sie da sagen oder aber die Vor­stel­lung, dass sie die­se Din­ge ver­brei­ten, obwohl sie es aus­drück­lich nicht glauben. 

      Dass ich Men­schen als Gefahr betrach­te oder betrach­tet habe, weil Sie Sach­ver­hal­te hin­ter­fra­gen, die ich mich bis­her nicht selbst zu hin­ter­fra­gen getraut habe, hät­te ich mir eher nicht attes­tiert. Aber man nimmt sich ja selbst nie wirk­lich so wahr, wie ande­re einen wahr­neh­men. Wir alle nei­gen ver­mut­lich in mehr oder weni­ger aus­ge­präg­ter Form dazu, Hal­tun­gen und Lebens­wei­sen unse­rer Mit­men­schen, die von unse­ren eige­nen abwei­chen, nicht so sehr als gleich­wer­ti­ge Alter­na­ti­ve, son­dern statt­des­sen als bedroh­li­che Infra­ge­stel­lung des von uns gewähl­ten und als ein­zig wahr emp­fun­de­nen Weges zu wer­ten. All­zu schnell emp­fin­det man dann die Lebens­wei­se ande­rer plötz­lich als kate­go­risch falsch und fängt an, sie teils unter­schwel­lig, teils aber auch laut­stark und sogar öffent­lich anzu­pran­gern. Wer von uns ist schon gänz­lich frei davon?

      Wich­tig scheint mir daher, dass man stets bestrebt bleibt, sich das nöti­ge Maß an Reflek­tiert­heit zu bewah­ren und sei­ne eige­ne Posi­ti­on immer wie­der neu auf den Prüf­stand zu stel­len. Gera­de sol­che Dia­lo­ge, wie wir bei­de ihn hier füh­ren, tra­gen mei­nes Erach­tens beson­ders effek­tiv dazu bei, genau das zu leis­ten. Daher noch­mals vie­len Dank dafür, lie­be Sigal!

      Dei­ne hef­ti­ge Kri­tik an der Keu­lung der 17 Mil­lio­nen Ner­ze in Däne­mark tei­le ich unein­ge­schränkt. Auch hier­in offen­bart sich für mich ein­mal mehr die häss­li­che Frat­ze unse­rer all­zu ver­wöhn­ten Wohl­stands­ge­sell­schaft. Abge­se­hen von der Fra­ge, ob die Auf­zucht, Hal­tung und Tötung von Ner­zen für die Pro­duk­ti­on edler Pel­ze über­haupt zu recht­fer­ti­gen ist, wäre es in jedem Fall ein Gebot der Ach­tung vor der Wür­de die­ser Tie­re gewe­sen, ihre Hygie­ne­be­din­gun­gen so ver­ant­wor­tungs­voll zu gestal­ten, dass sie genau­so wie Men­schen vor der Anste­ckungs­ge­fahr mit SARS-CoV-2-Viren geschützt wer­den. Dass man dabei offen­bar kläg­lich ver­sagt hat, ist schon schlimm genug. Dann aber als Kon­se­quenz dar­aus aus­ge­rech­net gera­de jene die Tie­re abzu­schlach­ten, für die man sei­ner Ver­ant­wor­tung nicht gerecht gewor­den ist – das ist nichts als blan­ker Zynis­mus. Man muss wirk­lich kein lei­den­schaft­li­cher Tier­schüt­zer sein, um hier­in eine him­mel­schrei­en­de Unge­rech­tig­keit zu sehen. Eine Schande!

      Und ja: es wäre mehr als wün­schens­wert, wenn wir alle die Pan­de­mie zum Anlass neh­men wür­den, ein wenig über Sinn und Unsinn unse­rer bis­he­ri­gen Lebens­wei­se nach­zu­den­ken. Muss man wirk­lich fünf­mal im Jahr durch die Welt­ge­schich­te jet­ten? Muss man für ein bana­les Mee­ting wirk­lich 200km aus allen Him­mels­rich­tun­gen anfah­ren? Muss man wirk­lich jeden Tag aus dem Umland in die Groß­städ­te zur Arbeit und zurück pen­deln? All die Argu­men­te, die man bis­her als Recht­fer­ti­gung für die­se Ver­hal­tens­wei­sen ange­führt hat, sind von der Pan­de­mie ganz prak­tisch in Fra­ge gestellt wor­den. Plötz­lich ent­puppt sich die nähe­re Umge­bung unse­res Wohn­orts als durch­aus attrak­ti­ves Urlaubs­ziel, plötz­lich kön­nen wir Video­kon­fe­ren­zen wun­der­bar als brauch­ba­ren Ersatz für Prä­senz­mee­tings abhal­ten und plötz­lich stellt sich her­aus, dass ein paar Tage Home­of­fice pro Woche durch­aus ihren Charme haben. Ähn­li­ches gilt für die zwang­haf­te Frei­zeit­ge­stal­tung: der gemüt­li­che Abend zuhau­se (der im Moment lei­der ziem­lich alter­na­tiv­los ist) kann durch­aus auch ohne Lock­down eine net­te Alter­na­ti­ve zum stän­di­gen Aus­geh­zwang sein.

      Inso­fern hat ja alles immer auch sein Gutes. Du und ich waren und sind ja nicht immer in allem einer Mei­nung. Aber die Pan­de­mie scheint uns ein­an­der näher gebracht zu haben. Wenn das nicht ein Zei­chen er Hoff­nung ist…

      Sei gesund + alles Liebe

      Dani­el

    • Hal­lo Daniel!

      Wir ken­nen uns zwar nicht, aber ich wür­de trotz­dem ger­ne auf dei­nen Blog­ar­ti­kel ein­ge­hen. In die­sem sprichst du eini­ge Din­ge an, denen ich sicher­lich unein­ge­schränkt zustim­men wür­de, wie­der ande­ren wür­de ich wider­spre­chen und an man­chen Stel­len schei­nen aus mei­ner Sicht Logik­feh­ler vor­zu­lie­gen oder viel­leicht auch ein­fach The­men­fel­der aus­ge­klam­mert / nicht berück­sich­tigt wor­den zu sein, die mir als wich­tig oder nahe­lie­gend erschei­nen. Wenn du magst lass uns doch dar­über ein wenig austauschen.
      Zutref­fend beob­ach­tet ist es natür­lich, dass es einen Teil der Gesell­schaft gibt, der dem Virus oder der Pan­de­mie nicht die Wich­tig­keit bei­misst, die die­se® erfor­dert. Teil­wei­se wird das sicher­lich einem Man­gel an Infor­ma­ti­on, einem Über­maß an Fehl­in­for­ma­ti­on, einer nicht aus­rei­chen­den Hin­ter­fra­gung der als „sicher“ ein­ge­stuf­ten Quel­len oder eben an kogni­ti­ven Ver­zer­run­gen lie­gen. Daher fin­de ich es wich­tig, dass du zu den jewei­li­gen Aus­sa­gen im Fak­ten­check auch die ent­spre­chen­den Quel­len zum Nach­le­sen ver­linkst. Even­tu­ell wäre gera­de beim The­ma „Stu­di­en“ noch hilf­reich gewe­sen, den geneig­ten Zuhörer*innen zu ver­mit­teln, wie die­se zu inter­pre­tie­ren sei­en bzw. war­um die­se, die ja nun mög­li­cher­wei­se das genaue Gegen­teil von dem „behaup­ten“, was „ich weiß“ wis­sen­schaft­lich fun­dier­ter sind, bzw. war­um ich denen ver­trau­en kön­nen sollte.
      Zwei­fel­los führst du im Lau­fe des Blog­ar­ti­kels eini­ge sehr gute und zutref­fen­de Argu­men­te an, die sich wohl nur äußerst schwer ent­kräf­ten las­sen, wenn man auf der „Gegen­sei­te“ stün­de. Als Bei­spiel, was mir beson­ders posi­tiv im Gedächt­nis geblie­ben ist, ist eben die Fra­ge, inwie­weit es denn eine sin­ni­ge Sache der Regie­run­gen wäre, die eige­ne Wirt­schaft zu sabo­tie­ren, wenn es das Virus ent­we­der nicht gibt oder die­ses gar nicht gefähr­lich ist oder oder. Ich glau­be da gerie­te man dann doch in Erklä­rungs­not und so sehr ich mich bemü­he fal­len mir da außer selt­sa­men, beson­ders abstru­sen Theo­rien, bei denen man um 10 Ecken den­ken muss, damit das irgend­wie noch halb­wegs pas­sen kann, lei­der kei­ne guten Gegen­ar­gu­men­te ein.
      Und auch wenn ich nun dei­ne Argu­men­ta­ti­on bereits gelobt habe, so möch­te ich an die­ser Stel­le ger­ne das „WIE“ kri­ti­sie­ren. Wobei das nur Kri­tik wäre, wenn es dei­ne Inten­ti­on mit dem Blog­post gewe­sen wäre, die Men­schen zu errei­chen, die eine ande­re Posi­ti­on ver­tre­ten. An man­chen Stel­len ist mir die Wort­wahl auf­ge­fal­len, die dazu führt, dass „ich mich“ wenn ich auf der ande­ren Sei­te stün­de, nicht mit der von dir genann­ten Grup­pe der „Coro­na-Klein­red­ner“ iden­ti­fi­zie­ren wür­de. Ein Man­gel an Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der beschrie­be­nen Grup­pe führt häu­fig bei Leser*Innen dazu, dass die­se die nun fol­gen­de Argu­men­ta­ti­on ableh­nen, nicht, weil die­se nicht logisch oder zutref­fend wäre, son­dern weil sie sich nicht abge­holt füh­len oder unter­be­wusst die jewei­li­ge Bezeich­nung ableh­nen. In der Gesprächs­füh­rung ist es daher beson­ders wich­tig, dass man die unter­schied­li­chen Par­tei­en zu einem Punkt bewegt, an dem die­se ein­an­der wirk­lich wahr­neh­men. Gut, nun ist ein Blog­ar­ti­kel auch sicher­lich immer eine Mög­lich­keit die eige­ne Mei­nung öffent­lich dar­zu­stel­len, wenn es nicht gar der Exis­tenz­zweck eines Blogs ist, aber wie gesagt, soll­test du beab­sich­tigt haben, bestimm­te Gesell­schafts­grup­pen damit anzu­spre­chen und zu errei­chen, habe ich dir viel­leicht einen Anstoß mit­ge­ben kön­nen, war­um das mög­li­cher­wei­se fehl­schla­gen wür­de / fehlschlägt.
      Ich will jetzt gar nicht sämt­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on oder jeden Para­gra­phen ein­zeln aus­ein­an­der­neh­men oder kom­men­tie­ren, daher ver­zeih mir, wenn ich ein­fach zu den Din­gen sprin­ge, die mei­ner Ansicht nach aus­ge­las­sen wur­den oder nicht so stark her­vor­ge­ho­ben wur­den, wie du das viel­leicht hät­test tun können.
      Im Abschnitt KNOW YOUR ENEMY sprichst du davon, dass Kon­troll­ver­lust durch die Pan­de­mie und der Man­gel einer kla­ren Zukunfts­per­spek­ti­ve als Fol­ge dar­aus eine Art Schock erzeugt hat. Außer­dem stellst du die Fra­ge, ob das Indi­vi­du­um nun auf die unein­ge­schränk­te Frei­heit in The­men­fel­dern wie Frei­zeit­ge­stal­tung oder Kar­rie­re­ent­wick­lung ver­zich­ten muss. Und ich den­ke die Ant­wort dar­auf ist wohl ein deut­li­ches Ja, WENN wir aus der Pan­de­mie nichts lernen.
      Nun, was könn­ten wir dar­aus ler­nen? Ich den­ke das ein­fachs­te und offen­sicht­lichs­te ist, dar­über nach­zu­den­ken, wie und war­um die Situa­ti­on ent­stan­den ist, in der wir uns befin­den, um die­se zukünf­tig zu ver­hin­dern. Eigent­lich pas­send zum The­ma „Know your ene­my“ – nun, der Virus ist – ähn­lich wie eine Men­ge ande­rer Viren vor ihm – eine Zoo­no­se, also etwas, was sich zunächst in einer ande­ren Spe­zi­es ent­wi­ckelt und dann durch glück­li­che Muta­ti­on und denk­bar beschis­se­ne Lebens­um­stän­de der Tie­re, den Weg / Sprung zu uns Men­schen geschafft hat.
      Wenn wir jetzt also sagen wür­den: „Hey, Pan­de­mie ist irgend­wie ziem­lich schei­ße.“, dann wäre was unser Ansatz, um die­se zukünf­tig zu verhindern?
      Wie wür­dest du das lösen? Mein per­sön­li­cher Ansatz wäre es, Zoo­no­sen im Keim zu ersti­cken. Sprich: ich wür­de die Bedin­gun­gen, die es zum Ent­ste­hen von Zoo­no­sen braucht schlicht­weg nir­gends zulassen.
      Da dein Text auf mich einen recht gebil­de­ten Ein­druck macht über­sprin­ge ich mal die Viren- und Bio­lo­gie­grund­kennt­nis­se (wenn irgend­was unsin­nig erscheint oder der Gedan­ken­sprung nicht nach­voll­zieh­bar ist, bit­te drauf hinweisen).
      Das Virus muss ja bekannt­lich mutie­ren, um auf den Men­schen über­trag­bar zu wer­den. Nun wie könn­ten wir Bedin­gun­gen her­stel­len, die opti­mal für ein Virus wären, dass mög­lichst vie­le Ite­ra­tio­nen durch­lau­fen muss, um irgend­wann auf ande­re Spe­zi­es über­trag­bar zu sein. Mir fällt da was ein: mög­lichst vie­le Wir­te wären schon­mal ein guter Ansatz. Wo fin­den wir die? Am bes­ten dort, wo vie­le Tie­re der glei­chen Art nah bei­ein­an­der leben, damit sie sich mög­lichst schnell und mög­lichst alle anste­cken. Das ermög­licht die maxi­ma­le Vari­anz in den Muta­tio­nen und erhöht damit dras­tisch die Wahr­schein­lich­keit, dass wir bei unse­rer Muta­ti­on „Glück“ haben, und sie nun auf eine ande­re Spe­zi­es über­trag­bar ist. Dann bräuch­ten wir natür­lich noch eine Art „Mit­tel“ oder „Boten­stoff“ über den wir den Kon­takt zur „Ziel­spe­zi­es“ her­stel­len. Wenn der geneig­te Leser nun mit­ge­dacht hat, wird er oder sie bereits wis­sen, wor­auf ich hin­aus will. Die ein­fachs­te Mög­lich­keit, um opti­ma­le Bedin­gun­gen für wei­te­re Pan­de­mien her­zu­stel­len, ist, mög­lichst vie­le Tie­re auf mög­lichst engem Raum zu hal­ten oder in grund­sätz­lich engem Kon­takt, die­se dann in engem Kon­takt zum Men­schen zu haben und Tei­le von ihnen ent­we­der direkt zu kon­su­mie­ren oder Ober­flä­chen, Gegen­stän­de o.ä. zu benut­zen, mit denen sie in Kon­takt gekom­men sind.
      Tjoa oder anders aus­ge­drückt: „indus­tri­el­le Tier­hal­tung“ oder: der GAU für wei­te­re Pan­de­mien. Wobei… das U steht ja für Unfall und die indus­tri­el­le Tier­hal­tung stellt nun bei­lei­be ja kei­nen Unfall dar son­dern eine von uns gewähl­te Form der Tier­hal­tung und ‑Nut­zung, die aber, wie wir es am „Übungs­bei­spiel“ Coro­na sehen, offen­bar weit­rei­chen­de und dra­ma­ti­sche Fol­gen haben kann.
      Was wäre denn hier eine ein­fa­che Lösung? … Kurz über­legt – viel­leicht ein­fach den gan­zen Mist abschaf­fen? Kei­ne indus­tri­el­le Tier­hal­tung – viel­leicht grund­sätz­lich kei­ne der­ar­ti­ge Form der unna­tür­li­chen Tier­hal­tung (?) und dann dürf­ten wir die Wahr­schein­lich­keit wohl deut­lich redu­zie­ren. Blö­de (& zuge­ge­be­ner­ma­ßen rhe­to­ri­sche) Fra­ge hin­ten­dran: Hat jemand ne Idee, wie wir die Chan­ce wei­te­rer Pan­de­mien qua­si auf 0 set­zen kön­nen? „Ich, ich!“ – „Wir könn­ten: auf­ge­passt, jetzt kommt der ver­rück­te Teil, wir könn­ten ja ein­fach kei­ne Tie­re mehr hal­ten und kon­su­mie­ren.“ Pro­blem – qua­si – gelöst.
      Nun ich per­sön­lich lebe – wie viel­leicht im Unter­ton mei­nem Bei­trag zu ent­neh­men ist – seit eini­ger Zeit vegan. Es ist für mich sowohl aus huma­nis­ti­schen als auch aus (tier-)ethischen, sowie gesund­heit­li­chen Grün­den und dem Umwelt­schutz zulie­be in mei­nem Inter­es­se, dass wir auf­hö­ren Tie­re zu kon­su­mie­ren. Ich bin aller­dings auch davon über­zeugt, dass es in unser alle Inter­es­se ist und damit mei­ne ich im Inter­es­se nahe­zu jeden Indi­vi­du­ums sowie der Gesell­schaft aller ins­ge­samt, uns vom Kon­sum von Tie­ren und ihren „Pro­duk­ten“ (sehr euphe­mis­tisch die­se Bezeich­nung) abzuwenden.
      In dei­nem Kom­men­tar auf Sig­als Bei­trag schreibst du, dass es „mehr als wün­schens­wert [wäre], wenn wir alle die Pan­de­mie zum Anlass neh­men wür­den, ein wenig über Sinn und Unsinn unse­rer bis­he­ri­gen Lebens­wei­se nach­zu­den­ken.“ Du sprichst im Fol­gen­den jedoch vor­wie­gend die Neben­ef­fek­te der Pan­de­mie (ein­ge­schränk­te Mobi­li­tät), nicht aber die Ursa­che / Her­kunft die­ser (Tier­hal­tung) an, zumin­dest nicht als Ele­ment, was es dei­ner Mei­nung nach zu hin­ter­fra­gen gibt. Da wür­de mich inter­es­sie­ren, inwie­weit du das zu hin­ter­fra­gen gedenkst oder mög­li­cher­wei­se bereits getan hast?
      Ich ver­mu­te ein­fach mal, dass du (noch) nicht vegan lebst. Ich per­sön­lich hal­te eine vega­ne Lebens­wei­se sowohl für ethi­scher als auch wie zuvor aus­ge­führt für einen Weg, auf dem wir zukünf­ti­ge Pan­de­mien mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit ver­hin­dern könn­ten. Blei­ben wir ein­fach mal bei der Annah­me, dass du nicht vegan lebst (ich habe übri­gens den Blog­post zum The­ma vegan auch gefun­den & gele­sen) – da du (bis­lang) noch der Über­zeu­gung bist, den Kon­sum von tie­ri­schen „Pro­duk­ten“ ver­tre­ten zu kön­nen, wür­de mich inter­es­sie­ren, wie du glo­bal gese­hen Pan­de­mien lösen wür­dest? Nicht, dass ich dich per­sön­lich da in der Allein­ver­ant­wor­tung sehe, son­dern eher aus dem Gedan­ken her­aus, dass eine per­sön­li­che Ent­schei­dung, wie der Nicht­kon­sum von Tie­ren & ihren „Pro­duk­ten“, gleich­zei­tig sowohl umwelt­freund­li­cher, res­sour­cen­scho­nen­der als auch gesün­der ist und, wor­auf es bei die­sem The­ma eben ankommt, ver­hin­dern kann, dass wei­te­re Pan­de­mien ent­ste­hen, wäh­rend der wei­ter­ge­führ­te Kon­sum, die­se befördert.
      Ich hof­fe du emp­fin­dest die Fra­ge nicht als gemein, son­dern siehst sie so wie ich: Wer zu einer mög­li­chen Kon­se­quenz bei­trägt, ist auch in der Ver­ant­wor­tung, die­ser Kon­se­qunz prä­ven­tiv ent­ge­gen­zu­wir­ken, zumin­dest wenn sie Aus­wir­kun­gen hat wie dies beim The­ma Pan­de­mie (oder Kli­ma­wan­del oder …) der Fall ist.
      Also Mal ange­nom­men vegan ist für dich tat­säch­lich kei­ne Lösung, was wäre denn dei­ne Lösung? Oder siehst du da bei dir als indi­vi­du­el­lem Kon­su­men­ten kei­ne Verantwortung?
      Für alle, denen die öko­lo­gi­schen, öko­no­mi­schen, gesund­heit­li­chen, huma­nis­ti­schen und (tier-)ethischen Grün­de für eine vega­ne Lebens­wei­se nicht aus­rei­chen oder nicht ein­leuch­ten, muss es ja auch eine ande­re Mög­lich­keit geben, die Situa­ti­on zu lösen. Wie sieht die­se aus? Wie hängt unse­re Eigen­ver­ant­wor­tung mit Gesell­schafts­ver­ant­wor­tung und Soli­da­ri­tät zusam­men? Könn­te ich viel­leicht sogar aus der Per­spek­ti­ve argu­men­tie­ren, dass schon weil eine Pan­de­mie zu risi­ko­reich ist, wir aus soli­da­ri­schen Grün­den kei­ne tie­ri­schen „Pro­duk­te“ kon­su­mie­ren dürften?
      Ich belas­se es mal zum Schluss mit die­ser Fra­ge, hät­te sicher­lich noch eini­ges zu sagen aber ich bin so schon bei einem hal­ben Roman, daher machen wir an die­ser Stel­le Schluss. Ich wün­sche dir & allen Mit­le­sen­den alles Gute, bleibt gesund und auf ein bes­se­res 2021 & 2022.
      Lie­be Grüße
      Björn Freiberg

    • Lie­ber Björn,

      vie­len Dank für Dei­nen eben­so aus­führ­li­chen wie wohl­durch­dach­ten Kom­men­tar. Es ist ein gutes Gefühl zu wis­sen, dass die in mei­nem Blog­bei­trag geteil­ten Gedan­ken sogar Leu­te zu Kom­men­ta­ren inspi­rie­ren, die ich gar nicht ken­ne. Du sprichst in Dei­nem sehr aus­führ­li­chen Kom­men­tar eine Rei­he von Punk­ten an, zu denen ich ger­ne mei­ner­seits etwas bemer­ken möchte:

      • Stig­ma­ti­sie­rung der kri­ti­sier­ten Grup­pe: im Grun­de pflich­te ich Dir abso­lut bei. Man muss bei sei­ner Wort­wahl in der Tat auf­pas­sen, dass die­je­ni­gen, die man damit errei­chen will, sich nicht schon durch die gewähl­te Bezeich­nung von jener Grup­pie­rung distan­zie­ren, die eigent­lich gemeint ist. Aller­dings steht man beim Ver­fas­sen eines sol­chen Bei­trags auch vor dem Dilem­ma, dass man man­chen Begrif­fen einen kna­cki­gen Namen geben muss, damit man den Text nicht durch die zwang­haf­te Wah­rung der aus­führ­li­chen, poli­tisch kor­rek­ten Cha­rak­te­ri­sie­rung ins uner­mess­li­che auf­bläht. Ich nei­ge ja eh schon dazu, lan­ge Sät­ze zu bil­den. Das Gan­ze auch noch ohne abkür­zen­de Bezeich­nun­gen – das hät­test Du nicht lesen wol­len.

        Dar­über hin­aus bin ich gar nicht so sicher, wie vie­le der von mir kri­ti­sier­ten „Ver­harm­lo­ser“ sich durch noch so sach­li­che Argu­men­te davon über­zeu­gen lie­ßen, ihre Hal­tung zu über­den­ken. Wären sie sach­li­chen Argu­men­ten wirk­lich zugäng­lich, hät­ten sie eigent­lich schon längst die gan­ze Trag­wei­te der Pan­de­mie erken­nen und aner­ken­nen müssen. 

      • Vor­schlä­ge zur Pan­de­mie­prä­ven­ti­on: wenn man sich in der Deut­schen Wiki­pe­dia die Lis­te der Epi­de­mien und Pan­de­mien anschaut, stellt man fest, dass sich der über­wäl­ti­gen­de Teil der dort erwähn­ten Ereig­nis­se in vor­in­dus­tri­el­ler Zeit abge­spielt hat. Das trifft auch auf die Zahl der abso­lu­ten Todes­op­fer und noch viel mehr auf die rela­ti­ve Zahl der Todes­op­fer zu. Indus­tri­el­le Tier­hal­tung gibt es in Euro­pa etwa seit dem Ende des zwei­ten Welt­kriegs. In den USA schon etwas davor. Die Spa­ni­sche Grip­pe mit ihren geschätz­ten 27 bis 50 Mil­lio­nen Toten fand jeden­falls zu einer Zeit statt, in der es noch gar kei­ne indus­tri­el­le Mas­sen­tier­hal­tung gege­ben hat. Eine Kor­re­la­ti­on – geschwei­ge denn eine Kau­sa­li­tät – zwi­schen indus­tri­el­ler Mas­sen­tier­hal­tung und Pan­de­mien lässt sich also anhand der his­to­ri­schen Daten nicht her­lei­ten. Damit will ich die indus­tri­el­le Mas­sen­tier­hal­tung nicht per se schön­re­den, aber das sind die empi­ri­schen Argu­men­te, die ich fin­den konn­te.

        Auf die Fra­ge nach Prä­ven­ti­ons­mög­lich­kei­ten für Zoo­no­sen, die zwei­fel­los als Haupt­ur­sa­che für Pan­de­mie gel­ten müs­sen, habe ich die­sen Bei­trag des Inter­na­tio­nal Live­stock Rese­arch Insti­tu­te gemein­sam mit der UNEP gefun­den. Die Mas­sen­tier­hal­tung taucht auch dort nicht als pri­mä­rer Risi­ko­fak­tor für Pan­de­mien auf. Das liegt zum einen dar­an, dass dort nor­ma­ler­wei­se schon in kom­mer­zi­el­lem Inter­es­se sehr stark auf Infek­ti­ons­schutz gesetzt wird. Zum ande­ren bel­gei­ten uns die übli­chen Kei­me der Tie­re, um die es dabei geht, seit vie­len Jahr­hun­der­ten, so dass unser Immun­sys­tem gut dar­auf ein­ge­stellt ist. Eine viel grö­ße­re Gefahr geht indes­sen durch die Anste­ckung bei wild­le­ben­den Tie­ren aus, mit denen wir per defi­ni­tio­nem als Men­schen eigent­lich kaum in Berüh­rung kom­men dürf­ten. Dass es den­noch ver­mehrt zu sol­chen Anste­ckun­gen kommt, liegt nach dem Bericht vor allem an der zuneh­men­den mensch­li­chen Besied­lung der Lebens­räu­me die­ser Tie­re, durch die es ver­mehrt zu Berüh­rungs­punk­ten zwi­schen die­sen Tier­ar­ten und Men­schen kommt. Dazu kommt selbst­ver­ständ­lich der in man­chen Kul­tu­ren gepfleg­te Ver­zehr exo­ti­scher, wild­le­ben­der Tie­re und vor allem die hohe Bevöl­ke­rungs­dich­te in urba­nen Gebie­ten, die eine schnel­le Infek­ti­ons­aus­brei­tung begüns­tigt und die extre­me glo­ba­le Mobi­li­tät, durch die sol­che Infek­tio­nen in kür­zes­ter Zeit in die gesam­te Welt hin­ein­ge­tra­gen wird.

        Die Prä­ven­ti­on bestün­de dem­nach dar­in, die Lebens­räu­me der wild­le­ben­den Tie­re mög­lichst unan­ge­tas­tet zu las­sen, urba­ne Kon­zen­tra­tio­nen auf­zu­lö­sen und die glo­ba­le Rei­se­tä­tig­keit zu redu­zie­ren. Da lag ich also mit mei­nen The­men gar nicht so falsch…

        Vor allem gilt es aber, sehr viel mehr auf nach­hal­ti­ge, res­sour­cen­scho­nen­de Land­be­wirt­schaf­tung zu set­zen und die Nach­fra­ge nach dem Ver­zehr tie­ri­scher Pro­duk­te mas­siv zu redu­zie­ren. Ein viel­ver­spre­chen­der Ansatz, dem ich gera­de neu­lich in einem sehr inter­es­san­ten Vor­trag zu nach­hal­ti­ger Land­wirt­schaft begeg­net bin, besteht in der Inter­na­li­sie­rung exter­ner Effek­te der Land­wirt­schaft mit dem Ergeb­nis einer soge­nann­ten öko-sozia­len Markt­wirt­schaft. Das bedeu­tet im Wesent­li­chen, dass der Ver­kaufs­preis eines land­wirt­schaft­li­chen Pro­dukts alle umwelt­be­zo­ge­nen Fol­ge­kos­ten beinhal­ten müss­te, die auf­grund sei­ner Pro­duk­ti­on ent­ste­hen, so dass man die­se Schä­den aus dem Pro­dukt­preis her­aus sanie­ren kann. Nach einer Stu­die der Bos­ton Con­sul­ting Group von 2019 hie­ße das bei­spiels­wei­se, dass Rind­fleisch fünf- bis sechs­mal so viel kos­ten müss­te wie sein der­zei­ti­ger Markt­preis. Bei Geflü­gel wären es immer­hin noch drei- bis vier­mal, bei Schwei­ne­fleisch zwei- bis zwei­ein­halb­mal so viel. Milch wäre zwei- bis zwei­ein­halb­mal und Eier ca. dop­pelt so teu­er wie bis­her. Äpfel und Möh­ren hin­ge­gen wür­den kaum teu­rer wer­den. Brot­wei­zen wäre aller­dings auch wie­der fünf­mal so teu­er wie bisher.

        Mit einer sol­chen Preis­ge­stal­tung wür­de der Kon­su­ment an der Laden­the­ke ent­schei­den müs­sen, ob ihm der Kon­sum nach­hal­tig­keits­schä­di­gen­der Pro­duk­te die Ent­rich­tung der dafür not­wen­di­gen Umwelt­sa­nie­rungs­kos­ten wert ist. Wer dann unbe­dingt ein Kilo Rind­fleisch für 120 Euro kau­fen will, kann das dann tun und hat die Wie­der­her­stel­lung der dadurch her­vor­ge­ru­fe­nen Umwelt­schä­den auch gleich mit­be­zahlt. Mit Obst und Gemü­se käme er aber sehr viel güns­ti­ger weg. Es ist vor­her­seh­bar, dass der Markt das Pro­blem auf die­sem Wege sehr schnell über das Kon­su­men­ten­porte­mon­naie gelöst hät­te und nach­hal­tig erzeug­te Pro­duk­te sich in kür­zes­ter Zeit durch­ge­setzt hätten. 

      Ich hof­fe, das ist eine Ant­wort, mit der Du leben kannst. Der kate­go­ri­sche Ver­zicht auf tie­ri­sche Pro­duk­te ist inso­fern aus Nach­hal­tig­keits­ge­sichts­punk­ten nicht zwin­gend erfor­der­lich. Die­se Pro­duk­te müss­ten aber so teu­er sein, dass der durch ihre Her­stel­lung her­vor­ge­ru­fe­ne Umwelt­sa­nie­rungs­be­darf beim Kauf mit­be­zahlt wür­de. Dadurch ent­stün­de ganz schnell und ohne die Not­wen­dig­keit ideo­lo­gi­scher Über­zeu­gungs­ar­beit eine mas­si­ve Ver­schie­bung zu pflanz­li­chen Pro­duk­ten. Salopp gesagt: der gute alte Sonn­tags­bra­ten (oder wohl eher der Monats­an­fangs­bra­ten) wür­de eine Renais­sance erle­ben, wäh­rend der Rest der Woche bzw. des Monats vegan geges­sen würde.

      Man kann die Fra­ge nach dem Ver­zehr tie­ri­scher Pro­duk­te natür­lich auch unter ande­ren als öko­lo­gi­schen Gesichts­punk­ten dis­ku­tie­ren. Aber das war ja hier nicht das Thema.

      Bleib gesund + alles Liebe

      Dani­el

  • Lie­ber Daniel,

    ges­tern habe ich bei unse­rem bis­lang ziem­lich ver­geb­li­chen Ver­such, uns die fran­zö­si­sche Spra­che gefü­gig zu machen, einen schö­nen Aus­druck gelernt: mett­re ses deux cen­tie­mes. Jetzt gebe ich also mei­ne zwei Cents sprich mei­nen Senf zu die­ser Diskussion. 

    Ich stim­me Dir in eigent­lich allen Punk­ten zu, wür­de aber ger­ne noch den ein oder ande­ren Gedan­ken hin­zu­fü­gen, der Dei­ne Über­le­gun­gen zu den Ursa­chen der Ver­leug­nung ergän­zen und ggf. zu einem wei­te­ren Aus­tausch anre­gen soll.

    Nach der­zei­ti­ger Kennt­nis der Krank­heits­ver­läu­fe nach einer Coro­na-Infek­ti­on erkran­ken nicht alle Infi­zier­ten gleich schwer, an nicht weni­gen scheint die Infek­ti­on ziem­lich geräusch­los vor­bei­zu­zie­hen, eini­ge erwischt es schwer oder sie ver­ster­ben gar. Die Risi­ko­fak­to­ren und Sta­tis­ti­ken dürf­ten bekannt sein, sie sind auch nicht mein Punkt. Ich den­ke, bei Coro­na-Ver­leug­nung kommt viel­mehr ein macht­vol­les psy­cho­lo­gi­sches Motiv ins Spiel, näm­lich das der Ver­drän­gung von unlieb­sa­men Tat­sa­chen. So ziem­lich jeder Rau­cher dürf­te bei­spiels­wei­se über die Risi­ken sei­ner Ange­wohn­heit infor­miert sein, trotz­dem reicht die­se Erkennt­nis so gut wie nie aus, um mit dem Rau­chen auf­zu­hö­ren. Nun kommt hier sicher der Sucht­fak­tor ins Spiel, aber mir sind nicht weni­ge star­ke Rau­cher bekannt, die nur unter Auf­brin­gung größ­ter men­ta­ler Anstren­gun­gen ein Flug­zeug bestei­gen (das Absturz­ri­si­ko ist bekannt­lich exor­bi­tant), die Peti­tio­nen gegen Funk­mas­ten in ihrer (wei­te­ren) Umge­bung auf­set­zen oder ihr Trink­was­ser nur aus Karaf­fen trin­ken, die durch affir­ma­ti­ve Gra­vu­ren und Befuel­lung mit Halb­edel­stei­nen ein spi­ri­tu­ell ein­wand­frei­es, gesund­heits­för­dern­des Trin­k­erleb­nis ver­spre­chen. Und so gut wie immer wird dann auf Hel­mut Schmidt s.A. ver­wie­sen, des­sen Kon­sti­tu­ti­on ihn ver­mut­lich unwil­lent­lich zur Iko­ne der Rau­cher­ge­mein­de erho­ben hat. Etc etc. Ver­drän­gung in Kom­bi­na­ti­on mit einem wenig aus­ge­präg­ten, weil teil­wei­se kon­train­tui­ti­ven mathe­ma­ti­schen Ver­ständ­nis, ins­be­son­de­re im Bereich der Wahr­schein­lich­keits­rech­nung, füh­ren dann zu die­sen Absur­di­tä­ten, die für sich genom­men sehr mensch­lich und teil­wei­se auch amü­sant und lie­bens­wert sind. 

    Nun bil­den Glau­be Lie­be Hoff­nung, Ver­drän­gung und man­geln­des mathe­ma­ti­schen Ver­ständ­nis auf der indi­vi­du­el­len Ebe­ne einen sehr mensch­li­chen Bezugs­rah­men, der ja auch durch­aus posi­ti­ve Sei­ten hat und manch­mal, against all odds, Ber­ge ver­setz­ten kann. Schwie­rig wird es dann da, wo indi­vi­du­el­le Befind­lich­kei­ten und Anspruech­lich­kei­ten nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf Ande­re haben, wo die Inter­es­sen, Wer­te und Glau­bens­sät­ze des Indi­vi­du­ums ein Pro­blem fuer die Mit­krea­tu­ren (Gruss an Sig­al 😉 dar­stel­len und die Gesell­schaft kein Kor­rek­tiv mehr bil­det. Den von Dir gebrauch­ten Begriff des Indi­vi­dua­lis­mus, dem in unse­rer west­li­chen Kul­tur so gehul­digt wird und den Du zutref­fend als bedeut­sa­men Fak­tor in die­ser Kri­se iden­ti­fi­ziert hast, möch­te ich aber ger­ne hin­ter­fra­gen und prä­zi­sie­ren, da ich ihn schief fin­de. Er ist hier nicht der Schurke.

    Mei­ner Mei­nung nach besteht ein Para­do­xon. Indi­vi­dua­lis­mus ist genau des­we­gen so begeh­rens­wert, weil er heu­te weni­ger denn je erreicht wird und erreich­bar ist. Das ist ein biss­chen wie mit der Sehn­sucht nach Jugend in altern­den Gesell­schaf­ten. Ich behaup­te, Indi­vi­dua­lis­mus im Sin­ne von ech­ter Selbst­wirk­sam­keit und Selbst­ver­wirk­li­chung hat in unse­rer Gesell­schaft so gut wie kei­nen Raum mehr. Die berüch­tig­ten, algo­rith­men-basier­ten Fil­ter­bla­sen für Infor­ma­tio­nen in den (sozia­len) Medi­en, eine hoch­gra­dig arbeits­tei­li­ge Gesell­schaft, in der der Ein­zel­ne die Kon­se­quen­zen sei­nes Han­delns kaum noch mit­be­kommt, das Phä­no­men Influen­cer, die meist völ­lig aus­tausch­ba­re Gedan­ken­gän­ge und Geschmacks­rich­tun­gen vor­ge­ben… Urlaub, Frei­zeit, Kar­rie­re als Mög­lich­kei­ten des ach so indi­vi­du­el­len Aus­drucks, den die Pan­de­mie jetzt ein­schränkt? In dem Moment, wo „Indi­vi­dua­lis­mus“ fast nur noch durch Höher Schnel­ler Wei­ter, exzes­si­ven Kon­sum und / oder mög­lichst absei­ti­ge und pro­vo­kan­te Mei­nungs­äu­ße­run­gen her­stell­bar ist und Selbst­wirk­sam­keit mit Rück­sichts­lo­sig­keit ver­wech­selt wird, da wo demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Ein­schrän­kun­gen im Sin­ne des Gemein­wohls als Angriff auf die eige­nen Per­son inter­pre­tiert wer­den, hast Du die Zuta­ten, genau­er gesagt das Vaku­um, das die von Dir beschrie­be­nen Reak­tio­nen her­vor­brin­gen. Nar­ziss­mus scheint hier der tref­fen­de­re Begriff zu sein, spä­tes­tens seit the Donald jedem ein Begriff, der ganz sicher kein Unfall war als Füh­rungs­fi­gur einer Nati­on, die vom Mythos der Selbst­ver­wirk­li­chung lebt. Ich wür­de behaup­ten, Indi­vi­dua­lis­mus braucht im Gegen­satz zum Nar­ziss­mus immer die Gemein­schaft als Reso­nanz­bo­den, Spie­gel und Korrektiv. 

    Wenn ich einen Wunsch frei hät­te dann den, dass wir bei den Auf­raeum­ar­bei­ten nach der Coro­na-Kri­se nichts weni­ger als einen Para­dig­men­wech­sel voll­zie­hen. Der Mensch ist Indi­vi­du­um und sozia­les Wesen zugleich, die Rela­ti­on muss in unse­rem Kul­tur­kreis neu bestimmt wer­den, zumal in ande­ren Tei­len der Welt hier­zu ganz ande­re Vor­stel­lun­gen bestehen und uns die­ses The­ma noch mehr beschäf­ti­gen dürf­te, als es uns viel­leicht lieb ist. Aber das ist nun der Beginn einer neu­en Dis­kus­si­on, die ganz im Sin­ne von Sig­al auch erwei­tert wer­den muss um unser Ver­hält­nis zur Natur und ande­ren Kreaturen.

    Vie­len Dank Dir für Dei­ne Gedan­ken und Anre­gun­gen, ich lese Dei­nen Blog wirk­lich ger­ne und bin ein biss­chen stolz, dass ich mir jetzt end­lich mal die Zeit für die­sen Aus­tausch genom­men habe. Da pflich­te ich Dir völ­lig bei: Selbst bei unter­schied­li­chen Stand­punk­ten müs­sen wir mit­ein­an­der im Gespräch blei­ben, dan­ke für den Schubser. 

    Alles Lie­be aus dem ver­schnei­ten Kanada,

    Simo­ne

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