Von der Lei­den­schaft für Tie­re und dem, was Lei­den schafft für Tiere

Hal­lo Ihr Lieben,

in letz­ter Zeit dringt das The­ma „vege­ta­ri­sche bzw. vega­ne Lebens­wei­se” immer häu­fi­ger aus unse­rem sozia­len Umfeld zu uns. Zudem hat sich die Zahl der vege­ta­risch bzw. vegan leben­den Zeit­ge­nos­sen unter unse­ren Freun­den und Bekann­ten in den letz­ten Jah­ren gefühlt deut­lich vergrößert.

Wow, Dani­el, wie packend. Als nächs­tes erzählst Du uns, dass man­che Dei­ner Freun­de sich vor dem Früh­stück, ande­re jedoch erst danach die Zäh­ne put­zen – und die Krö­nung: es gibt sogar wel­che, die tun es sowohl vor als auch nach dem Früh­stück. Wahn­sinn. End­lich ein Blog-Bei­trag, der uns vor Span­nung die Schweiß­per­len auf die Stirn treibt.

Ja, ich weiß. Vegan, vege­ta­risch, fle­xe­ta­risch, pesce­tarisch – soll doch jeder hin­sicht­lich sei­ner Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten das tun, was er aus wel­chen Grün­den auch immer für rich­tig und ange­mes­sen hält. Dar­über gibt es wahr­lich kei­ne gro­ßen Wor­te zu ver­lie­ren und schon gar kei­nen Blog-Bei­trag zu verfassen.

Oder viel­leicht doch?

Zwar ist es näm­lich durch­aus so, dass die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit unse­rer vege­ta­risch bzw. vegan leben­den Freun­de und Bekann­ten es genau nach die­sem Grund­satz hand­habt – also ihre Ernäh­rungs­phi­lo­so­phie in der Tat zu einer Sache der pri­va­ten Lebens­füh­rung macht und bes­ten­falls auf aus­drück­li­che Nach­fra­ge dar­legt, wel­che Erwä­gun­gen sie zu die­ser Lebens­füh­rung gebracht haben. In ein­zel­nen Fäl­len kommt es aber eben auch vor, dass man sich offen­bar gedrängt fühlt, sei­ne Mit­men­schen im Rah­men eines unbän­di­gen Sen­dungs­be­wusst­seins zur eige­nen Ernäh­rungs­phi­lo­so­phie zu bekehren.

Klar, auch das ist ja irgend­wo nach­voll­zieh­bar. Man hat vor nicht all­zu lan­ger Zeit eine Über­zeu­gung gewon­nen, die das eige­ne Welt­bild und die dar­aus fol­gen­de Lebens­füh­rung fun­da­men­tal ver­än­dert hat, und nun fühlt man sich beru­fen, den Rest der Welt so gut es geht für die­se Lebens­füh­rung zu gewin­nen. Im kon­kre­ten Fall, um den es mir hier geht, spricht der Erfolg die­ser mis­sio­na­ri­schen Initia­ti­ve in gewis­ser Wei­se denn auch für sich: nicht nur der Umstand, dass ich mich auf­grund des­sen letzt­lich zur Abfas­sung die­ses Blog-Bei­trags inspi­riert füh­le. Es ver­geht zudem kaum noch eine Mahl­zeit im Fami­li­en­krei­se, bei der nicht frü­her oder spä­ter auf die­se unüber­hör­ba­re Initia­ti­ve Bezug genom­men wird.

Ist das Etap­pen­ziel die­ser Initia­ti­ve damit also erreicht?

Ein­dring­lich vs. aufdringlich

Sicher – dass die Fra­ge nach dem Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te in unser aller Bewusst­sein gerückt wird, ist zwei­fel­los ein gewoll­ter Effekt der betref­fen­den Bekeh­rungs­in­itia­ti­ve. Gleich­wohl neh­me ich in unse­rem sozia­len Umfeld aber auch unver­kenn­bar eine gewis­se Kri­tik an der Form wahr, in der die wohl am ehes­ten als „vega­nis­tisch“ zu bezeich­nen­de Über­zeu­gungs­ar­beit bis­wei­len geleis­tet wird. Ich mei­ne: wer will denn auch klag­los über sich erge­hen las­sen, wie sich ande­re laut­stark in die eige­ne Lebens­wei­se einmischen?

Und nicht nur das: in jüngs­ter Zeit waren denn auch Fäl­le vega­nis­ti­schen Akti­vis­mus­ses zu beob­ach­ten, in denen der Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te regel­recht kri­mi­na­li­siert wur­de. So wur­den die Kon­su­men­ten tie­ri­schen Fleischs in einem unlängst zu lesen­den Face­book-Post auf der Sei­te eines der lei­den­schaft­li­chen Vega­nis­mus-Vor­kämp­fer unver­blümt auf eine Stu­fe mit Skla­ven­trei­bern, Hen­kern oder gar Nazi­schär­gen (!) gestellt.

Echt Leu­te, das ist schon ganz schön star­ker Tobak, zumal sich der kon­kre­te Appell, auf den ich mich hier bezie­he, an Kin­der und Jugend­li­che gerich­tet hat, die auch noch aus­drück­lich dazu auf­ge­ru­fen wur­den, ihren eige­nen Eltern kei­nen Glau­ben zu schen­ken, wenn sie anders­lau­ten­de Posi­tio­nen ver­tre­ten! Sor­ry, aber sowas ist kei­ne ein­fa­che Über­zeu­gungs­ar­beit mehr. Das ist schon eher Pro­pa­gan­da wenn nicht gar Ver­het­zung. Aber davon mal abge­se­hen: die Gleich­set­zung von Fleisch­kon­sum mit den gro­ßen Mensch­heits­ver­bre­chen der Welt­ge­schich­te ver­bie­tet sich schon allei­ne vor dem Hin­ter­grund der damit ein­her­ge­hen­den Ver­harm­lo­sung solch sin­gu­lä­rer Extre­me der tota­len Men­schen­ver­ach­tung. Da wirkt es schon fast wie eine harm­lo­se Pos­se, dass eine offen­bar vega­nis­tisch beseel­te Lehr­kraft in der Schu­le mei­ner Kin­der wäh­rend des gemein­sa­men Mit­tag­essens in der Men­sa zu einer Schwei­ge­mi­nu­te für die toten Tie­re auf­ge­ru­fen haben soll, deren Fleisch den Schü­lern gera­de zur Haupt­spei­se ser­viert wurde.

Nicht falsch ver­ste­hen: ich zol­le einer Über­zeu­gungs­ar­beit, die sich dem Schutz ande­rer Lebe­we­sen vor unter­stell­ter Miss­hand­lung ver­schrie­ben hat, grund­sätz­lich hohen Respekt. Aber ich zol­le eben auch der Mei­nung Anders­den­ken­der – vor allem aber der elter­li­chen Erzie­hungs­ver­ant­wor­tung für ihre eige­nen Kin­der eben­so hohen Respekt. Und genau hier scheint mir das Pro­blem die­ser Vor­ge­hens­wei­se zu lie­gen: es gibt eben einen Unter­schied zwi­schen gerech­ter – ger­ne auch lei­den­schaft­lich vor­ge­tra­ge­ner – Über­zeu­gungs­ar­beit und der acht­lo­sen Intru­si­on in den Lebens­be­reich sei­ner Mit­men­schen. Ein­dring­lich­keit ist eben etwas ande­res als Aufdringlichkeit.

Wer also den Schutz von Tie­ren vor Augen hat, soll­te den Respekt vor sei­nen Mit­men­schen des­we­gen nicht gleich außer Acht las­sen. Außer­dem unter­mi­niert ein solch intru­si­ves Vor­ge­hen ja auch noch das eige­ne Ziel: fühlt man sich näm­lich von die­sem aggres­si­ven Vor­ge­hen erst ein­mal bedrängt, schal­tet man ohne­hin reflex­ar­tig auf Wider­stand und Trotz. Für Ver­ständ­nis wer­ben geht jeden­falls anders.

Die eben beschrie­be­ne, höchst zwei­fel­haf­te Metho­dik, mit der hier die vega­nis­ti­sche Mis­si­on bis­wei­len betrie­ben wird, soll­te aber nicht als Recht­fer­ti­gung dafür her­hal­ten, sich um die eigent­li­che Fra­ge nach der ethi­schen Ver­tret­bar­keit des Kon­sums tie­ri­scher Pro­duk­te her­um­zu­drü­cken. Denn auch wenn die – wie ich fin­de – unge­schick­te Her­an­ge­hens­wei­se der betref­fen­den Vega­nis­ten uns wider­sin­ni­ger Wei­se vom eigent­li­chen The­ma ablenkt – am Ende des Tages muss jeder von uns die­se Fra­ge ergeb­nis­of­fen für sich beantworten:

Ist es mit unse­rer Ethik ver­ein­bar, tie­ri­sche Pro­duk­te zu nutzen?

Wir und das Tier

Um die­se Fra­ge zu ergrün­den, ist es, den­ke ich, zunächst ein­mal erfor­der­lich zu ver­ste­hen, nach wel­cher Ethik wir übli­cher­wei­se beur­tei­len, ob wir ande­ren Indi­vi­du­en mit bestimm­ten Hand­lungs­wei­sen Unrecht tun oder nicht. Pla­ka­tiv gesagt: nie­mand hat ein ethi­sches Pro­blem damit, einen Beton­block zu zer­sä­gen, aber so ziem­lich jeder hät­te ein Pro­blem damit, einen leben­di­gen Men­schen zu zer­sä­gen – zumal bei vol­lem Bewusstsein.

Das Hand­lungs­axi­om, das hier zur Anwen­dung gelangt, hat schon Rab­bi Hil­lel gemäß tal­mu­di­scher Erzäh­lung (Schab­bat, 31a) als Ant­wort auf die Fra­ge eines inter­es­sier­ten Nicht­ju­den for­mu­liert, der die gesam­te Torah erklärt haben woll­te, solan­ge er auf einem Bein ste­hen kann:

„Was du nicht willst, dass man dir tu‘ – das füg‘ auch kei­nem Ande­ren zu.“

Wir gehen also davon aus, dass ande­re Indi­vi­du­en im Wesent­li­chen das­sel­be Emp­fin­den von Leid und Schmerz haben, wie wir selbst. Und weil wir selbst nicht ger­ne Leid und Schmerz emp­fin­den, haben wir dem­nach alles zu unter­las­sen, was ande­ren Leid oder Schmerz berei­tet. Wenn wir also einen Mit­men­schen zer­sä­gen, gehen wir davon aus, dass das extrem schmerz­haft und inso­fern leid­voll für ihn ist, weil wir wis­sen, dass es das für uns selbst wäre. Außer­dem ver­stüm­meln wir ihn dabei und brin­gen ihn inso­fern um ein gehö­ri­ges Maß an Lebens­qua­li­tät, wenn wir ihn nicht sogar damit umbrin­gen und somit eine unfrei­wil­li­ge Ver­kür­zung sei­ner Lebens­zeit her­vor­ru­fen. Daher fin­den wir es ver­werf­lich, ande­re Men­schen zu zer­sä­gen. Einem Beton­block unter­stel­len wir indes­sen, dass er kei­ner­lei Emp­fin­dun­gen hat, so dass es inso­weit kei­nen Grund gibt, ihn nicht zu zersägen.

Also gut: unse­re Mit­men­schen emp­fin­den Leid und Schmerz im Wesent­li­chen genau­so,  wie wir es selbst täten, und Beton­klöt­ze tun es nicht. Wie aber steht es um Tiere?

Schon als Kin­der haben wir dazu den Spruch gelernt:

„Quä­le nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz“

Wir neh­men damit intui­tiv an, dass zumin­dest die Tie­re, die übli­cher­wei­se betrof­fen sind, wenn wir vom Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te reden – also Säu­ge­tie­re, Vögel und Fische – Schmerz in einer Wei­se emp­fin­den, die mit ähn­lich leid­vol­len Pri­mär­er­fah­run­gen ein­her­geht wie bei uns Men­schen. Dar­auf deu­ten auch die wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se der letz­ten Jahr­zehn­te zuneh­mend hin, so dass wir zur Sicher­heit bes­ser mal davon aus­ge­hen, dass unse­re übli­chen „Kon­sum­tie­re“ wirk­lich Schmer­zen in einer Form emp­fin­den, die mit dem mensch­li­chen Schmerz­er­leb­nis ver­gleich­bar ist. Unser oben dar­ge­leg­tes Hand­lungs­axi­om, durch das wir auf­ge­for­dert sind, ande­ren zu erspa­ren, was wir selbst als unan­ge­nehm emp­fin­den, muss daher – was phy­si­schen Schmerz anbe­langt ­– auch für „Kon­sum­tie­re“ gel­ten: wir müs­sen alles dar­an set­zen, dass wir Tie­ren kei­ne Schmer­zen zufügen.

Den­noch ist es außer­or­dent­lich wich­tig, in die­sem Zusam­men­hang fest­zu­hal­ten, dass man das eigent­li­che Schmerz­er­leb­nis eines Tie­res nicht objek­tiv mes­sen kann. Zwar kön­nen wir näm­lich durch­aus die Aus­schüt­tung von Boten­stof­fen und die Akti­vi­tät von Neu­ro­nen bei Men­schen und Tie­ren glei­cher­ma­ßen mes­sen und aus der Ähn­lich­keit die­ser phy­sio­lo­gi­schen Schmerz­re­ak­tio­nen auf mut­maß­lich ver­gleich­ba­res Schmerz­emp­fin­den bei Tier und Mensch schlie­ßen. Aber ob und inwie­weit die damit ein­her­ge­hen­de Sin­nes­er­fah­rung wirk­lich als leid­voll erlebt wird, kann uns nur das jeweils betrof­fe­ne Indi­vi­du­um schil­dern – wenn es dazu in der Lage ist. Bei Tie­ren ist das in aller Regel jedoch gera­de nicht der Fall.

Das klingt jetzt so, als müs­se man ver­mu­ten, dass Tie­re uns ihr Leid nur des­halb nicht schil­dern kön­nen, weil sie es nicht schlüs­sig aus­drü­cken kön­nen. Das ist aber nicht das, was ich damit mei­ne. Ich fra­ge mich viel­mehr, ob es Tie­ren nicht grund­sätz­lich an den kogni­ti­ven Fähig­kei­ten man­gelt, die nötig wären, um Spra­che, wie wir sie ken­nen, über­haupt bil­den und ver­ste­hen zu kön­nen. Und wenn dem so ist, müs­sen wir dann nicht auch anneh­men, dass es Tie­ren daher an den not­wen­di­gen kogni­ti­ven Fähig­kei­ten zur Bil­dung gedank­li­cher Kon­zep­te fehlt? Denn letzt­lich ist Den­ken Spra­che und Spra­che ist Den­ken. Wer also über kei­ne kogni­ti­ven Sprach­fä­hig­kei­ten ver­fügt, der dürf­te auch nicht in der Form den­ken kön­nen, die wir Men­schen für uns in Anspruch neh­men. Das heißt aber auch, dass der Gemüts­zu­stand unse­rer übli­chen Nutz­tie­re nicht von Erwar­tun­gen bestimmt wer­den kann, die sich aus abs­trak­ten gedank­li­chen Kon­struk­tio­nen wie „Glück”, „Erfül­lung”, „Lebens­qua­li­tät” oder „Selbst­fin­dung” spei­sen. Dem­zu­fol­ge wären Tie­re auch nicht in der Lage, dar­un­ter zu lei­den, wenn ihnen kein „Glück”, kei­ne „Erfül­lung”, kei­ne „Lebens­qua­li­tät” oder kei­ne „Selbst­fin­dung” zuteil wird, weil sie die­se Kon­zep­te gar nicht erst erfas­sen können.

Wei­den und Leiden

Wor­auf ich damit hin­aus will?

Keh­ren wir noch­mals zu obi­gem Gedan­ken­spiel mit dem Zer­sä­gen ande­rer Men­schen zurück. Neben dem eigent­li­chen unmit­tel­ba­ren Schmerz haben wir dabei min­des­tens noch einen wei­te­ren Aspekt the­ma­ti­siert, der für die Klä­rung der Fra­ge maß­ge­bend sein muss, ob und inwie­weit unser Han­deln ande­ren Indi­vi­du­en Leid zufügt: die Ein­schrän­kung deren Lebens­qua­li­tät – auch ohne unmit­tel­ba­res phy­si­sches Schmerzerlebnis.

Gehen wir jetzt also mal gedank­lich davon aus, dass wir unse­ren Tie­ren kei­ne unmit­tel­ba­ren phy­si­schen Schmer­zen zufü­gen – wel­che ande­re For­men von Leid kön­nen Tie­re dar­über hin­aus wohl empfinden?

Im moder­nen Straf­voll­zug wer­den Ver­ge­hen übli­cher­wei­se durch Geld- oder ansons­ten durch Frei­heits­stra­fen geahn­det. Das deu­tet dar­auf hin, dass wir Men­schen ins­be­son­de­re dar­un­ter lei­den, wenn man uns mate­ri­el­len Besitz oder aber das imma­te­ri­el­le Gut der Frei­heit ent­zieht. Ist das für Tie­re genauso?

Hier kommt mei­ne obi­ge Ein­las­sung zum The­ma „abs­trak­te Begriffs­bil­dung” ins Spiel. Da Tie­re augen­schein­lich nicht über die Fähig­keit zur Bil­dung sprach­li­cher Begrif­fe ver­fü­gen, muss bezwei­felt wer­den, dass sie die Fähig­keit besit­zen, abs­trak­te Kon­zep­te wie „Eigen­tum“ und „Besitz“ zu erfas­sen. Klar, auch Tie­re kon­kur­rie­ren um Nah­rungs­quel­len und strei­ten sich bis­wei­len um Ter­ri­to­ri­en oder Beu­te. Aber das Kon­zept eines abs­trak­ten mate­ri­el­len Besitz­an­spruchs scheint mir doch etwas zu sein, was die Fähig­keit zur sprach­li­chen und damit gedank­li­chen Begriffs­bil­dung vor­aus­setzt, wozu unse­re übli­chen Nutz­tie­re jeden­falls nicht in der Lage zu sein schei­nen. Daher wäre ich nicht geneigt, bei­spiels­wei­se einer Kuh zu unter­stel­len, sie wür­de dar­un­ter lei­den, dass man ihr ihre Kuh­glo­cke klaut.

Mit dem Frei­heits­ent­zug mag das anders sein. Aller­dings ist hier mei­nes Erach­tens zwi­schen der unmit­tel­ba­ren Form von Frei­heits­ent­zug – also der offen­sicht­li­chen phy­si­schen Ein­schrän­kung der natür­li­chen Bewe­gungs­frei­heit – und der mit­tel­ba­ren Form – also der Ein­schrän­kung der indi­vi­du­el­len Ent­fal­tungs­frei­heit – zu unter­schei­den. Wenn man uns Men­schen in einen engen Raum ein­sperrt, emp­fin­den wir die damit ver­bun­de­ne Ein­schrän­kung unse­rer phy­si­schen Bewe­gungs­frei­heit als über­wie­gend leid­vol­len Ent­zug. Ob das in der­sel­ben Form für Tie­re der Fall ist, hängt – den­ke ich – vor allem davon ab, ob der Man­gel an Bewe­gungs­frei­heit zu phy­si­schen Ver­än­de­run­gen führt, die das Tier ent­spre­chend auf phy­si­scher Ebe­ne wahr­neh­men kann.

Klar: wenn man ein Huhn in so eine klas­si­sche Lege­bat­te­rie­box quetscht oder ein jun­ges Kalb in enge Ein­zel­bo­xen ohne jede Bewe­gungs­frei­heit, dann muss man wohl davon aus­ge­hen, dass die Unfä­hig­keit, den natür­li­chen Bewe­gungs­drang aus­zu­le­ben, zu mani­fes­ten kör­per­li­chen Ver­än­de­run­gen führt, die von den Tie­ren als sol­che wahr­ge­nom­men wer­den – und zwar auf unan­ge­neh­me und inso­fern leid­vol­le Weise.

Die Annah­me, dass Tie­re eine Art über­ge­ord­ne­ten Frei­heits­drang hät­ten, des­sen man­geln­des Aus­le­ben zu Leid auf ent­spre­chend über­ge­ord­ne­ter men­ta­ler Ebe­ne führt, ist hin­ge­gen schwe­rer zu veri­fi­zie­ren. Wir Men­schen lei­den unter Frei­heits­ent­zug im wei­te­ren Sin­ne vor allem des­halb, weil wir eine Vor­stel­lung davon haben, was wir dabei in der Welt drau­ßen ver­pas­sen. Wir haben Erwar­tun­gen an unser Leben und eine Vor­stel­lung von ange­mes­se­ner Lebensqualität.

Dar­an, dass man Hüh­nern oder Scha­fen der­lei Erwar­tungs­hal­tun­gen an ihr Leben unter­stel­len kann, habe ich indes­sen erheb­li­che Zwei­fel. Das passt mei­nes Erach­tens nicht zu deren Ver­hal­tens­wei­sen und es spricht – wie oben bereits mehr­fach dar­ge­legt – wohl kaum etwas dafür, dass sie über­haupt über die kogni­ti­ven Fähig­kei­ten ver­fü­gen, die nötig sind, um der­art abs­trak­te Begrif­fe zu ken­nen. Es ist schwer vor­stell­bar, dass ein Schaf, wel­ches Zeit sei­nes Lebens in Stäl­len oder auf ein­ge­zäun­ten Wei­den ver­bringt, dabei im Stil­len von einem Leben in gren­zen­lo­ser Frei­heit auf immer­grü­nen Fel­dern träumt.

Ein Indiz, dass dem tat­säch­lich so ist, fin­det sich mög­li­cher­wei­se im Ver­hal­ten mensch­li­cher Klein­kin­der. Auch sie haben anfangs nur sehr rudi­men­tä­re Grund­be­dürf­nis­se – essen, trin­ken, schla­fen und Zuwen­dung. Erst mit dem Her­an­rei­fen ihrer kogni­ti­ven Fähig­kei­ten begin­nen unse­re Kin­der, wei­ter­ge­hen­de Ansprü­che ans Leben zu stel­len. Die­se Ansprü­che schei­nen somit aus zuneh­men­der Erfah­rung und der immer dif­fe­ren­zier­ten Wahr­neh­mung der eige­nen Umwelt erwor­ben wor­den zu sein. Es spricht wenig dafür, dass bei Tie­ren ein ver­gleich­ba­rer Pro­zess abläuft, denn Tie­re sind im Gegen­satz zu Men­schen bereits kurz nach der Geburt qua­si auf dem­sel­ben kogni­ti­ven Niveau wie in aus­ge­wach­se­nem Zustand.

Fazit: das Kon­zept des Ent­zugs eines über­ge­ord­ne­ten Lebens­glücks, der sich nicht in unmit­tel­bar spür­ba­ren phy­si­schen Reak­tio­nen nie­der­schlägt, dürf­te etwas sein, das nicht zur poten­zi­el­len Erfah­rungs­welt unse­rer übli­chen Nutz­tie­re gehört. Will sagen: art­ge­recht gehal­te­ne Tie­re sind aus die­sen Über­le­gun­gen her­aus ver­mut­lich nicht „unglück­li­cher“ als wild­le­ben­de Tiere.

Aller­dings gehört zur art­ge­rech­ten Hal­tung in die­sem Sin­ne auch dazu, dass Tie­re ihre unmit­tel­ba­ren sozia­len Bedürf­nis­se aus­le­ben kön­nen. Man muss ver­mut­lich davon aus­ge­hen, dass gera­de bei Säu­ge­tie­ren die anfäng­li­che Für­sor­ge des Mut­ter­tiers für sei­ne Nach­kom­men auch eine Art emo­tio­na­le Kom­po­nen­te hat, so dass es ggf. auch für Tie­re zu leid­vol­len Emp­fin­dun­gen kommt, wenn man Mut­ter­tie­re all­zu früh von ihren Jun­gen trennt. Ähn­li­ches gilt für die „sozia­le Wär­me“ gera­de bei Her­den­tie­ren: es ist durch­aus vor­stell­bar, dass gera­de Her­den­tie­re auch ohne erfah­rungs­ge­präg­te Erwar­tungs­hal­tun­gen unter Ver­ein­sa­mung lei­den, wenn man sie von ihren Art­ge­nos­sen isoliert.

Bei alle­dem muss man mei­nes Erach­tens jedoch auf­pas­sen, dass man die ver­meint­li­chen emo­tio­na­len Reak­tio­nen der Tie­re nicht all­zu leicht­fer­tig ver­mensch­licht. So ent­wi­ckeln unse­re Klein­kin­der oft eine gera­de­zu rüh­ren­de Für­sor­ge für ihre leb­lo­sen Plüsch­tie­re, weil sie ihnen men­schen­glei­che Regun­gen unter­stel­len. Wir als Erwach­se­ne soll­ten hin­ge­gen nicht unhin­ter­fragt das­sel­be mit leben­den Tie­ren machen. Wir kön­nen schlicht nicht wis­sen, was Tie­re den­ken und füh­len, weil sie es uns nicht mit­tei­len kön­nen. Die für uns mess­ba­ren Neu­ro­trans­mit­ter, Hor­mo­ne und Ner­ven­im­pul­se allei­ne sagen wenig bis nichts dar­über aus, ob und inwie­weit ein Tier sich selbst und sein Leben wirk­lich bewusst wahr­nimmt und ob bzw. inwie­weit es in ähn­li­cher Wei­se unter dem Ent­zug eines abs­trak­ten Begriffs von Lebens­glück lei­det, wie wir Menschen.

Es dürf­te kein Zufall sein, dass unse­re bild­li­chen Dar­stel­lun­gen des „Bösen” oft  klas­si­sche Merk­ma­le von Raub­tie­ren ent­hal­ten: gefletsch­te Reiß­zäh­ne, aus­ge­fah­re­ne Kral­len, glü­hen­de Schlitz­au­gen. Wir unter­stel­len also Raub­tie­ren all­zu leicht­fer­tig eine „bös­ar­ti­ge” Natur, nur weil sie ande­re Tie­re jagen und töten. Stül­pen wir ihnen aber damit nicht in unzu­läs­si­ger Wei­se mensch­li­che Wer­tungs­ka­te­go­rien über? Ähn­li­ches gilt etwa für win­seln­de Hun­de, die zuge­ge­be­ner­ma­ßen mit­leid­erre­gend aus­se­hen. Aber ist der win­seln­de Hund wirk­lich in der glei­chen Wei­se trau­rig wie wir Men­schen trau­rig sind, nur weil sein Win­seln und sei­ne Mimik bei uns ent­spre­chen­de Asso­zia­tio­nen wecken? Woher wol­len wir das wis­sen? Wie wol­len wir das objek­tiv beurteilen?

Schlach­ten oder Achten?

Was schlie­ßen wir aus alledem?

Ganz ein­fach: es spricht aus all die­sen Erwä­gun­gen her­aus vie­les dafür, dass eine art­ge­rech­te Tier­hal­tung, bei der die Tie­re selbst­ver­ständ­lich kei­nem phy­si­schen Schmerz aus­ge­setzt sind und bei der auch ihre ver­hal­tens­be­ding­ten Grund­be­dürf­nis­se berück­sich­tigt wer­den, ethisch ver­tret­bar ist. Denn es gibt gute Grün­de anzu­neh­men, dass den Tie­ren auf die­se Wei­se kein sub­jek­tiv emp­fun­de­nes Leid zuge­fügt wird. Genau die­se Ethik wür­de wohl auch jeder Vege­ta­ri­er vor­be­halts­los mit mir tei­len, denn er hat ja auch kein Pro­blem damit, Eier und Milch­pro­duk­te von art­ge­recht gehal­te­nen Tie­ren zu konsumieren.

Reden wir aber nicht län­ger um den hei­ßen Brei her­um: wenn wir unser Steak auf dem Tel­ler haben wol­len, muss das Rind­viech dran glau­ben. Punkt. Da gibt es nichts zu beschö­ni­gen. Um das Fleisch von Tie­ren zu essen oder ihre Haut als Leder zu ver­ar­bei­ten, müs­sen wir Tie­re schlicht­weg töten (es sei denn, wir war­te­ten immer erst, bis sie eines natür­li­chen Todes ster­ben und betä­tig­ten uns dann als Aas­fres­ser. Aber so läuft es nun ein­mal in der Pra­xis nicht).

Es erhebt sich also die Fra­ge, ob auch das Töten von Tie­ren im Sin­ne unse­rer hier ent­wi­ckel­ten ethi­schen Grund­sät­ze ver­tret­bar ist. Die­se Fra­ge hängt wie­der­um ent­schei­dend davon ab, ob das Schlach­ten von Tie­ren eine unzu­läs­si­ge Form der Zufü­gung von Leid dar­stellt oder nicht.

Lasst uns also zu Ver­gleichs­zwe­cken zunächst ein­mal die Grün­de reka­pi­tu­lie­ren, aus denen wir es gemein­hin (voll­kom­men zurecht) für unethisch hal­ten, unse­re Mit­men­schen zu schlach­ten. Dazu wür­de mir vor allem fol­gen­des einfallen:

  1. Das Töten eines ande­ren Men­schen ver­ur­sacht pri­mä­res Leid in Form von extre­mem Schmerz, wie er durch die für das Töten uner­läss­li­che Kör­per­ver­let­zung ver­ur­sacht wird. Zudem geht der erleb­te Tötungs­pro­zess ggf. auch mit extre­mem Leid in Form von Todes­angst einher.
  2. Mit dem Töten eines Men­schen raubt man ihm poten­zi­el­le Lebens­zeit, in der er ins­be­son­de­re Glück und Erfül­lung hät­te erfah­ren können.
  3. Der Tod eines Men­schen ruft in sei­ner sozia­len Umge­bung Trau­er und see­li­schen Schmerz über sei­nen Ver­lust hervor.
  4. Mit dem Töten eines ande­ren Men­schen ent­zieht man ihm die freie Selbst­be­stim­mung über sein Leben.

Es gibt sicher noch unzäh­li­ge ande­re gute Grün­de, aus denen wir es als höchst unethisch emp­fin­den, ande­re Men­schen zu töten. Jeden­falls gilt natür­lich auch hier der Grund­satz, dass wir unse­ren Mit­men­schen das zu erspa­ren haben, was wir an der Vor­stel­lung, getö­tet zu wer­den, als leid­voll empfinden.

Wie ist das jetzt aber mit den Tieren?

Gehen wir dazu mal die obi­gen vier Punk­te durch:

  1. Schmerz und Todes­angst:

Pas­sio­nier­te Jäger hät­ten hier wohl eine kla­re Mei­nung: ein geziel­ter Kopf­schuss im Mor­gen­grau­en und schon liegt das Reh von einem Moment auf den nächs­ten tot im Gestrüpp – und zwar noch bevor es den Schuss hören kann, mit dem es getö­tet wur­de. Für Todes­angst war defi­ni­tiv kei­ne Zeit, denn hät­te es den Jäger auch nur gewit­tert, wäre es schnel­ler weg gewe­sen, als er hät­te abdrü­cken kön­nen. Und für das Emp­fin­den von Schmer­zen dürf­te es in dem Sekun­den­bruch­teil, in dem das Tier sein Bewusst­sein durch den Ein­schlag des Pro­jek­tils ver­lo­ren hat, nicht gereicht haben.

Das klingt jetzt alles furcht­bar maka­ber und pie­täts­los. Rein „tech­nisch” betrach­tet ist es damit aber denk­bar, dass man Tie­re ohne Schmerz­er­leb­nis und ohne Todes­angst töten kann. Das ist bei den Tötungs­me­tho­den in der indus­tri­el­len Tier­hal­tung ver­mut­lich weni­ger der Fall. Aber wenn es doch so wäre, könn­te man Punkt 1 von der Lis­te der grund­sätz­li­chen Vor­be­hal­te gegen das Töten von Tie­ren streichen.

  1. Raub von poten­zi­ell glücks­er­füll­ter Lebens­zeit:

Hier wür­de ich auf mei­ne obi­gen Ein­las­sun­gen Bezug neh­men und daher zumin­dest nach­drück­lich in Fra­ge stel­len wol­len, dass Tie­re ein Kon­zept von Lebens­glück und Erfül­lung ken­nen, wel­ches dem mensch­li­chen auch nur nahe kommt. Haupt­ar­gu­ment hier­für ist wie­der­um das Feh­len der kogni­ti­ven Fähig­kei­ten, die not­wen­dig sind, um spre­chen zu kön­nen. Das Den­ken in abs­trak­ten Begrif­fen, zu denen eine Vor­stel­lung vom Ver­lauf des eige­nen Lebens zwei­fel­los gehört, ist aller Wahr­schein­lich­keit nach nicht mög­lich, wenn man nicht über ein Sprach­zen­trum ver­fügt. Unse­re mensch­li­chen Klein­kin­der machen das ein­drucks­voll vor (obwohl sie sogar über ein Sprach­zen­trum ver­fü­gen): es gibt kei­nen Anhalts­punkt dafür, dass wir einen Begriff vom Ver­lauf unse­res Lebens haben, bevor wir spre­chen kön­nen. Ver­mut­lich aus die­sem Grund haben wir auch kei­ner­lei begriff­li­che Erin­ne­run­gen an unse­re Frühkindheit.

  1. Trau­er und Ver­lust­schmerz im sozia­len Umfeld:

Ob Herin­ge oder Hüh­ner ihre Ange­hö­ri­gen ver­mis­sen, wenn sie eines Tages ein­fach nicht mehr da sind, ver­mag ich nicht qua­li­fi­ziert zu beur­tei­len. Man kann sicher bestimm­te Ver­hal­tens­wei­sen beob­ach­ten, die dar­auf hin­deu­ten, dass die Tie­re auf die dau­er­haf­te Abwe­sen­heit kon­kre­ter Art­ge­nos­sen reagie­ren. Aber ob und inwie­weit sie das als leid­voll emp­fin­den, darf zumin­dest in Fra­ge gestellt werden.

Bei Säu­ge­tie­ren könn­te das anders sein, denn es gibt alle­mal eine star­ke Bin­dung zwi­schen Mut­ter­tie­ren und ihren Nach­kom­men. Trotz­dem müs­sen wir auch hier auf­pas­sen, dass wir ihnen nicht unhin­ter­fragt unse­re eige­nen mensch­li­chen Erfah­run­gen über­stül­pen. Kann gut sein, dass eine Kuh ech­tes, bewuss­tes Unglück emp­fin­det, wenn man ihr das gera­de gebo­re­ne Kalb für immer weg­nimmt. Kann aber auch sein, dass es nicht so ist. Die Kuh kann nicht dar­über spre­chen, also kön­nen wir es nicht beur­tei­len. Und ich blei­be dabei: wer kein Sprach­zen­trum im Gehirn hat, dürf­te kaum in der Lage sein, abs­trak­te Begrif­fe wie „Fami­lie”, „Gene­ra­tio­nen” oder „Gesell­schaft” zu kennen.

Tat­sa­che ist jeden­falls, dass man mensch­li­che Säug­lin­ge durch­aus ihren Eltern weg­neh­men und sie etwa in die Obhut von Adop­tiv­el­tern geben kann, ohne dass die Säug­lin­ge erkenn­bar so dar­un­ter lei­den wür­den wie ihre erwach­se­nen Eltern. Auch hier gilt also: ohne Spra­che kei­ne abs­trak­ten Begrif­fe und ohne abs­trak­te Begrif­fe kein Leid aus Ent­zug derselben.

  1. Ein­griff in die Selbst­be­stim­mung:

Haben Tie­re ein Recht auf Selbst­be­stim­mung, das dem­je­ni­gen gleich­kommt, wie es in libe­ra­lis­ti­schen Gesell­schaf­ten für Men­schen gefor­dert wird? Zumin­dest wenn man die Tie­re in frei­er Wild­bahn beob­ach­tet, kann man das getrost ver­nei­nen. Der Gepard reißt die Anti­lo­pe, weil er Hun­ger hat. Ihr etwa­iges Recht auf freie Selbst­be­stim­mung geht ihm dabei ganz offen­sicht­lich am Aller­wer­tes­ten vorbei.

Ent­bin­det das uns Men­schen jedoch davon, den Tie­ren ein Recht auf Selbst­be­stim­mung zuzu­ge­ste­hen? Nun, Selbst­be­stim­mung erfor­dert Mün­dig­keit und die­se wie­der­um die Fähig­keit, abs­trak­te Begrif­fe wie „Gemein­schaft”, „Recht” und „Moral” zu erken­nen und nach ihnen zu han­deln. Dazu sind Tie­re auf­grund ihrer kogni­ti­ven Ein­schrän­kun­gen schlicht­weg nicht in der Lage. Sie könn­ten also gar nicht gleich­wer­ti­ger Teil einer mün­di­gen Gesell­schaft wer­den, und gera­de Her­den­tie­re sind zudem schon von ihrer natür­li­chen Ver­hal­ten­s­prä­gung her aus­ge­spro­che­ne „Mit­läu­fer”. Auch hier könn­te der Ver­gleich mit unse­ren mensch­li­chen Klein­kin­dern hel­fen: ihr Recht auf Selbst­be­stim­mung wird ihrem gesetz­li­chen Vor­mund über­tra­gen, solan­ge sie nicht einen bestimm­ten Grad an men­ta­ler Rei­fe erlangt haben. Das heißt im Klar­text, dass man sogar Klein­kin­dern von Men­schen zunächst kein Recht auf Selbst­be­stim­mung über ihr Leben zuge­steht, weil sie die dafür nöti­gen abs­trak­ten Begrif­fe nicht verstehen.

Bit­te nicht falsch ver­ste­hen: natür­lich berech­tigt uns das nicht dazu, unse­re unmün­di­gen Kin­der zu töten. Wohl aber machen wir das Recht auf Selbst­be­stim­mung von der Mün­dig­keit des betref­fen­den Indi­vi­du­ums abhän­gig, und die kön­nen wir unse­ren Tie­ren nicht in der­sel­ben Form attes­tie­ren, wie uns Menschen.

Fazit

Was heißt das jetzt für die Vor­be­hal­te gegen das Töten von Tieren?

Ich wür­de sagen, man kann es so oder auch so sehen – und damit jeden­falls nicht ein­deu­tig nur so, wie es die Vega­nis­ten sehen. Die Abfas­sung die­ses Blog-Bei­trags hat mir alle­mal dabei gehol­fen, die Fra­ge nach der ethi­schen Ver­tret­bar­keit der Nut­zung  von Tie­ren dif­fe­ren­ziert zu sehen. Ich geste­he den Vega­nis­ten vor­be­halt­los zu, dass es gute Grün­de gibt, unter durch­aus gerecht­fer­tig­ten Annah­men das Töten von Tie­ren als unethisch ein­zu­stu­fen und inso­weit abzu­leh­nen. Eben­so plau­si­bel scheint es mir aber auch zu sein, unter ver­än­der­ten – jedoch nicht weni­ger gerecht­fer­tig­ten – Annah­men die ethi­schen Vor­be­hal­te gegen das Töten von Tie­ren zu entkräften.

Die Fra­ge ist also eher, ob man hier lie­ber den vor­sich­ti­gen Ansatz fährt und inso­fern davon aus­geht, dass Tie­re eine men­schen­ähn­li­che Wahr­neh­mung ihrer Welt haben oder aber, ob man schon auf­grund des nicht vor­han­de­nen Sprach­zen­trums bei Tie­ren von einer viel schlich­te­ren Wahr­neh­mung ihrer Welt aus­ge­hen muss, in der die Vor­be­hal­te gegen das Töten von Tie­ren fol­ge­rich­tig eher auf einer Stu­fe mit den Vor­be­hal­ten gegen das Töten von Pflan­zen zu ver­or­ten wären. Denn eines ist mal klar: kein noch so fana­ti­scher Vega­nist hat auch nur das gerings­te Pro­blem damit, Pflan­zen zu töten. Und zwar, weil wir davon aus­ge­hen, dass weder ihnen noch ihren Ange­hö­ri­gen Leid oder Unrecht wider­fährt, wenn wir sie töten.

Neben­bei bemerkt: der moder­ne land­wirt­schaft­li­che Pflan­zen­an­bau kos­tet so oder so tag­täg­lich unge­zähl­ten Tie­ren das Leben – allen vor­an soge­nann­ten „Schäd­lin­gen”, die wir mas­sen­wei­se zum Tode durch Ver­gif­ten ver­ur­tei­len, um unse­re pflanz­li­che Nah­rung vor ihrem natür­li­chen Hun­ger zu schüt­zen. Hin­zu kommt, dass die aggres­si­ve Erschlie­ßung neu­er Anbau­flä­chen für unse­ren indus­tri­el­len Pflan­zen­an­bau gan­zen Tier­ar­ten ihre Lebens­grund­la­ge raubt und oft genug deren Aus­ster­ben zur Fol­ge hat. Die Illu­si­on, man kön­ne sich ernäh­ren, ohne dass Tie­re dabei drauf­ge­hen, ist also nach mei­nem Emp­fin­den ohne­hin nur Wunsch­den­ken. So betrach­tet könn­te man sogar argu­men­tie­ren, dass die Kon­su­men­ten tie­ri­schen Flei­sches in gewis­ser Wei­se ehr­li­cher sind als Vege­ta­ri­er und Vega­ner, weil sie wenigs­tens offen dazu ste­hen, dass Tie­re für ihre Ernäh­rung dran glau­ben müs­sen. Aber ja, ich weiß schon: das ist ein ganz klein Wenig pole­misch überspitzt…

Unterm Strich bleibt zu sagen, dass nach mei­ner Über­zeu­gung hier kei­ne Sei­te den Anspruch erhe­ben kann, die Wahr­heit für sich allei­ne gepach­tet zu haben. Die Fra­ge, ob Tie­ren die­sel­be Ethik wie für Men­schen oder doch eher die­sel­be Ethik wie für Pflan­zen zuteil wer­den soll­te, hängt (abge­se­hen von der Ver­mei­dung pri­mä­ren phy­si­schen Schmer­zes) über­wie­gend davon ab, ob man Tie­ren ein ähn­li­ches kogni­ti­ves Begriffs­bil­dungs­ver­mö­gen unter­stellt, wie wir Men­schen es besit­zen, oder eben nicht.

Ich per­sön­lich tra­ge Leder­schu­he und esse Fleisch von Tie­ren. Im Augen­blick kann ich mir dabei vor­be­halt­los in den Spie­gel sehen, obwohl ich zuge­ben muss, dass ich erst auf­grund des vega­nis­ti­schen Akti­vis­mus in unse­rem sozia­len Umfeld so wirk­lich ange­fan­gen habe, ernst­haft über die For­de­rung nach art­ge­rech­ter Tier­hal­tung nach­zu­den­ken. Soll­te ich mir eines Tages hin­ge­gen nicht mehr vor­be­halt­los dabei in den Spie­gel sehen kön­nen, wer­de ich mich natür­lich gleich wie­der ans Blog­gen machen und Euch aus­führ­lich die Erkennt­nis­se dar­le­gen, die mich zu die­ser neu­en Hal­tungs­än­de­rung bewo­gen haben wer­den. Stay tuned…

Alles Lie­be

Dani­el

18 Kommentare

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  • Zu den Pflanzen:
    Gefüh­le im Sin­ne von Emo­tio­nen haben Pflan­zen nicht. Rei­ze aus der Umwelt neh­men sie schon wahr, füh­len sie also qua­si und kön­nen ent­spre­chend dar­auf reagie­ren. In Erman­ge­lung eines Gehirns füh­len Pflan­zen aller­dings kei­nen Schmerz. Wenn man ihre Früch­te pflückt wach­sen immer neue und Pflan­zen müs­sen auch geschnit­ten wer­den, um wie­der zu wach­sen und zu gedeihen.
    Und selbst wenn es so wäre, 90% der Pflan­zen wer­den an die Nutz­tier­hal­tung ver­schwen­det. Und gesam­te Regen­wäl­der und der Ama­zo­nas abge­holz­te um die Tie­re zu füt­tern, damit wir sie dann essen kön­nen. In Afri­ka wür­de nie­mand mehr hun­gern, wür­de die­ses Getrei­de an Men­schen gehen anstatt an die „Nutz­tie­re“. Also wür­de man auch vie­le Pflan­zen „ret­ten“.
    Natür­lich stört es die Kuh nicht, wenn man ihr die Glo­cke weg­nimmt, weil sie eigent­lich gar kei­ne Glo­cke tra­gen soll­te. Auch das hat der Mensch ein­fach so entschieden.
    Und dass die Tie­re, nur weil sie unse­re Spra­che nicht spre­chen kön­nen kein Leid emp­fin­den, sor­ry, ist völ­li­ger Quatsch. Wir haben mit eige­nen Augen gese­hen wie die Mut­ter weint, dem klei­nen Kälb­chen hin­ter­her rennt und muht 🙁
    Selbst wenn du es anzwei­felst, allei­ne die Tat­sa­che, dass es mög­lich ist, soll­te uns davon abhal­ten das Risi­ko ein­zu­ge­hen ande­ren Wesen Leid zuzu­fü­gen. Und
    Tie­re haben auf jeden Fall ein Emp­fin­den für Lebens­qua­li­tät. Auch emp­fin­den sie sehr wohl Lebens­glück, Erfül­lung, Freu­de und Trau­er. Das wir selbst­je­der Hun­de­be­sit­zer bestä­ti­gen kön­nen, wobei ja Kühe und Schwei­ne noch intel­li­gen­ter sein sol­len und auch sehr sozia­le Wesen sind.
    Zu dem Ver­gleich mit Skla­ve­rei etc. Es geht dabei nicht um die Iden­ti­tät der Opfer, die ver­gli­chen wird son­dern um das zu was wir Men­schen fähig sind!
    Schaue dir unbe­dingt Dr. Hers­haft, Shoa Über­le­ben­der, an:
    https://youtu.be/wTh51d5oM_M

  • Lie­ber Daniel,
    zunächst vie­len Dank für Dei­nen umfang­rei­chen Arti­kel. Er zeigt, dass Dir die­ses The­ma per­sön­lich sehr wich­tig ist und Du Dir Dei­ne Gedan­ken gemacht hast. Ich gehe nun auch davon aus, dass Du den Arti­kel aus dem Grund ver­fasst hast, um vor Dir selbst und viel­leicht auch vor ande­ren, Dei­nen der­zei­ti­gen Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te mora­lisch zu rechtfertigen. 

    Eine Dei­ner grund­le­gen­den The­sen, ohne die Dei­ne Argu­men­ta­ti­ons­ket­te wohl nicht in der Form auf­recht­erhal­ten wer­den kann, ist, dass Tie­ren die Fähig­keit zur Bil­dung gedank­li­cher Kon­zep­te fehlt. Du fol­gerst dies aus der Beob­ach­tung, dass sie nicht in der Lage sind, Spra­che – wie wir sie ken­nen – bil­den und ver­ste­hen zu kön­nen. Die­se Grund­an­nah­me ist mei­ner Mei­nung nach in Fra­ge zu stel­len, er ist zutiefst anthro­po­zen­trisch, was vor allem durch den Zusatz „wie wir sie ken­nen“ deut­lich wird.

    Was ist eigent­lich Spra­che? Du sprichst vom „Sprach­zen­trum“, wel­ches nur der Spe­zi­es Mensch inne­woh­nen soll. Die moder­ne Kogni­ti­ons­bio­lo­gie zeigt heu­te jedoch ein­deu­tig, dass kogni­ti­ve Sprach­vor­aus­set­zun­gen nicht in einem „Zen­trum“, son­dern in ver­schie­de­nen trenn­ba­ren Kom­po­nen­ten behei­ma­tet sind. Fol­gen­de Vor­aus­set­zun­gen für Spra­che, also eine mehr oder weni­ger kom­ple­xe Form der Kom­mu­ni­ka­ti­on und kei­nes­falls beschränkt auf Spra­che „wie wir sie (bei Men­schen) ken­nen“, sind u.a. zu nen­nen: Sozia­le Intel­li­genz, Imi­ta­ti­on, Erken­nung von Blick­kon­takt sowie die Fähig­keit eine Annah­me in Bewusst­seins­vor­gän­gen in ande­ren Indi­vi­du­en vor­zu­neh­men (die sog. Theo­ry of Mind, TOM). Falls Du Dich hier­mit näher beschäf­ti­gen möch­test, emp­feh­le ich fol­gen­den Arti­kel: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0896627310001820

    Die­se Vor­aus­set­zun­gen und zum Teil kom­ple­xe Spra­chen mit eige­ner Syn­thax, eige­nen Wor­ten – bei­spiels­wei­se situa­tiv wech­seln­den Alarm­ru­fen – fin­den sich kei­nes­wegs nur in Men­schen, son­dern in ver­schie­dens­ten Spe­zi­es: Pri­ma­ten, Vögeln, Nagetieren…um nur eini­ge zu nen­nen (Pflan­zen sind übri­gens nicht dabei). Schwei­ne, eine der am schreck­lichs­ten behan­del­ten Tie­re auf unse­rem Pla­ne­ten, sind in der Lage sich im Spie­gel zu erken­nen und besit­zen die Fähig­keit sich mit­tels Spra­che zu ver­stän­di­gen (mehr als 20 Lau­te konn­ten von Wis­sen­schaft­lern bereits iden­ti­fi­ziert wer­den und sie hören auf „Namen“).

    Was ich damit vor allem sagen will ist fol­gen­des: Wir kön­nen nicht von UNSERER Fähig­keit eine bestimm­te Spra­che zu ver­ste­hen oder als „uns bekannt“ ein­zu­ord­nen dar­auf rück­schlie­ßen, ob es sich um eine Form der Kom­mu­ni­ka­ti­on / Spra­che han­delt. Noch weni­ger kön­nen wir dar­auf zurück­schlie­ßen, was dies für die Bil­dung gedank­li­cher Kon­zep­te bedeu­tet. Die Khois­an­spra­chen im süd­li­chen Afri­ka beru­hen auf Klick­lau­ten, eine für mich ganz und gar „unbe­kann­te“ Art der Kom­mu­ni­ka­ti­on, jedoch wür­de ich aus mei­ner Unfä­hig­keit die­se Spra­che zu ver­ste­hen nie­mals rück­schlie­ßen, dass die­se Men­schen in irgend­ei­ner Form mora­lisch weni­ger berück­sich­tigt wer­den sollten.

    Hier liegt genau der Knack­punkt: Es gibt nicht „DEN“ Unter­schied zwi­schen allen Men­schen und allen nicht-mensch­li­chen Tie­ren. Die­se eine Fähig­keit, die alle Men­schen besit­zen und kein ein­zi­ges nicht-mensch­li­ches Tier. Ganz sicher nicht die Spra­che und auch sonst lässt sich die­se Fähig­keit nicht fin­den. Am Ende kommt es immer wie­der auf rei­nen Spe­zie­sis­mus zurück. Das von Dir genann­te Klein­kind hat zwar kei­ne höher ent­wi­ckel­ten kogni­ti­ven Fähig­kei­ten als ein Schwein, den­noch erfährt es eine signi­fi­kant umfang­rei­che­re mora­li­sche Berück­sich­ti­gung, ein­fach weil es zur Spe­zi­es Mensch gehört. Ein Schwein besitzt auch höher ent­wi­ckel­te kogni­ti­ve Fähig­kei­ten als ein Hund, den­noch berück­sich­ti­gen wir in der west­li­chen Welt die Bedürf­nis­se von Hun­den wesent­lich umfang­rei­cher als die von Schwei­nen. Egal wel­che Fähig­keit oder Eigen­schaft wir her­aus­pi­cken: Es wird immer irgend­ei­nen Men­schen geben, der irgend­ei­nem Tier in die­ser Fähig­keit unter­le­gen ist oder die­se Eigen­schaft in gerin­ge­rer Aus­prä­gung vor­zu­wei­sen hat und den­noch berück­sich­ti­gen wir die Bedürf­nis­se des Men­schen signi­fi­kant umfangreicher.

    Wir müs­sen end­lich auf­hö­ren die Welt nur aus unse­rem Blick­win­kel zu sehen. Für jedes Tier ist die eige­ne Form der Wahr­neh­mung die ein­zig rea­le und „umfang­reichs­te“. Du sprichst davon, dass eine nicht men­schen­ähn­li­che Wahr­neh­mung „schlich­ter“ sei und das Töten von Tie­ren daher „fol­ge­rich­tig“ eher auf einer Stu­fe mit dem Töten von Pflan­zen zu sehen sei. Nicht nur, dass Du hier unzäh­li­ge Nuan­cen ver­schie­de­ner For­men der Wahr­neh­mung ein­fach igno­rierst, Du degra­dierst hier­bei ALLE ande­ren For­men der Wahr­neh­mung, außer die „mensch­li­che“ zu nicht vor­han­den. Was ist denn die „mensch­li­che Wahr­neh­mung“? Hat ein von Geburt an taub­stum­mer Mensch die glei­che Wahr­neh­mung wie ein von Geburt an blin­der Mensch? Haben bei­de Grup­pen die glei­che Form der Wahr­neh­mung wie ein geis­tig behin­der­ter Mensch oder ein demen­ter Mensch? Neh­men wir mal an ein Mensch ist von Geburt an taub­stumm UND blind…er wird kaum eine Spra­che ler­nen kön­nen und den­noch wird er kom­mu­ni­zie­ren, Zunei­gung und Nähe emp­fin­den, Schmerz emp­fin­den, Freu­de an bestimm­ten Tätig­kei­ten haben, sich viel­leicht sogar lie­be­voll um sei­nen Nach­wuchs küm­mern. Trau­er um den Ver­lust eines gelieb­ten Gefähr­ten ver­spü­ren, Angst haben…all das ist abso­lut unab­hän­gig von Spra­chen oder „men­schen­ähn­li­cher Wahrnehmung“. 

    Nur weil wir die Bedürf­nis­se, Gefüh­le und Wahr­neh­mung ande­rer Spe­zi­es viel­leicht nicht nach­voll­zie­hen kön­nen (bzw. wol­len) oder deren Spra­che nicht ver­ste­hen kön­nen (bzw. wol­len), sind sie für das Indi­vi­du­um nicht weni­ger real oder weni­ger wich­tig. Für die mora­li­sche Berück­sich­ti­gung ist es uner­heb­lich, wel­chen Wert ein Leben für ANDERE hat, son­dern aus­schließ­lich wel­chen Wert die­ses Leben für das INDIVIDUUM hat.

    Ich bin mir sicher, dass wir im Grun­de die­sel­ben Wer­te tei­len, daher habe ich mir auch recht viel Zeit genom­men, eini­ge Dei­ner Punk­te auf­zu­grei­fen und zu hin­ter­fra­gen. Längst konn­te ich nicht alles adres­sie­ren, aber wenn Du möch­test, kön­nen wir das ger­ne in einem per­sön­li­chen Gespräch nach­ho­len. Sehr ger­ne möch­te ich Dich daher zu einem unse­rer Events, den sog. Cube of Truth ein­la­den. Wir sind 4x im Monat an ver­schie­de­nen Plät­zen in Frank­furt und Du bist immer willkommen.

    Lie­be Grüße
    Christoph

    • Lie­ber Christoph,

      vie­len Dank für Dei­nen eben­so umfang­rei­chen wie gedan­ken­vol­len Kom­men­tar. Genau­so habe ich mir das gewünscht: eine ernst­haf­te, sach­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit den Über­le­gun­gen, die ich in mei­nem Bei­trag ange­stellt habe, anstatt eines simp­len Kol­por­tie­rens welt­an­schau­li­cher Überzeugungen.

      Nein, ich habe den Bei­trag nicht ver­fasst, um mich für irgend­et­was zu recht­fer­ti­gen. Ich habe ihn vor allem ver­fasst, weil mei­ne Fami­lie, fast alle mei­ne Freun­de und fast alle mei­ne Bekann­ten pau­schal von Sei­ten manch mili­tan­ten Vega­nis­tens öffent­lich für ihr natur­ge­ge­be­nes Ess­ver­hal­ten als Gewalt­ver­bre­cher und sogar als Mör­der auf dem Niveau von Nazi­schär­gen dif­fa­miert wer­den. So etwas kann und will ich nicht unkom­men­tiert las­sen. Ich ver­ste­he nicht, wie­so man sei­ne vega­nen Über­zeu­gun­gen nicht mit eben jener Fried­fer­tig­keit und Ach­tung vor sei­nen Mit­men­schen ver­tre­ten kann, die man von genau die­sen Mit­men­schen gegen­über Tie­ren einfordert.

      Nach ers­ten Über­le­gun­gen bin ich dabei zur Fra­ge gelangt, auf wel­cher Basis man auf die Idee kom­men kann, Tier­hal­tung und ‑schlach­tung mit Gewalt­ver­bre­chen gegen Men­schen gleich­zu­set­zen. Das wie­der­um hat mich zu der Fra­ge geführt, wel­che ethi­schen Prin­zi­pi­en bei der Bewer­tung von Ver­ge­hen gegen Men­schen zum Tra­gen kom­men und ob die­sel­ben Prin­zi­pi­en – wie von den vega­nis­ti­schen Anklä­gern unter­stellt – auch auf Tie­re anwend­bar sind.

      Dabei bin ich auf ein paar Ein­sich­ten gesto­ßen, wie zum Bei­spiel die­je­ni­ge, dass wir unser eige­nes Über­le­ben so oder so nur durch die Nah­rungs­auf­nah­me auf Kos­ten ande­rer Lebe­we­sen sichern kön­nen. Jeden­falls sind mir noch kei­ne Ver­fah­ren bekannt, wie man unse­ren Ernäh­rungs­be­darf direkt aus anor­ga­ni­schen Sub­stan­zen decken kann. Das kommt aber viel­leicht noch, wenn sich irgend­wann eine „anor­ga­nis­ti­sche“ Bewe­gung for­miert, die selbst ein­ge­fleisch­te Vega­ner (die­se For­mu­lie­rung las­se ich mir paten­tie­ren…) kri­mi­na­li­siert, weil sie ego­is­ti­scher Wei­se ton­nen­wei­se Pflan­zen töten, um ihr eige­nes Leben zu erhalten.

      Dass wir also ande­re Lebe­we­sen töten, um uns selbst zu ernäh­ren, ist damit erst ein­mal Com­mon Sen­se, den wir alle klag­los hin­neh­men. Bleibt die Fra­ge, ob und inwie­weit die­ses Töten auf einer Stu­fe mit ver­gleich­ba­ren Gewalt­ver­bre­chen an Men­schen zu sehen ist. Bei Pflan­zen wür­den wir wohl alle sagen: nein, denn sie lei­den ja nicht, wenn wir ihnen die Früch­te weg­neh­men, wenn wir sie zer­rei­ßen, zer­mal­men, kochen, häck­seln, mah­len oder was auch immer. Jeden­falls glau­ben wir, gute Grün­de zu haben, von genau die­sem Umstand aus­ge­hen zu dür­fen. Der Ver­weis dar­auf, dass es ihnen an Hirn und Ner­ven man­gelt, kam ja sogar von beru­fe­ner Sei­te als Kom­men­tar zu mei­nem Beitrag.

      Ich will das auch gar nicht in Abre­de stel­len. Natür­lich glau­be ich auch nicht, dass Pflan­zen irgend­ein Pro­blem damit haben, was wir alles mit ihnen machen, um sie für uns als Nah­rung zu ver­wen­den. Aber am Ende ist und bleibt es eine Fra­ge des Glau­bens. Ich gebe unum­wun­den zu, dass all jenes, was wir an sach­li­chen Argu­men­ten auf­brin­gen kön­nen, sicher­lich vehe­ment gegen die Annah­me spricht, Pflan­zen wür­den unter unse­ren all­täg­li­chen Ver­stüm­me­lungs­maß­nah­men leiden.

      Die Fra­ge ist aller­dings: woher wis­sen wir, dass das nicht auch bei Tie­ren so ist. Daher habe ich ange­fan­gen, mir über das Gedan­ken zu machen, was wir über das Leid von Tie­ren objek­tiv wis­sen kön­nen und das, was wir auf­grund unse­rer mög­li­cher­wei­se all­zu ver­mensch­li­chen­den Empa­thie in die Äuße­run­gen von Tie­ren hin­ein­in­ter­pre­tie­ren. Ja, ich weiß: man kann Ner­ven­im­pul­se, die Aus­schüt­tun­gen von Neu­ro­trans­mit­tern, Hor­mon­spie­gel, Gehirn­ak­ti­vi­tä­ten und vie­les mehr bei Tie­ren mes­sen und sie mit den ent­spre­chen­den Vor­gän­gen bei Men­schen ver­glei­chen. Aber auch das beant­wor­tet nicht die Fra­ge, was das Tier wirk­lich sub­jek­tiv dabei erlebt, denn das könn­te uns nur das Tier selbst erzählen.

      Dass Tie­re brül­len, schrei­en, quie­ken oder win­seln mag für uns Men­schen mit­leid­s­er­re­gend klin­gen, weil wir es mit ent­spre­chen­den Äuße­run­gen von Men­schen gleich­set­zen und dem Tier unter­stel­len, die Äuße­rung geht bei ihm mit dem­sel­ben Erle­ben ein­her, wie wir es hät­ten, wenn wir uns ent­spre­chend äußern wür­den. Aber woher wol­len wir das so genau wis­sen? Wir Men­schen kön­nen uns gegen­sei­tig unse­re Emp­fin­dun­gen beschrie­ben, weil wir dafür Begrif­fe bil­den kön­nen, die wir auf ver­schie­de­nen Wegen kom­mu­ni­zie­ren kön­nen: Schrift, Ges­ten, Ver­ba­li­sie­rung. Von Tie­ren sind mir der­ar­ti­ge Fähig­kei­ten nicht bekannt (bei Pri­ma­ten muss man das sicher etwas dif­fe­ren­zier­ter sehen, aber die essen wir ja auch nicht – also ich jeden­falls nicht und auch kei­ner, den ich kenne).

      Das alles hat mich zu der Fra­ge geführt, inwie­weit wir anneh­men kön­nen oder viel­leicht auch müs­sen, dass Tie­re sich und ihre Umwelt in einer Wei­se wahr­neh­men, die mit uns Men­schen ver­gleich­bar ist. Damit mei­ne ich also nicht Pri­mär­emp­fin­dun­gen wie Hun­ger, Durst, Sexu­al­trieb und phy­si­sche Schmer­zen, son­dern Emp­fin­dun­gen, die auf dem Abgleich der momen­ta­nen Situa­ti­on mit einer kogni­ti­ven Vor­stel­lung von einer wün­schens­wer­ten Situa­ti­on beru­hen. Haben Tie­re einen Begriff von Frei­heit? Haben Tie­re einen Begriff von Fami­li­en­zu­ge­hö­rig­keit? Haben Tie­re ein Gewis­sen? Machen sich Tie­re Vor­wür­fe, wenn sie panisch vor dem angrei­fen­den Wolf davon­lau­fen und dabei ver­se­hent­lich ein Men­schen­kind zu Tode tram­peln? Kön­nen Tie­re lie­ben und/oder hassen?

      All das sind Fra­gen, die für mich maß­ge­bend dafür sind, ob man anneh­men muss, dass Tie­re unter Situa­tio­nen lei­den, unter den wir Men­schen lei­den wür­den. Also etwa: Frei­heits­ent­zug, Tren­nung von Ange­hö­ri­gen, Selbst­vor­wür­fe wegen mora­li­schen Ver­sa­gens, Abwei­sung und Aus­gren­zung durch ande­re Tie­re. Setzt die­se Form des Lei­dens nicht ein Maß an Abs­trak­ti­ons­fä­hig­keit vor­aus, für des­sen Vor­han­den­sein den Tie­ren die nöti­ge kogni­ti­ve Leis­tungs­fä­hig­keit ihrer Gehir­ne fehlt?

      Mei­ne Über­le­gun­gen haben mich dann zu den ver­schie­de­nen Ent­wick­lungs­sta­di­en geführt, die wir Men­schen im Lau­fe unse­res Lebens durch­ma­chen. Sie wei­sen ja bekann­ter­ma­ßen erstaun­li­che Ähn­lich­kei­ten mit dem Ver­lauf der Evo­lu­ti­ons­ge­schich­te auf: erst Ein­zeller, dann fisch­ar­ti­ges Wesen mit Kie­men, dann lur­ch­en­ar­ti­ges Wesen bis hin zum Säug­ling, der erst kriecht, dann auf allen Vie­ren unter­wegs ist und schließ­lich zum Zwei­bei­ner wird. Man kann also mal anneh­men, dass auch die kogni­ti­ve Ent­wick­lung eines Men­schen die Evo­lu­ti­ons­sta­di­en im Schnell­durch­lauf wie­der­gibt. Unter die­ser Betrach­tungs­wei­se wären Tie­re also auf einem kogni­ti­ven Level zu sehen, der unse­ren Kin­dern in den ers­ten ein bis zwei Lebens­jah­ren entspricht. 

      Also habe ich mir Gedan­ken dar­über gemacht, wie unse­re Kleinst­kin­der in betref­fen­dem Alter ihre Welt so wahr­neh­men. Die Tat­sa­che, dass wir einen Hau­fen Erzie­hungs­ar­beit leis­ten müs­sen, um ihnen müh­sam bei­zu­brin­gen, auf ande­re Men­schen Rück­sicht zu neh­men, sich ins sozia­le Gefü­ge ein­zu­fin­den und ihre Pri­mär­be­dürf­nis­se auch mal hin­ten­an zu stel­len – das alles deu­tet für mich dar­auf hin, dass wir in die­sem früh­kind­li­chen Sta­di­um kei­ne Vor­stel­lung von all die­sen sozia­len Aspek­ten haben. Es kann sich ja auch nie­mand von uns begriff­lich an irgend­et­was erin­nern, was er in den ent­spre­chen­den Jah­ren erlebt hat. Das dürf­te damit zusam­men­hän­gen, dass wir die­se Erleb­nis­se in der Früh­kind­heit nicht begriff­lich benen­nen konn­ten (und damit auch nicht gedank­lich) und sie somit kei­ne Bedeu­tungs­re­le­vanz für uns hatten. 

      Und all das hat mich dann zu der Fra­ge geführt, ob es nicht sein kann, dass auch Tie­re ihre Welt nicht sehr viel anders erle­ben als unse­re Klein­kin­der. Und wenn dem so wäre, kann schwer­lich davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass sie unter den oben­ge­nann­ten Sekun­där­emp­fin­dun­gen lei­den wür­den, weil sie kei­nen Begriff von den zuge­hö­ri­gen Refe­renz­si­tua­tio­nen haben. Dann wäre das Leid von Tie­ren weit­ge­hend auf die oben­ge­nann­ten Pri­mär­emp­fin­dun­gen beschränkt. Und wenn wir ihnen die Quel­len für pri­mä­res Leid neh­men könn­ten, wür­den sie unter all­dem, was wir ihnen antun, um sie zu essen, prak­tisch nicht mehr lei­den, als es unse­re Pflan­zen tun. Dann kann man mit der­sel­ben Logik das Essen von Tie­ren als unpro­ble­ma­tisch betrach­ten, mit der man das Essen von Pflan­zen bereit­wil­lig als unpro­ble­ma­tisch betrachtet.

      Das war alles, wor­auf ich hin­wei­sen woll­te. Die rei­ße­ri­schen Bil­der und Vide­os von Tier­ver­stüm­me­lun­gen und ‑miss­hand­lun­gen, mit denen die vega­nis­ti­sche Mis­si­on so ger­ne betrie­ben wird, haben nur so viel Aus­sa­ge­kraft wie unse­re Sicher­heit dar­über, dass Tie­re all jene Hand­lun­gen als eben­so leid­voll emp­fin­den, wie wir Men­schen es tun wür­den – mal ganz abge­se­hen davon, dass ich eine tief­grün­den­de Skep­sis gegen­über pro­pa­gan­dis­tisch ein­ge­setz­tem Medi­en­ma­te­ri­al habe. Wir ken­nen genü­gend Repor­ta­gen über per­fi­de Zusam­men­schnit­te von Situa­tio­nen, die nichts mit­ein­an­der zu tun haben. Kaum etwas kann unse­re Emo­tio­nen so in Wal­lung brin­gen wie Bil­der und Vide­os und daher bin ich gegen­über kaum etwas so miss­trau­isch, wie gegen­über dem pro­pa­gan­dis­ti­schen Ein­satz die­ser Medien. 

      Ob man das Essen von Tie­ren für rich­tig hält oder nicht, muss am Ende jeder für sich ent­schei­den. Ich hat­te nur das Bedürf­nis, mög­lichst sach­lich und ent­spre­chend emo­ti­ons­los dar­zu­le­gen, wel­che Fra­ge­stel­lun­gen für die­se Ent­schei­dung maß­ge­bend sein kön­nen und viel­leicht auch sollten.

      In einem Punkt muss ich Dir vehe­ment wider­spre­chen: wir Men­schen kön­nen die Welt gera­de nur aus unse­rem Blick­win­kel sehen. Mein Cre­do ist ja gera­de, dass es denk­ge­setz­lich unmög­lich ist, die Welt aus dem Blick­win­kel eines nicht­mensch­li­chen Wesens zu sehen. Wir kön­nen ja nicht ein­mal erah­nen, wie etwa ein schwer demenz­kran­ker Mensch sei­ne Welt wahr­nimmt. Wie­viel weni­ger kön­nen wir ermes­sen, wie ein Tier, eine Pflan­ze und viel­leicht sogar ein leb­lo­ser Gegen­stand die Welt sieht? Und ob ein Indi­vi­du­um, das sich uns dies­be­züg­lich nicht ver­ständ­lich machen kann, über­haupt irgend­et­was als real emp­fin­det, kön­nen wir dem­nach auch nicht wis­sen. Wir kön­nen Welt­sich­ten nur auf Basis von Kom­mu­ni­ka­ti­on aus­tau­schen. Wer kei­ne Spra­che hat, kann uns nicht sagen, wie er die Welt sieht. Und er kann uns auch nicht sagen, wel­chen Wert sein Leben für ihn hat. Wenn man Dei­ne Logik zu Ende denkt, dürf­te man näm­lich auf kei­nen Fall Pflan­zen ver­stüm­meln und töten, denn wie könn­ten wir uns dann anma­ßen zu beur­tei­len, wel­chen Wert die Pflan­ze ihrem Leben beimisst? 

      Nein, lie­ber Chris­toph, da wer­den wir uns zumin­dest auf abseh­ba­re Zeit im Reich der Spe­ku­la­ti­on bewe­gen und die­ses eig­net sich nur sehr ein­ge­schränkt für die Bestim­mung unse­rer ethi­schen Grund­sät­ze. Wir sind es, die die Ver­ant­wor­tung für die­se Welt an sich gezo­gen haben und daher sind wir es auch, die sich über die dafür ange­mes­se­nen ethi­schen Maß­stä­be Gedan­ken machen müs­sen. Grund­la­ge dafür kann mei­nes Erach­tens nur sein, wie wir selbst die Din­ge wahr­neh­men und beur­tei­len, denn alles ande­re kön­nen wir schlicht nicht wissen. 

      Alles Lie­be

      Dani­el

    • Lie­ber Daniel, 

      (hier­mit gehe ich auf dei­nen ers­ten Kom­men­tar auf Chris­tophs Kom­men­tar ein, nicht auf den gesam­ten Blogpost.) 

      ich wür­de Dir zunächst ein­mal ger­ne erklä­ren, war­um „man sei­ne vega­nen Über­zeu­gun­gen nicht mit eben jener Fried­fer­tig­keit und Ach­tung vor sei­nen Mit­men­schen ver­tre­ten kann, die man von genau die­sen Mit­men­schen gegen­über Tie­ren einfordert.“
      Ich stre­be nicht an, dich per­sön­lich davon zu über­zeu­gen, son­dern möch­te Dir nur hel­fen, die­ses Ver­hal­ten aus einer ande­ren Per­spek­ti­ve zu ver­ste­hen und daher bes­ser nach­voll­zie­hen zu kön­nen. Ob du den Über­zeu­gun­gen der ande­ren Par­tei zustimmst oder nicht, ist dabei völ­lig irrele­vant, da deren Ver­hal­tens­mo­ti­ve nun­mal in eben die­ser Über­zeu­gung wur­zeln, sei die­se wahr oder nicht.
      Die meis­ten vega­nen Men­schen sind voll­kom­men davon über­zeugt, dass Tie­re im sel­ben Aus­maß lei­den kön­nen, wie wir Men­schen. Und, dass die­ses Lei­den der Tie­re völ­lig unge­recht­fer­tigt und unnö­tig ist, da es der Umwelt wie auch unse­rer Gesund­heit scha­det. Vega­ne Men­schen for­dern von ihren Mit­men­schen nicht mehr und nicht weni­ger, als Tie­ren mit Mit­ge­fühl und Wert­schät­zung gegen­über zu tre­ten und auf­zu­hö­ren, sie in irgend­ei­ner Art und Wei­se aus­zu­beu­ten – Sie also weder zu schlach­ten, zu ver­let­zen, ein­zu­sper­ren, zu essen, zu tra­gen, und so wei­ter. Ich wür­de so weit gehen, zu behaup­ten, dass die meis­ten vega­nen Men­schen die­se Über­zeu­gun­gen auch vor ihren Mit­men­schen ver­tre­ten und die­se weder schlach­ten, noch häuten.
      Wir for­dern Empa­thie und – da stim­me ich dir zu – Empa­thie ist meis­tens der rich­ti­ge Weg dort­hin. Auf die­ser Annah­me bau­en bei­spiels­wei­se die soge­nann­ten „Cube of Truths“ auf, die Chris­toph bereits erwähnt hat. Dort zei­gen wir Auf­nah­men mit Stan­dard­prak­ti­ken in ver­schie­dens­ten Nutz­tier­in­dus­trien und füh­ren respekt­vol­le Unter­hal­tun­gen mit Men­schen, die emo­tio­nal reagie­ren oder inter­es­siert sind. Und die meis­ten von uns sind sehr ver­ständ­nis­voll, da nie­mand von uns vegan gebo­ren wur­de, und wir – unwis­sent­lich – genau die glei­chen Ent­schei­dun­gen getrof­fen haben, wie die­se Pas­san­ten es zu die­sem Zeit­punkt noch tun. Wo das Ver­ständ­nis jedoch meis­tens auf­hört, ist, wenn Men­schen sich über das gesam­te Spek­trum der Idee des Vega­nis­mus bewusst, über alle ethi­schen, gesund­heit­li­chen und öko­lo­gi­schen Beweg­grün­de auf­ge­klärt sind, theo­re­tisch die Res­sour­cen und Mög­lich­kei­ten besit­zen, um vegan zu leben, und sich trotz­dem bewusst dage­gen entscheiden.
      Für uns wirkt das so, als stün­de jemand vor einem Tisch, auf dem ein Obst­korb und ein jun­ges Küken ste­hen, und obwohl man sich einen Apfel neh­men und satt wer­den könn­te, schlitzt man dem Küken die Keh­le durch. Sol­che Ent­schei­dun­gen und Hand­lun­gen kom­men uns völ­lig irra­tio­nal, bru­tal und unge­recht­fer­tigt vor und wider­spre­chen tief­lie­gen­den Wer­ten. Und natür­lich wird man dann selbst schnell emo­tio­nal und irra­tio­nal. Jeder von uns denkt jeden Abend vor dem Ein­schla­fen an die Mil­lio­nen Tie­re die an die­sem Tag lei­den und ster­ben muss­ten – Und die Men­schen, die uns wich­tig sind, neh­men an die­sem Blut­bad teil. Wir den­ken an die Mil­lio­nen Men­schen, die jähr­lich an Herz­krank­hei­ten ster­ben, obwohl die meis­ten von ihnen nach­weis­lich mit einer Ernäh­rungs­um­stel­lung hät­ten geret­tet wer­den kön­nen. Wir den­ken an das Kli­ma, den Regen­wald, die hun­gern­den Kin­der, die Nah­rung anbau­en, die dann an unse­re Nutz­tie­re ver­füt­tert wird.
      Ist es wirk­lich so schwer nach­zu­voll­zie­hen, dass man da emo­tio­nal wird und ande­re so schnell wie mög­lich auf­klä­ren möch­te? Es geht um Mil­li­ar­den an Leben, es geht um die Zukunft des Pla­ne­ten und es ist – wie gesagt – egal, ob Du zustimmst oder nicht, denn für uns fühlt es sich so an. Wir wünsch­ten nichts mehr, als dass wir all die­se Din­ge frü­her erfah­ren hät­ten, weil die eige­nen Schuld­ge­füh­le uner­träg­lich sind. Natür­lich hof­fen wir also, ande­ren Men­schen die­se Gewis­sens­bis­se zu ersparen.
      Wir haben her­aus­ge­fun­den, dass wir jah­re­lang unse­ren Wer­ten völ­lig ent­ge­gen­ge­setzt gelebt haben und müs­sen zusätz­lich noch fest­stel­len, dass gera­de die Men­schen, die unse­re fun­da­men­tals­ten Wer­te tei­len soll­ten, nicht mit dem­sel­ben Ent­set­zen auf all das reagie­ren, das unser Leben so nach­hal­tig geprägt hat. Wenn wir unse­re Freun­de sehen, wie sie Tie­re essen, sehen wir jeman­den auf ein leben­di­ges Tier ein­ste­chen, sehen wir Sägen auf Regen­wäl­der zulau­fen und sehen Cho­le­ste­rin und Fet­te auf ihrem Weg zu den Arte­ri­en – Natür­lich grei­fen wir ein! Natür­lich wol­len wir dazwi­schen gehen!
      Es tut mir leid, dass du dich davon so gestört und ange­grif­fen fühlst, aber wenn du unse­re Per­spek­ti­ve ver­suchst ein­zu­neh­men, ist unser Ver­hal­ten und Han­deln sicher rela­tiv nachvollziehbar! 

      „(…) zur Fra­ge gelangt, auf wel­cher Basis man auf die Idee kom­men kann, Tier­hal­tung und ‑schlach­tung mit Gewalt­ver­bre­chen gegen Men­schen gleichzusetzen.“
      Ver­glei­chen und Gleich­set­zung ist nicht das Gleiche!
      Aber die Idee, dass Gewalt­ver­bre­chen an Tie­ren mit Gewalt­ver­bre­chen an Men­schen zu ver­glei­chen ist, stammt nicht vom Vega­nis­mus. Es ist ein aner­kann­tes ers­tes Zei­chen von Psy­cho­pa­thie, wenn man im Kin­des- oder Jugend­al­ter Tie­re quält oder tötet, da Gewalt zu Tie­ren oft zu Gewalt gegen­über Men­schen führt! Es gibt zahl­rei­che Stu­di­en, die zei­gen, dass regel­mä­ßi­ge Gewalt gegen­über Tie­ren auch zu mensch­li­cher Gewalt führt. Und, dass Schlacht­häu­ser sogar die Kri­mi­na­li­täts­ra­te in der gesam­ten Umge­bung sta­tis­tisch rele­vant erhö­hen, dass Schlacht­haus-Arbei­ter gewalt­tä­tig gegen­über deren Fami­li­en wer­den und post­trau­ma­ti­sche Belas­tungs­stö­run­gen entwickeln.
      Man kam auf die Idee, Tier­hal­tung und Gewalt­ver­bre­chen gegen Men­schen zu ver­glei­chen, da der Holo­caust bei­spiels­wei­se von ehe­ma­li­gen Schlach­tern und dem Lei­ter eines Schlacht­hau­ses orga­ni­siert und durch­ge­führt wur­de und die­sel­ben Prak­ti­ken und Metho­den ange­wandt wur­den. Das Argu­ment ist also, dass die Men­schen in die­sem Kon­text so behan­delt wur­den wie die Tie­re – Nicht anders her­um, dass Tie­re heut­zu­ta­ge so behan­delt wer­den, wie die Men­schen damals. Aber nicht jeder Vega­ner befür­wor­tet den Holocaust-Vergleich.
      Die Ver­glei­che kom­men auch daher, dass grund­sätz­lich die sel­ben Recht­fer­ti­gun­gen vorliegen.
      War­um ver­ge­wal­ti­gen man­che Menschen?
      Weil es ihnen Ver­gnü­gen bringt, sie mögen es einfach.
      War­um essen man­che Men­schen Fleisch?
      Weil es ihnen Ver­gnü­gen bringt, sie mögen es einfach.
      War­um haben wir dun­kel­häu­ti­ge Men­schen versklavt?
      „Sie sind düm­mer als wir und weni­ger Wert, da sie einer uns unter­le­ge­nen Ras­se angehören!“
      War­um beu­ten wir nicht-mensch­li­che Tie­re aus und nut­zen sie?
      „Sie sind düm­mer als wir und weni­ger wert, da sie einer uns unter­le­ge­nen Spe­zi­es angehören.“
      War­um haben wir an behin­der­ten Men­schen experimentiert?
      „Sie kön­nen doch weder den­ken, noch fühlen!“
      War­um expe­ri­men­tie­ren wir an nicht-mensch­li­chen Tieren?
      „Sie kön­nen doch weder den­ken, noch fühlen!“
      Die­se Über­le­gun­gen set­zen Tier­hal­tung nicht mit mensch­li­cher Ver­ge­wal­ti­gung und Ver­skla­vung gleich, bie­ten jedoch eine Basis zum Ver­glei­chen, da eine Varia­ble – die Recht­fer­ti­gung – die­sel­be ist. 

      „Die Fra­ge ist aller­dings: woher wis­sen wir, dass das nicht auch bei Tie­ren so ist.“
      Wir wis­sen es nicht. Und wir wer­den es nie wis­sen. Genau­so wenig, wie Du jemals wis­sen wirst, ob ich wirk­lich lei­den kann, oder ob mein Über­le­bens­in­stinkt nur Impul­se aus­übt ohne, dass mei­ne See­le fühlt. Genau­so wenig, wie wir je wis­sen wer­den, was Gefüh­le und Lei­den eigent­lich sind, ob wir wirk­lich tief­grün­dig emp­fin­den kön­nen und wo all das kommt. Dar­über zu dis­ku­tie­ren ist ein­fach unsin­nig. Im Lau­fe der Zeit sind wir aber letzt­end­lich immer zu dem Schluss gekom­men, dass alles mit einem Gesicht und einer Mut­ter genau­so lei­det, wie wir es selbst zu tun schei­nen. Wis­sen wer­den wir es nie. Aber wis­sen­schaft­lich gese­hen spricht alles dafür.
      Wir haben genau­so ein zen­tra­les Ner­ven­sys­tem, ein Gehirn und Hor­mon­aus­schüt­tun­gen und könn­ten theo­re­tisch genau­so nicht wirk­lich lei­den, son­dern nur ein lee­rer Kör­per mit Impul­sen und Instink­ten sein. Da aber bei uns alles bio­lo­gi­sche und che­mi­sche zu wahr­ge­nom­me­nem Leid führt, ist anzu­neh­men, dass Tie­re, die in die­sem Kon­text den exakt sel­ben bio­lo­gi­schen und che­mi­schen Mecha­nis­men unter­lie­gen, das Leid genau­so wahr­neh­men, wie wir es tun.
      Es tut mir leid, aber das zu bestrei­ten grenzt für mich an Krank­haf­tig­keit und ist eine Über­zeu­gung, die dazu geführt hat, dass ver­schie­dens­te, unschul­di­ge und lei­dens­fä­hi­ge Indi­vi­du­en (Frau­en, behin­der­te und schwar­ze Men­schen, Kin­der, …) jahr­hun­der­te­lang unter­drückt und miss­han­delt wur­den. Nie­mand hat das Recht, die Lei­dens­fä­hig­keit ande­rer infra­ge zu stel­len. Und nicht-mensch­li­che Tie­re sind sol­che ande­re, denn wir sind auch Tie­re!! Wir sind kei­ne Pflan­zen. Wir sind Tiere.
      Wir wis­sen nicht, ob Tie­re viel­leicht gar nicht lei­den kön­nen. Aber, wir kön­nen auch nicht sicher sein, ob sie viel­leicht doch lei­den kön­nen. Und nur auf der Annah­me beru­hend, dass Tie­re EVENTUELL nicht lei­dens­fä­hig sei­nen KÖNNTEN, deren Leid mil­li­ar­den­fach hin­zu­neh­men und zu recht­fer­ti­gen ist abso­lut abstrus! 

      Ich kann nicht auf all dei­ne Fra­ge­stel­lun­gen so detail­liert ein­ge­hen, wie ich es ger­ne wür­de, aber alle die­se Fra­gen kön­nen wir noch nicht ein­mal für uns selbst beant­wor­ten! Was ist Frei­heit, was ist ein Gewis­sen, was ist Lie­be – Das sind alles Gedan­ken­an­stel­lun­gen, die uns noch heu­te in der Ethik und Phi­lo­so­phie beschäf­ti­gen und in den Wahn­sinn trei­ben! Vie­le der Fra­gen, die für dich maß­ge­bend für das Vor­han­den­sein von Lei­den sind, sind noch nicht ein­mal maß­ge­bend für das Vor­han­den­sein von Lei­den im Men­schen. Ein Gewis­sen bei­spiels­wei­se. Ein Kind hat noch kei­ne voll­stän­dig ent­wi­ckel­ten Vor­stel­lun­gen von rich­tig und falsch, von Moral und ent­wi­ckelt daher auch sel­ten ein schlech­tes oder gutes Gewis­sen. Trotz­dem kann ein Kind leiden.
      In Tie­ren konn­ten außer­dem auch psy­chi­sche Krank­hei­ten und Ver­hal­tens­stö­run­gen ent­deckt wer­den, die sich ähn­lich wie bei Men­schen ent­wi­ckeln und auswirken.
      Sogar ganz jun­ge Tie­re kön­nen aus rei­nem Herz­schmerz ster­ben! Wenn bei­spiels­wei­se das Geschwis­ter­chen oder der Lebens­ge­nos­se eines Meer­schwein­chens ver­stirbt, ist die Wahr­schein­lich­keit extrem hoch, dass die­ses an Ein­sam­keit und Depres­si­on stirbt. – Es könn­te ohne Pro­ble­me wei­ter über­le­ben und trotz­dem wirkt sich das psy­chi­sche so sehr auf das phy­si­sche aus, dass es sogar zum Tod führt! Und das ist bei vie­len ande­ren Tie­ren genau­so der Fall! 

      Du stellst auch in Fra­ge, ob Lei­den durch die Tren­nung von Ange­hö­ri­gen nicht ein gewis­ses Maß an Abs­trak­ti­ons­fä­hig­keit vor­aus­setzt, für des­sen Vor­han­den­sein den Tie­ren die nöti­ge kogni­ti­ve Leis­tungs­fä­hig­keit ihrer Gehir­ne fehlt.
      Wenn ein mensch­li­ches Klein­kind im jun­gen Alter dem Umfeld und den Bezugs- und Ver­trau­ens­per­so­nen ent­ris­sen wird, wirkt sich das auf die gesam­te see­li­sche Ent­wick­lung des Kin­des aus und man kann teil­wei­se im Erwach­se­nen­al­ter mit Hil­fe der Tie­fen­psy­cho­lo­gie alle Bezie­hun­gen und Gefüh­le des gesam­ten Lebens die­ses Men­schen auf die­ses eine urprä­gen­de Erleb­nis zurück­füh­ren. Und die kogni­ti­ve Leis­tungs­fä­hig­keit des Gehirns eines Klein­kin­des ist der eines nicht-mensch­li­chen Tie­res weit unter­le­gen. Das ist wis­sen­schaft­lich unbe­streit­bar, da kogni­ti­ve Fähig­kei­ten etwas ein­fa­cher zu mes­sen und zu ver­glei­chen sind als Gefühle.

      Geht man von dei­ner Theo­rie zu den Evo­lu­ti­ons­sta­di­en aus, wären unse­re Nutz­tie­re im vor­letz­ten Sta­di­um der Evo­lu­ti­on und hät­ten damit doch das Poten­ti­al, unse­re kogni­ti­ven Fähig­kei­ten im Lau­fe der fort­schrei­ten­den Evo­lu­ti­on zu erwer­ben. Die Fra­ge ist aber, ob wir nicht auch genau­so lei­dens­fä­hig waren, bevor wir auf eine zwei­bei­ni­ge Kör­per­hal­tung umge­stie­gen sind und, ob wir jetzt das Recht hät­ten, über das Schick­sal und die Lei­dens­fä­hig­keit unse­rer eige­ner Vor­fah­ren zu urteilen.
      Wür­den wir sie genau­so behan­deln wir wir es mit ande­ren Tie­ren heut­zu­ta­ge tun, nur weil sie noch nicht unse­re kogni­ti­ven Fähig­kei­ten ent­wi­ckelt haben, aber doch das Poten­ti­al besit­zen, die­se zu ent­wi­ckeln? Hät­ten wir das Recht unse­re feu­er­ent­de­cken­den Urvor­fah­ren schlech­ter zu behan­deln, da sie uns in Kul­tur, Reli­gi­on und Spra­che unter­le­gen sind, obwohl in ihnen bereits das Poten­ti­al zu unse­rem Wesen steckt? 

      Das, was Du danach schreibst ist schlicht falsch. Jeder Psy­cho­lo­ge, jeder Gesund­heits­wis­sen­schaft­ler und jeder Sozio­lo­ge weiß, dass kei­ne Zeit unse­res Lebens uns so sehr prägt und beein­flusst, wie es in den ers­ten tau­send Tagen unse­res Lebens der Fall ist. Alles, dass wir als Säug­lin­ge und Klein­kin­der erle­ben hat immense Bedeutungsrelevanz.
      Du sagst im Prin­zip, dass Klein­kin­der nicht mehr lei­den als Pflan­zen, weil sie kei­nen Begriff für ihr Leid haben.
      Wenn man die­ser Logik folgt, dass Lei­den also nur exis­tiert, wenn es ver­bal aus­ge­drückt wer­den kann, stellt sich die Fra­ge, ob dem­nach Men­schen, die sich bes­ser aus­drü­cken und elo­quen­ter ver­ba­li­sie­ren kön­nen, dem­nach lei­dens­fä­hi­ger sind und, ob Men­schen, die das grund­le­gen­de Bedürf­nis zei­gen, deren Leid zu ver­äu­ßer­li­chen, wie bei­spiels­wei­se Musi­ker, die trau­ri­ge Musik schrei­ben, dem­nach mehr lei­den kön­nen, als Men­schen die in sich gekehrt und still sind. Kann ein blin­der und tau­ber Mensch, der nie Spra­che lernt, nicht lei­den? Kann ein demen­ter Mensch nicht lei­den, weil er es nicht mehr in Wor­te fas­sen kann?
      Es ist eher anzu­neh­men, dass Leid, das nicht in Wor­te gefasst und dem­nach nicht voll­kom­men begrif­fen und ver­stan­den wer­den kann, noch prä­gen­der und uner­träg­li­cher ist, als sol­ches Leid, das man ver­äu­ßer­li­chen und nach­voll­zie­hen kann. Das Ver­ba­li­sie­ren von Leid ist nicht das ein­zi­ge wah­re Zei­chen für Leid, son­dern wohl eher unse­re Mög­lich­keit, Leid zu ver­ar­bei­ten. Dafür haben wir Gesprächs­the­ra­pie. Des­we­gen schrei­ben Musi­ker trau­ri­ge Songs. Um Leid zu ver­ar­bei­ten und zu verstehen.
      Tie­re und Klein­kin­der haben die­se Mög­lich­keit nicht und des­we­gen sind die­se unschul­di­gen Wesen der bru­tals­ten Form des Lei­dens unterlegen. 

      Das grund­sätz­li­che Pro­blem all dei­ner Über­le­gun­gen ist, dass du einem unum­gäng­li­chen Para­do­xon unter­liegst, da der Mensch immer Maß­stab und Gemes­se­nes zugleich ist. Der Mensch kann nie wis­sen, was er nicht weiß und nie sehen, was er noch nicht sieht. Wir sind selbst den Gren­zen der Evo­lu­ti­on unter­le­gen und kön­nen daher nie objek­tiv über uns selbst und erst recht nicht über ande­re Wun­der der Evo­lu­ti­on urtei­len. Rein aus der Logik her­aus ist es schlicht unmöglich.
      War­um aber soll­ten gera­de wir lei­dens­fä­hig sein und alle ande­ren Tie­re der Welt nicht, wo unse­re Gene zu teil­wei­se 99% über­ein­stim­men. Dass du in Fra­ge stellst, ob Tie­re lie­ben kön­nen, bricht mir wirk­lich das Herz. Ich neh­me an, du hat­test noch nie eine tie­fer­ge­hen­de Bezie­hung zu einem Tier. Natür­lich wis­sen wir nichts, aber wir wis­sen es letzt­end­lich auch nicht bei uns selbst und all das ist kei­ne und war noch nie eine akzep­ta­ble Recht­fer­ti­gung um unschul­di­ge Leben zu nehmen. 

      Abschlie­ßend wür­de ich sagen:
      „Es gibt zwei Kate­go­rien von Tie­ren. Die eine glaubt, dass es zwei Kate­go­rien gibt, und die ande­re hat dar­un­ter zu lei­den.“ – Richard David Precht.

      Dem­entspre­chend wür­de ich dir das Buch „Tie­re Den­ken“ von Precht emp­feh­len, da es auf phi­lo­so­phi­scher, wis­sen­schaft­li­cher und unpar­tei­ischer Ebe­ne vie­le dei­ner Fra­ge­stel­lun­gen und Über­le­gun­gen diskutiert. 

      Lie­be Grüße, 

      Patri­cia

    • Vie­len Dank für den extrem aus­führ­li­chen und sehr tief­schür­fen­den Kom­men­tar, lie­be Patri­cia. Ich bin ja echt beein­druckt, welch wei­te Krei­se ein Blog-Bei­trag zieht, den ich ledig­lich in mei­nem enge­ren sozia­len Umfeld publik gemacht habe. Kei­ner mei­ner Bei­trä­ge hat sich bis­her in nen­nens­wer­ter Wei­se über die­ses Umfeld hin­aus ver­brei­tet. Jetzt weiß ich zumin­dest, was ich schrei­ben muss, um Auf­merk­sam­keit zu generieren … 😉

      Nicht böse sein, aber mir fehlt im Moment wirk­lich die Zeit, um auf die vie­len zwei­fel­los sehr nach­den­kens­wer­ten Fra­gen ein­zu­ge­hen, die Du in Dei­nem Kom­men­tar auf­ge­wor­fen hast. Ich bin auch skep­tisch, ob es wirk­lich Sinn hat, mit ande­ren Men­schen über deren lei­den­schaft­li­che Über­zeu­gun­gen zu dis­ku­tie­ren. Man begeg­net im Lau­fe sei­nes Lebens ja immer wie­der Men­schen mit dog­ma­tisch gefes­tig­ten Welt­an­schau­un­gen. Ich kann mich an kei­ne Begeg­nung mit sol­chen Men­schen erin­nern, in der es zu einem ech­ten Aus­tausch auf Augen­hö­he gekom­men wäre – also zu einem Aus­tausch, bei dem ich das Gefühl hat­te, BEIDE Sei­ten wol­len ernst­haft ver­ste­hen, war­um der ande­re so denkt, wie er denkt und ihre eige­ne Sicht­wei­se anhand des­sen bereit­wil­lig hinterfragen. 

      Da neh­me ich mich selbst übri­gens auch gar nicht von der Kri­tik aus – natür­lich füh­len wir uns alle bis zu einem gewis­sen Grad in unse­rer bestehen­den Welt­sicht gebor­gen und geben sie daher nicht ger­ne leicht­fer­tig auf. Trotz­dem mei­ne ich, dass der Schlüs­sel zum gegen­sei­ti­gen Ver­ständ­nis in der größt­mög­li­chen Ver­sach­li­chung liegt. Mit ist nur nicht ganz klar, ob das The­ma, um das es hier geht, über­haupt auf einer wirk­lich sach­li­chen Ebe­ne ver­han­del­bar ist. Daher glau­be ich fast, dass es ehr­li­cher ist, das jeweils Gesag­te für sich selbst spre­chen zu las­sen, anstatt in eine Dis­kus­si­on ein­zu­stei­gen, die kei­ne wirk­li­che ist.

      Bin jeden­falls gespannt, was heu­te sonst noch so rein­kommt. Um die Sache viel­leicht mit etwas Humor­vol­lem zu been­den: ich glau­be es war Curd Jür­gens, der gesagt haben soll „ob die Kri­tik gut oder schlecht ist, ist egal – Haupt­sa­che der Name wird rich­tig geschrieben”…

      Lie­be Grüße

      Dani­el

  • Lie­ber Daniel,
    ob es wirk­lich Dei­ner Über­zeu­gung ent­spricht, dass das „Brül­len, schrei­en, quie­ken oder win­seln“ eines Tie­res sowie die ver­zwei­fel­ten Ver­su­che dem Unaus­weich­li­chen im Schlacht­haus zu ent­kom­men kei­ne Art der Kom­mu­ni­ka­ti­on ist, ver­mag ich nicht zu beur­tei­len. Es ist jedoch mei­ne per­sön­li­che Über­zeu­gung, dass Kom­mu­ni­ka­ti­on durch­aus nicht nur aus „Schrift, Ges­ten und Ver­ba­li­sie­rung“ besteht, son­dern u.a. Mimik, Schrei­en und der schie­ren Flucht aus einer beängs­ti­gen­den oder schmerz­haf­ten Situa­ti­on auch durch­aus eine gewis­se Bedeu­tung bei­gemes­sen wer­den soll­te. Die­se grund­le­gen­den Ele­men­te der Kom­mu­ni­ka­ti­on, denen auch in der mensch­li­chen Welt bei wei­tem mehr Bedeu­tung zukommt, als dem gespro­che­nen Wort (Stich­wort „Kör­per­spra­che“), sind kei­nes­wegs evo­lu­tio­nä­re Errun­gen­schaf­ten der Spe­zi­es Mensch. 

    Noch kurz zu dem Bild­ma­te­ri­al und zur Pro­pa­gan­da: Es ist über­haupt nicht not­wen­dig Ver­stüm­me­lun­gen oder Miss­hand­lun­gen zu zei­gen, obwohl die­se Bil­der zur Straf­ver­fol­gung bei Ver­stö­ßen gegen das Tier­schutz­ge­setz durch­aus ihre Berech­ti­gung haben und auch schon zu Ver­ur­tei­lun­gen und Schlie­ßun­gen von Ein­rich­tun­gen geführt haben; wir zei­gen aus­schließ­lich Stan­dard­prak­ti­ken, völ­lig kon­form zu den der­zei­ti­gen tier­schutz­recht­li­chen Bestim­mun­gen: Das Schred­dern von männ­li­chen Küken am Tag der Geburt, das Sepa­rie­ren von Mut­ter und Kind in der Milch­vieh­hal­tung, die Schlach­tung von Käl­bern, Rin­dern, Schwei­nen und Hüh­nern, das Betäu­ben und den Todes­kampf von Schwei­nen in Gaskammern…all die­se Din­ge sind so auf­wüh­lend, es ist abso­lut nicht not­wen­dig Ver­stö­ße gegen recht­li­che Vor­schrif­ten zu zei­gen oder gedul­de­te Din­ge wie die Schlach­tung einer schwan­ge­ren Kuh oder das Ertrin­ken eines fehl­be­täub­ten Schweins im hei­ßen Brüh­bad (obwohl die­se Din­ge in ca. 10% der Fäl­le vor­kom­men und somit täg­lich tau­sen­den Indi­vi­du­en wie­der­fah­ren). Die­se Stan­dard­prak­ti­ken sind den meis­ten Men­schen nicht bekannt, noch weni­ger machen sie sich eine Vor­stel­lung davon, wie die­se Din­ge in der Rea­li­tät aus­se­hen. Den Men­schen die­se Pro­zess­schrit­te ihrer „Lebens­mit­tel“ zu zei­gen ist kei­ne Pro­pa­gan­da, son­dern abso­lut not­wen­dig, damit sie in der Lage sind, eine infor­mier­te Kon­sum­entschei­dung zu tref­fen. Als Pro­pa­gan­da sehe ich viel­mehr die hei­le und idyl­li­sche Welt, die uns die Wer­bung und die Ver­tre­ter der Bau­ern- / Milch- und Fleisch­lob­by so ger­ne ver­kau­fen. Selbst­ver­ständ­lich glau­ben wir die­se Din­ge nur zu ger­ne und mar­gi­na­li­sie­ren das, was weit weg hin­ter ver­schlos­se­nen Türen vor sich geht. Wenn Du an dem Bild­ma­te­ri­al zwei­felst, gehe ger­ne in einen x‑beliebigen Schlacht­hof von Tön­nies, Wie­sen­hof, Simon Fleisch o.ä. und über­zeu­ge Dich selbst; live, unge­schnit­ten und sogar mit Gerü­chen von Blut und Fäka­li­en und zei­ge bzw. berich­te uns was dort wirk­lich pas­siert und ob eher unse­re Vide­os oder die hei­le Welt auf der Wurst­pa­ckung Dei­nen Erleb­nis­sen entsprechen. 

    Ich möch­te Dir ger­ne ein paar Fra­gen an Dich selbst und ein biss­chen Info­ma­te­ri­al zur Selbst­re­cher­che hier lassen: 

    • Wür­dest Du ver­su­chen mich davon abzu­hal­ten, auf offe­ner Stra­ße einen Hund zu schlach­ten? Wie wäre es mit einem Schwein? Falls ja, wie­so ist es in Ord­nung wenn dies hin­ter ver­schlos­se­nen Türen geschieht? 

    • Wür­dest Du mich davon abhal­ten, wenn ich auf offe­ner Stra­ße eine Pflan­ze aus­rei­ße oder eine Kar­tof­fel halbiere? 

    • Du sprichst davon, dass wir die Ver­ant­wor­tung für die­se Welt an uns gezo­gen haben. Inwie­fern ist es ver­ant­wor­tungs­be­wusst jeden Tag Regen­wald in der Grö­ße der Stadt Köln abzu­hol­zen, nur um dort Fut­ter­mit­tel für unse­re Nutz­tie­re anzupflanzen? 

    • Inwie­fern ist es ver­ant­wor­tungs­be­wusst ca. 15.000 Liter Was­ser und 16 kg pflanz­li­che Fut­ter­mit­tel in 1 kg Rind­fleisch zu über­füh­ren (bei ande­ren tie­ri­schen Pro­duk­ten sieht es nicht viel bes­ser aus)? 

    • Inwie­fern ist es ver­ant­wor­tungs­be­wusst Fut­ter­mit­tel aus den ärms­ten Län­dern der Welt zu impor­tie­ren, in denen Mil­lio­nen von Men­schen hun­gern und täg­lich ca. 18.000 Kin­der an Hun­ger sterben? 

    • Inwie­fern ist es ver­ant­wor­tungs­be­wusst an unse­rem Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te fest­zu­hal­ten, obwohl die indus­tri­el­le Nutz­tier­hal­tung für ca. 50% der Treib­haus­ga­se ver­ant­wort­lich ist (zum Ver­gleich: der gesam­te Trans­port­sek­tor macht gera­de mal 13% aus). 

    • Inwie­fern ist es ver­ant­wor­tungs­be­wusst an unse­rem Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te fest­zu­hal­ten, obwohl die­ser für die west­li­chen Zivi­li­sa­ti­ons­krank­hei­ten, wie koro­na­re Herz­er­kran­kung und diver­se Krebs­ar­ten, ver­ant­wort­lich ist? 

    Info­ma­te­ri­al:
    Nutz­tie­re all­ge­mein: https://www.dominionmovement.com/watch

    Umwelt: https://www.cowspiracy.com/ (auch auf Netflix) 

    Gesund­heit: https://nutritionfacts.org/

    Ethik: Art­ge­recht ist nur die Frei­heit (Buch von Hil­al Sezgin) 

    Zum Abschluss möch­te ich Dir noch mit auf den Weg geben, dass die meis­ten von uns nicht vegan gebo­ren wur­den. Wir haben tie­ri­sche Pro­duk­te kon­su­miert und es sehr genos­sen. Wir waren es gewöhnt, es war bequem und es hat sehr gut geschmeckt. Wir konn­ten uns eben­falls alle im Spie­gel anse­hen, haben uns unse­re Vor­stel­lun­gen davon gemacht, war­um das alles so in Ord­nung ist und haben ver­mut­lich sogar vege­ta­risch oder vegan leben­de Men­schen belä­chelt. Irgend­wann haben wir dann jedoch her­aus­ge­fun­den, dass wir damit gro­ßen Scha­den anrich­ten. Scha­den an füh­len­den und lei­dens­fä­hi­gen Tie­ren, Scha­den an unse­rem Pla­ne­ten und damit an zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen, Scha­den an unse­rer eige­nen Gesundheit… 

    Vegan zu leben bedeu­tet nicht, dass wir uns ein­bil­den KEINEN Scha­den mehr anzu­rich­ten, jedoch bedeu­tet es, so gut es geht zu ver­su­chen, so wenig Scha­den wie mög­lich anzu­rich­ten. Wir haben heu­te die Mög­lich­keit uns ohne Pro­ble­me pflanz­lich und gesund zu ernäh­ren. Wir haben heu­te die Mög­lich­keit, ohne Pro­ble­me auf tie­ri­sche Pro­duk­te zu ver­zich­ten. Die­se Mög­lich­keit mit einem ein­zi­gen Schritt so viel unnö­ti­gen Scha­den zu ver­mei­den, war für uns aus­schlag­ge­bend und ist mei­ner Mei­nung nach auch ursäch­lich für die mora­li­sche Ver­pflich­tung dies zu tun. 

    Diff­ar­mie­run­gen, Belei­di­gun­gen, Angriffe…all die­se Din­ge sind nicht zu ent­schul­di­gen, kon­tra­pro­duk­tiv und den­noch pas­sie­ren sie lei­der häu­fig. Ich möch­te das kei­nes­falls in Schutz neh­men, jedoch kann Dir das fol­gen­de Video viel­leicht ein wenig ver­ständ­lich machen, dass sol­che Din­ge oft ein­fach nur aus Hilf­lo­sig­keit ent­ste­hen. Wir alle sind nur Men­schen und wir alle ver­su­chen das Rich­ti­ge zu tun. Viel­leicht ist ein wenig Ver­ständ­nis für und von bei­den Sei­ten genau das, was wir brau­chen. Wir soll­ten immer den Ver­such unter­neh­men vom Bes­ten im Gegen­über aus­zu­ge­hen und nicht vom Schlechtesten. 

    https://www.youtube.com/watch?v=uGwBe3N2E_Y

    Lie­be Grüße
    Christoph

    • Lie­ber Christoph,

      erneut vie­len Dank für die Mühe, die Du Dir offen­bar gemacht hast, um Dich mit mei­nen Ein­las­sun­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Ich wer­de trotz­dem das Gefühl nicht los, dass wir hier ein Stück weit anein­an­der vor­bei reden. Ich bin zumin­dest bemüht, Mei­nung und Emo­ti­on von objek­ti­vier­ba­ren Tat­sa­chen zu tren­nen. Das heißt nicht, dass ich kei­ne Mei­nung und kei­ne Emo­tio­nen habe, und es heißt auch nicht, dass ich das Ande­ren nicht zuge­ste­hen wür­de – wie käme ich ach dazu? Es heißt ledig­lich, dass ich ver­su­che, der Denk­lo­gik auf die Spur zu kom­men, mit der sich die­se oder jene Hal­tung begrün­den lässt. 

      So habe ich nicht gesagt, wie ich die Äuße­run­gen von Tie­ren ver­stan­den wis­sen will. Ich habe ledig­lich in Fra­ge gestellt, woher wir wis­sen wol­len, was ein Tier sub­jek­tiv erlebt, wenn es sich auf eine bestimm­te Wei­se äußert. Und ich habe dar­auf hin­ge­wie­sen, dass wir hier ggf. unbe­wusst die­je­ni­gen Emo­tio­nen in die jewei­li­ge Äuße­rung hin­ein­in­ter­pre­tie­ren, die bei einer ver­gleich­ba­ren Äuße­rung bei uns Men­schen dahin­ter­ste­hen wür­den. Ob das gerecht­fer­tigt ist oder nicht, ist für mich kei­ne Fra­ge, zu der ich leicht­fer­tig eine Ant­wort parat hätte.

      Ich möch­te mich auch nicht mit mei­nem Blog-Bei­trag als „Anti­ve­ga­ner” ver­stan­den wis­sen. Viel­mehr woll­te ich mei­ne Gedan­ken und Ana­ly­sen zu der The­ma­tik mit mei­nem sozia­len Umfeld tei­len, um der Dis­kus­si­on so gut es geht eine objek­ti­ve Grund­la­ge zu verleihen. 

      Es ist zuge­ge­be­ner­ma­ßen schwer, mit Men­schen in eine ergeb­nis­of­fe­ne Dis­kus­si­on zu tre­ten, die aus einer tie­fen welt­an­schau­li­chen Über­zeu­gung her­aus agie­ren. Wir kön­nen hier noch hun­dert Kom­men­ta­re aus­tau­schen – ich bezweif­le sehr, dass Du mei­ne Ein­las­sun­gen WIRKLICH zum Anlass nimmst, Dei­ne eige­ne Auf­fas­sung zu den Din­gen zu reflek­tie­ren und mög­li­cher­wei­se in Fra­ge zu stel­len. Allein die Art, wie Du hier wie­der ver­suchst, mit Links auf diver­se Medi­en für die von Dir ver­tre­te­ne Anschau­ung zu wer­ben, deu­tet für mich dar­auf hin, dass Du hier nicht pri­mär über objek­ti­vier­ba­re Fak­ten son­dern über Mei­nun­gen dazu dis­ku­tie­ren möch­test. Das ist auch voll­kom­men OK so, solan­ge wir dabei auf­rich­tig genug sind, das eine von ande­ren expli­zit zu tren­nen. Ich könn­te jeden ein­zel­nen Punkt Dei­ner obi­gen Ein­las­sun­gen auf genau die­sen Unter­schied zwi­schen Mei­nung und Objek­ti­vier­ba­rem her­un­ter­bre­chen und Dir dar­le­gen, wo das Eine im Namen des Ande­ren vor­ge­bracht wird. Ich glau­be aller­dings, dass uns das nicht wie­ter­brin­gen würde.

      Und noch­mal: ich habe hier nicht den Ver­such unter­nom­men, das wahl­lo­se Töten ande­rer Lebe­we­sen recht­fer­ti­gen zu wol­len. Ich fan­ge jede Spin­ne bei mir zuhau­se und brin­ge sie aus mei­ner Woh­nung, anstatt sie – wie vie­le ande­re – tot­zu­schla­gen, nur weil ich sie nicht in mei­ner Woh­nung haben will. Es geht mir allein um die Fra­ge, auf­grund wel­cher ethi­schen Moti­ve wir das Töten des einen Lebe­we­sens als Nah­rungs­quel­le für akzep­ta­bel hal­ten, wäh­rend wir es bei ande­ren Lebens­for­men nicht tun. 

      Und ich blei­be dabei: es gilt hier objek­ti­vier­ba­re Tat­sa­chen von sub­jek­ti­ven Emo­tio­nen aus­ein­an­der zu hal­ten. Ich fin­de es abso­lut ehren­haft, auf den Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te zu ver­zich­ten, wenn man das Gefühl hat, Tie­re damit vor als unge­recht emp­fun­de­ner Behand­lung zu schüt­zen. Das soll­te aber eine Ent­schei­dung sein, die jeder für sich nach sei­nen eige­nen ethi­schen Über­zeu­gun­gen trifft. Es gibt für mich kei­ne OBJEKTIVE Recht­fer­ti­gung für das Ankla­gen von Men­schen, die zu einer ande­ren Bewer­tung gelan­gen und daher fin­de ich es alles ande­re als ehren­haft, sie dafür zu dif­fa­mie­ren und auf eine Stu­fe mit Nazi­ver­bre­chern zu stel­len. Aber gut: da sind wir ja zumin­dest Dei­nem obi­gen Bekun­den nach glück­li­cher­wei­se einer Meinung. 

      Daher: sach­li­che Auf­klä­rung auf Basis objek­ti­vier­ba­rer Fak­ten? Unbe­dingt! Mili­tan­te Mis­sio­nie­rung und Diffamierung/Dämonisierung Anders­den­ken­der? Nein Dan­ke. Davon hat­ten wir in der Welt­ge­schich­te schon mehr als genug. 

      Lie­be Grüße

      Dani­el

    • Sach­li­che Aus­ein­an­der­set­zung bedeu­tet auch, die Moti­ve der Anders­den­ken­den zumin­dest ansatz­wei­se in Augen­schein zu nehmen?

      Was könn­ten die Moti­ve sein?

      Für mich sind es drei Motive:

      1. Gesund­heit (Film­tipp: What the Health auf Netflix)
      2. Ethik (Doku­men­ta­tio­nen Domi­ni­on oder Earth­lings oder WDR’s mit dem deut­schen Film­preis aus­ge­zeich­ne­te Doku „Deutsch­lands Ferkelfabriken”
      3. Und das ist der wich­tigs­te Punkt, da sie ja auch Kin­der zu haben scheinen:
      Umwelt. Film­tipp: Cow­spi­ra­cy auf Netflix.

      Ich unter­stel­le ihnen, dass sie nicht wis­sen, wie rasant die Auf­zucht von 70 Mil­li­ar­den Aus­nutz­tie­ren unse­ren Pla­ne­ten abra­siert und damit unse­re Lebens­grund­la­ge zerstört.
      Die Tier­zucht ist der größ­te Feind der Ozea­ne, der Regen­wäl­der, der Wäl­der und unse­rer Ver­sor­gung mit Wasser.
      Wenn Sie ihren Kin­dern einen lebens­wer­ten Pla­ne­ten über­las­sen wol­len, wäre es Zeit sich über die Hin­ter­grün­de zu infor­mie­ren und dann zu handeln.
      Bit­te hören Sie auf, Men­schen an den Pran­ger zu stel­len, die ihr Wort für die Zukunft auch ihrer Kin­der erheben.

  • Hal­lo Daniel,

    Du hast wirk­lich ein gro­ßes Talent und anschei­nend auch sehr viel Zeit. Nut­ze die­se Zeit doch fürs ver­mei­den von Leid statt tau­sen­de von Wör­tern zu nut­zen, um Dir Dei­ne Wahr­heit schön­zu­re­den bzw. schön­zu­schrei­ben. Sel­ten so vie­le auf­ge­plus­ter­te Sät­ze gele­sen und doch kommt am Ende nur ganz wenig dabei raus. Du bist kein vegan leben­der Mensch und ich glau­be Du wirst es mit Dei­ner jet­zi­gen Ein­stel­lung auch nie wer­den. Mit Dei­ner geschwol­le­nen Art zu schrei­ben und auf Chris­toph mehr als Frag­wür­dig zu ant­wor­ten, bestä­tigst Du ein­fach nur wei­ter Dei­ne Blind­heit. Du ver­kaufst Dich hier als der objek­tivs­te Mensch, jedoch bist Du ein­fach nur ein Ver­blen­de­ter, der ger­ne schreibt und zu vie­le Wör­ter benutzt ohne wirk­lich etwas zu sagen. Hast Du es schon mal mit Poli­tik pro­biert? Könn­test Dein Talent dafür nut­zen. Auch immer viel „Bla bla“ ohne objek­ti­ven Inhalt bzw. Taten die wirk­lich etwas ver­än­dern. Vegan leben­de Men­schen ver­hin­dern Tag für Tag unend­li­ches Leid. Nicht nur mit Wör­tern (da kennst Du Dich aus) aber mit Taten. Nimm Dir auch bit­te kei­ne Zeit für eine Ant­wort. Dei­ne Mei­nung ist wirk­lich die letz­te die mich inter­es­siert. Du bist aktu­ell auch nicht ansatz­wei­se fähig „Vega­ner“ zu ver­ste­hen. Nut­ze die Zeit lie­ber für die Links von Chris­toph, viel­leicht kannst auch Du Dei­ne Blind­heit able­gen. Glau­be aber das wird bei Dir nichts. Naja einen Ver­such war es wert … 

    Wün­sche Dir noch viel Spaß und Erfolg beim Schrei­ben. Da bist Du ein ganz GROSSER …
    Domenico

  • Hal­lo lie­ber Daniel,

    ich habe die­se Dis­kus­si­on hier mit Erstau­nen ver­folgt! Sind Tie­re lei­dens­fä­hig und/oder kön­nen sie die­ses Lei­den (wenn über­haupt vor­han­den) arti­ku­lie­ren? So arti­ku­lie­ren, dass wis­sen­schaft­lich, ver­ständ­lich klar ist: „JA, sie lei­den wie Men­schen!”. Es wur­de Dir auch vor­ge­wor­fen, Du wür­dest zu vie­le Wör­ter ver­wen­den in Dei­ner Argu­men­ta­ti­on und trotz­dem nichts sagen! Ach komm, alles Quatsch! Ich wür­de sagen wir bei­de zei­gen den ande­ren mal, dass Du es auch (kurz und knapp) mit ein­fa­chen Wor­ten verstehst.

    Ich möch­te Dich und die ande­ren des­halb kurz zu einem klei­nen, wis­sen­schaft­li­chen Expe­ri­ment ein­la­den. Ganz wich­tig: Ein wis­sen­schaft­li­ches Expe­ri­ment gilt nur dann als seri­ös, wenn es unter glei­chen Bedin­gun­gen wie­der­holt wer­den kann und immer das SELBE Ergeb­nis bringt. Ist das Erge­nis ein­deu­tig kann es als „Beweis/Nachweis” betrach­tet werden.

    Möch­te kei­ne Zeit ver­lie­ren… los gehts mit dem ers­ten Versuchsaufbau:

    EXPERIMENT 1

    Teil­neh­mer: Dani­el, Dan­ny (ich) und ein japa­ni­scher Zahnarzt
    Hypo­the­se: Lei­dens­kom­mu­ni­ka­ti­on Mensch ohne Spra­che möglich?

    Ablauf:
    1. DANIEL setzt sich auf den Behand­lungs­stuhl (spricht kein Wort japanisch)
    2. Japa­ni­scher Zahn­arzt (spricht kein Wort deutsch) führt ohne Betäu­bing die Fei­le in den Zahn­Wur­zel­ka­nal ein.
    3. Reak­ti­on DANIEL: zuckt mit dem Kinn, Geräusch aus Mund „Ahhggggg!!”
    4. Reak­ti­on japa­ni­scher Zahn­arzt: zieht SOFORT die Fei­le zurück und ent­schul­digt sich.
    5. Dan­ny (ich) setzt sich auf den Behand­lungs­stuhl (spricht auch kein Wort japanisch)
    6. Japa­ni­scher Zahn­arzt (spricht immer noch kein Wort deutsch) führt ohne Betäu­bing die Fei­le in den Zahn­Wur­zel­ka­nal ein.
    7. Reak­ti­on DANNY: reisst Arme und Bei­ne hoch, Geräusch aus Mund „Uhhhhhhhhggggghhh!!!!!”
    8. Reak­ti­on japa­ni­scher Zahn­arzt: zieht SOFORT die Fei­le zurück und ent­schul­digt sich.

    Ergeb­nis: Japa­ni­scher Zahn­arzt spricht NICHT unse­re Spra­che und erkennt trotz unter­schied­li­cher kör­per­li­cher und akus­ti­scher Reak­ti­on, dass der Pati­ent Schmerz empfindet.
    Fazit: Expe­ri­ment gilt jetzt nicht als Beweis, dass Tie­re wirk­lich lei­den und dient nur als Vorexperiment.

    EXPERIMENT 2

    Teil­neh­mer: Hund, Schwein, Kuh, Dani­el, Dan­ny (ich), Bon­sai-Baum im Blu­men­topf und eine Kerze
    Hypo­the­se: Lei­dens­fä­hig­keit fin­det statt unab­hän­gig der Lebensform

    Ablauf:
    1. Ker­ze wird angezündet
    2. Hand von Dan­ny wird über Ker­ze gehal­ten -> Reak­ti­on -> Dan­ny zieht Hand weg und ruft „Auaaaa!!!”
    3. Hand von Dani­el wird über Ker­ze gehal­ten -> Reak­ti­on -> Dani­el zieht Hand weg und ruft „boahh­haaahhgggg!!!”
    4. Pfo­te von Hund wird über Ker­ze gehal­ten -> Reak­ti­on -> Hund zieht Pfo­te weg und ruft „Jaul!!!!!!”
    5. Huf von Schwein wird über Ker­ze gehal­ten -> Reak­ti­on -> Schwein zieht Huf weg und ruft „quuiiikkk!!!”
    6. Huf von Kuh wird über Ker­ze gehal­ten -> Reak­ti­on -> Kuh zieht Huf weg und ruft „Muuuh­haaaa!!!”
    7. Ast von Bon­sai-Baum wird über Ker­ze gehal­ten -> Reak­ti­on -> Bon­sai-Baum sagt nix. Bon­sai-Baum zieht den Ast nicht weg, kei­ne Reak­ti­on, Ast kokelt vor sich hin

    Fazit Dan­ny: Der Ast zeigt kei­ne Reak­ti­on oder Ver­än­de­rung. Er lei­det nicht. Grund ist wohl, dass er kein zen­tra­les Ner­ven­sys­tem besitzt. Wäre von der Natur wohl auch sehr „unfair” ent­wi­ckelt, da sich der baum ja nie aus der Gefah­ren­zo­ne ent­fer­nen kann. Der Mensch und die Tie­re zei­gen alle samt die sel­be phy­si­sche Reak­ti­on und wol­len der Lei­dens­si­tua­ti­on ent­kom­men. Sie ent­fer­nen sich aus der Gefah­ren­zo­ne beglei­tet von einer akus­ti­schen Schmerzreaktion.
    Fazit Dani­el: Die Tie­re kön­nen sich nicht arti­ku­lie­ren und ent­spre­chend ver­ständ­lich nach­wei­sen, dass sie lei­den und Schmer­zen emp­fin­den wie Men­schen. Da wir die Spra­che der Tie­re nicht spre­chen, kön­nen wir nicht beur­tei­len (wenn nur erah­nen) dass sie evtl. Lei­dens­fä­hig sind. 

    EXPERIMENT 3
    (das wich­tigs­te Experiment)

    Teil­neh­mer: Dani­el, Hund (Ame­ri­can Pit­bull, 39kg, leicht gereizt), eine Schüs­sel mit Hundefutter
    Hypo­the­se: der Mensch ver­steht die Spra­che der Tie­re (wenn er will)

    Ablauf:
    1. Schüs­sel mit Hun­de­fut­ter wird hingestellt
    2. Pit­bull wird zur Schüs­sel geführt und beginnt zu essen
    3. Anwei­sung vom Ver­suchs­lei­ter an Dani­el: „bit­te geh zum Hund und neh­me ihm die Schüs­sel weg!”
    4. Dani­el geht zum Hund streckt die Hand nach der Schüs­sel aus…
    5. Pit­bull zieht den Kopf her­um zeigt die Zäh­ne und knurrt „GHRRRRRRR CHHHH-GGRRRRRR!!!!!”
    6. Reak­ti­on Dani­el -> zieht die Hand schnell aus der Gefahrenzone

    Fazit von Dan­ny: Dani­el!! Wie­so hast Du Dei­ne Hand weg­ge­zo­gen????!!! Du soll­test doch dem Hund die Schüs­sel weg­neh­men! Och jetzt… hast Du etwa die Spra­che des Hun­des ver­stan­den?? Aber der spricht doch kein deutsch, der kann sich doch nicht arti­ku­lie­ren!? Also ich glau­be – nein bin mir sicher – DU hast den Hund VERSTANDEN! GANZ GENAU SOGAR!

    Kann es sein, dass Du nur des­halb „hin­ge­hört” und ver­stan­den hast weil Du sonst mit den Zäh­nen des Pit­bulls Bekann­schaft gemacht hättest?? 

    Ich den­ke, das Gesamt­ergeb­nis der Expe­ri­men­te (wel­che sicher­lich end­los wie­der­hol­bar wären) zeigt ganz deut­lich: Tie­re sind genau­so lei­dens­fä­hig wie Men­schen. Wir men­schen ver­ste­hen die Spra­che der Tie­re ganz genau. „Schön reden” bringt nix wenn man die Spra­che des Pit­bulls igno­riert, drum han­deln wir dort auch zum Selbst­schutz rich­tig. Pflan­zen lei­den nicht.

    Lie­ber Dani­el, viel­leicht geben Dir die­se Expe­ri­men­te ein wenig Stoff zum Nachdenken!

    Vie­len Dank fürs Zuhö­ren und Mitlesen

    Gruß

    Dan­ny

  • Lie­be alle,

    nach­dem ich eure Kom­men­ta­re gele­sen habe, konn­te ich fest­stel­len, dass man­che ( die Veganer)Menschen gegen sich selbst den­ken kön­nen , indem sie ihre Art und Wei­se zu kon­su­mie­ren in Fra­ge gestellt haben. Lei­der gelingt es nicht jedem so weit zu denken.
    Lie­ber Vega­ner des Blogs und beson­ders lie­ber Domenico,
    Ihr habt mich über­zeugt, anzu­fan­gen, Schritt für Schritt ein vega­nes Leben zu führen.

    • Zitat: „Die Fra­ge, ob Tie­ren die­sel­be Ethik wie für Men­schen oder doch eher die­sel­be Ethik wie für Pflan­zen zuteil wer­den soll­te, hängt (abge­se­hen von der Ver­mei­dung pri­mä­ren phy­si­schen Schmer­zes) über­wie­gend davon ab, ob man Tie­ren ein ähn­li­ches kogni­ti­ves Begriffs­bil­dungs­ver­mö­gen unter­stellt, wie wir Men­schen es besit­zen, oder eben nicht.”

      Das hal­te ich für ein gefähr­li­ches Argu­ment. Was ist mit geis­tig ein­ge­schränk­ten Menschen?

    • Lie­ber Stefan,

      Dein Ein­wand ist mei­nes Erach­tens durch­aus berech­tigt. Ich habe daher in der Tat lan­ge dar­über nach­ge­dacht, ob mei­ne Argu­men­ta­ti­on nicht in letz­ter Kon­se­quenz den infer­na­li­schen Mor­den der Nazis an Men­schen mit Behin­de­rung im Rah­men des soge­nann­ten „Euthe­na­sie-Pro­gramms” das Wort redet. 

      Die Wahr­heit ist aber, dass sol­che ethi­schen Grund­satz­fra­gen durch­aus auch in unse­ren rechts­staat­li­chen, huma­nis­tisch gepräg­ten Gesell­schaf­ten ergeb­nis­of­fen dis­ku­tiert wer­den. Als Bei­spiel sei etwa die prä­na­ta­le Dia­gno­se kör­per­li­cher oder geis­ti­ger Behin­de­run­gen und die dar­aus fol­gen­den Abwä­gun­gen der wer­den­den Eltern über einen mög­li­chen Schwan­ger­schafts­ab­bruch genannt. Wäh­rend die­sel­ben Eltern nie­mals auf die Idee kämen, ein gesun­des Kind abtrei­ben zu las­sen, sehen sie das bei Kin­dern mit abseh­ba­ren Behin­de­run­gen ggf. durch­aus anders. 

      Es ist also wirk­lich so, dass wir uns auch in Bezug auf Men­schen bis­wei­len anma­ßen, dar­über zu urtei­len, wel­ches Leben lebens­wert ist und wel­ches nicht. Ähn­li­ches gilt für die Ent­schei­dung über die Fort­set­zung lebens­er­hal­ten­der Maß­nah­men bei unheil­bar kran­ken Men­schen ohne Pati­en­ten­ver­fü­gung, die etwa auf­grund einer schwe­ren Hirn­schä­di­gung nicht mehr selbst gefragt wer­den können.

      Ich habe daher für mich beschlos­sen, die Gren­ze beim grund­sätz­li­chen Poten­zi­al der jeweils betrach­te­ten Art von Lebe­we­sen zu zie­hen. Soll hei­ßen: auch ein Mensch mit behin­de­rungs­be­dingt ein­ge­schränk­ten men­ta­len Fähig­kei­ten gehört den­noch einer Gat­tung Lebe­we­sen an, die sich von ihrem Poten­zi­al her für unse­re huma­nis­ti­sche Ethik qua­li­fi­ziert. Ob und inwie­weit das bei den ver­schie­de­nen Tier­ar­ten auch der Fall ist, wäre dann genau die Fra­ge, die es in die­sem Zusam­men­hang zu dis­ku­tie­ren gilt. 

      Denn eines ist ja mal klar: das indus­tri­el­le Hal­ten, Töten und Kon­su­mie­ren von Pflan­zen ist auch für den puris­tischs­ten Vega­ner kein Pro­blem – und zwar mit dem Argu­ment, dass die Pflan­ze ja nichts emp­fin­den kann – jeden­falls nichts, das mit dem bewuss­ten Emp­fin­den von Men­schen ver­gleich­bar wäre. In dem Moment, in dem ich das­sel­be Argu­ment für eine bestimm­te Tier­gat­tung über­zeu­gend dar­le­gen könn­te, stün­de dem­nach der Anwen­dung der­sel­ben Ethik auf die­se Tier­art eben­falls nichts ent­ge­gen. Alles hängt also davon ab, ob wir die­ser Tier­art eine eher men­schen­ähn­li­che oder eher pflan­zen­ähn­li­che Wahr­neh­mung sei­ner Welt unterstellen.

      Ist aber wirk­lich ein schwie­ri­ges The­ma. Und an so man­chem Kom­men­tar zu mei­nen Bei­trag kann man zudem gut sehen, dass es in die­sem Zusam­men­hang bis­wei­len eher um ideo­lo­gi­sche Ver­brü­de­rung und die Schaf­fung von Feind­bil­dern geht, als um die sach­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit dem eigent­li­chen Gegenstand.

      PS: bist Du DER „Fraktalgrafik-Generator”-Stefan Bion? Wenn ja: was für eine Ehre, dass Du Dich auf mei­nem Blog ver­irrt hast… Dein Gene­ra­tor hat mir unglaub­lich viel bei den Vor­ar­bei­ten zu mei­ner Man­del­brot-Bei­trags­se­rie gehol­fen. Vie­len Dank dafür, dass Du ihn imple­men­tiert und der Öffent­lich­keit zur Ver­fü­gung gestellt hast!

    • Hal­lo lie­ber Daniel,

      dan­ke für Dei­ne aus­führ­li­che und ehr­li­che Ant­wort. Zunächst zu Dei­nem PS: Ja, der bin ich. 😉 Ich hat­te ges­tern spa­ßes­hal­ber mal eine Goog­le-Bil­der­su­che zu mei­nem Namen gemacht und war dabei auf Dei­nen Blog gesto­ßen. Es freut mich, wenn Dir mein Man­del­brot-Java­Script gehol­fen hat. Es gibt natür­lich auch Java­Script-Biblio­the­ken für Zah­len mit belie­bi­ger Genau­ig­keit, aber das hät­te die Aus­füh­rungs­ge­schwin­dig­keit des Scripts mas­siv ver­rin­gert. Ich fin­de die Deep-Zooms auch fas­zi­nie­rend, aber eben­so fas­zi­nie­rend fin­de ich es, wel­che Viel­falt an For­men und Far­ben schon bei nied­ri­ger Rechen­tie­fe ent­steht. Mei­ne Woh­nung hängt inzwi­schen voll von Bil­dern, die mit die­ser ein­fa­chen „Zau­ber­for­mel” Z->Z²+C erzeugt wurden. 😉

      Aus­ge­hend von Dei­nen Arti­kel zur Man­del­brot­men­ge hat­te ich mir dann noch eini­ge ande­re Arti­kel ange­se­hen (aller­dings nicht kom­plett durch­ge­le­sen), bis ich dann bei die­sem hier hän­gen geblie­ben war. Ich esse selbst seit >20 Jah­ren kein Fleisch mehr; TV-Dokus zu Mas­sen­tier­hal­tung und Tier­trans­por­ten waren damals der Aus­lö­ser dafür gewe­sen. Ich bin aber in kei­ner Wei­se „mis­sio­na­risch” ver­an­lagt (jeden­falls nicht in die­ser Hin­sicht) und rede nur dar­über, wenn es unbe­dingt sein muss oder wenn ich gefragt wer­de, zumal ich eigent­lich sel­ber „inkon­se­quent” bin und z.B. Eier und Milch­pro­duk­te kon­su­mie­re oder Leder­pro­duk­te nut­ze, obwohl auch das Tier­leid ver­ur­sacht. Die Fra­ge, wo die Gren­ze zu zie­hen ist, was noch ethisch ver­tret­bar ist und was nicht mehr, muss wohl jeder für sich selbst beant­wor­ten und nach sei­nem eige­nen Wis­sen und Gewis­sen han­deln. Kom­pro­mis­se sind hier unausweichlich.

      Das manch­mal gehör­te Argu­ment, dass Pflan­zen ja auch Lebe­we­sen sei­en und auf ihre eige­ne Wei­se viel­leicht Leid emp­fin­den kön­nen und man die­se dann ja eigent­lich auch nicht „nut­zen” dürf­te, um damit die Nut­zung von Tie­ren zu allen mög­li­chen Zwe­cken zu recht­fer­ti­gen, ist mir zu theo­re­tisch. Es ist nun­mal so, dass uns Tie­re durch ihre Phy­sio­gno­mie und ihr Ver­hal­ten näher­ste­hen als Pflan­zen. Daher ist es nur ver­ständ­lich, wenn uns das Leid von Tie­ren mehr betrof­fen macht als das eher theo­re­ti­sche „Leid” von Pflanzen.

      (Es gibt übri­gens auch „Fru­teria­ner”, die aus gen­aus die­sem Grund kei­ne Pflan­zen „töten”, son­dern nur das essen, was die­se „frei­wil­lig” geben, also etwa Fallobst…)

      Für die Natur selbst sind ethi­schen Fra­ge­stel­lun­gen kein The­ma – hier gilt das Prin­zip der res­sour­cen­scho­nen­den Wie­der­ver­wer­tung des vor­han­de­nen „Bio­ma­te­ri­als” – also „Fres­sen und gefres­sen wer­den”. Gras wird von Wei­de­tie­ren genutzt, Wei­de­tie­re von Raub­tie­ren, etc. – alles ganz nor­mal. Nur der Mensch stellt sich die Fra­ge nach der ethi­schen Ver­ant­wort­lich­keit. Die huma­nis­ti­sche Sicht­wei­se macht dabei den Men­schen zum allei­ni­gen Maß­stab sol­cher Bewer­tun­gen. Ob das immer die rich­ti­ge ist, sei dahin­ge­stellt. Noch vor kur­zem hät­te ich das eben­so gese­hen, aber seit ich beken­nen­der Christ bin, stel­le ich die rein huma­nis­ti­sche Sicht­wei­se in Fra­ge, und ich den­ke mal, für Juden trifft Ähn­li­ches zu, oder?

      Lie­be Grüße
      Stefan

    • Lie­ber Stefan,

      über Man­del­brot-Fra­gen kön­nen wir uns sehr ger­ne auf einem ande­ren Kanal aus­tau­schen. Wer auch immer die hie­si­gen Kom­men­ta­re lesen soll­te, wird sich im Zusam­men­hang mit dem obi­gen Arti­kel ansons­ten ver­mut­lich etwas irri­tiert füh­len. Daher möch­te ich an die­ser Stel­le erst ein­mal auf den letz­ten Absatz Dei­nes jüngs­ten Kom­men­tars eingehen:

      Ich gebe Dir dabei hin­sicht­lich Dei­ner Ein­schät­zung zum „Gesetz der Natur” abso­lut Recht: es geht im Tier- und Pflan­zen­reich in der Tat nicht um mora­li­sche Erwä­gun­gen, son­dern allein um die Grund­sät­ze der Art­erhal­tung. Dass sich dabei ein eben­so kom­ple­xes wie sub­ti­les Gleich­ge­wicht der Arten ent­wi­ckelt hat, erscheint zunächst wie ein unge­schrie­be­ner Ver­trag zwi­schen all den Lebe­we­sen über den zu erhe­ben sich ein­zig der Mensch anmaßt. Dabei über­se­hen wir aber all­zu leicht, dass zur Erlan­gung und Erhal­tung die­ses Gleich­ge­wichts unfass­bar viel indi­vi­du­el­les Leid nötig ist – sofern wir davon aus­ge­hen, dass höher ent­wi­ckel­te Lebe­we­sen Leid emp­fin­den. Die Evo­lu­ti­on hat sich, nach allem was wir wis­sen, einen feuch­ten Keh­richt um das indi­vi­du­el­le Wohl­erge­hen der von ihr her­vor­ge­brach­ten Lebens­for­men geschert. Das am bes­ten ange­pass­te Mus­ter hat über­lebt, der Rest wur­de rück­sichts­los aus der Natur getilgt.

      Und genau hier sehe ich den fun­da­men­ta­len Unter­schied zwi­schen Mensch und Tier: der Mensch ist in der Lage, sich die­sem uner­bitt­li­chen Gesetz der Evo­lu­ti­on zu ent­zie­hen und sein Leben nach selbst geschaf­fe­nen Regeln zu gestal­ten. Es ist genau die­ser Schritt, der im Rah­men der bibli­schen Schöp­fungs­ge­schich­te in Form der Ver­trei­bung aus dem Para­dies meta­pho­risch beschrie­ben wird: erst der Kon­sum des Apfels, durch den wir selbst in die Lage gera­ten, gut und böse aus­ein­an­der zu hal­ten, führt zum unwei­ger­li­chen Ende das Para­die­ses als Sinn­bild für die pas­si­ve Inte­gra­ti­on in den Lauf der Natur. Und die „Stra­fe” dafür ist nichts Gerin­ge­res als die Bewirt­schaf­tung des Ackers „im Schwei­ße des Ange­sichts” – also der Moment, in dem der Mensch die Gestal­tung der Natur aktiv in die eige­ne Hand nimmt.

      Und genau des­halb tra­gen wir Men­schen im Gegen­satz zu allen ande­ren Lebe­we­sen auf die­ser Erde wirk­li­che Ver­ant­wor­tung für das, was wir mit der Natur und all ihren Lebe­we­sen ver­an­stal­ten. Um die­ser Ver­ant­wor­tung gerecht zu wer­den, haben wir mora­li­sche Grund­sät­ze ent­wi­ckelt, die inso­fern gera­de kein Natur­ge­setz sind, son­dern viel­mehr Regeln beinhal­ten, die dem uner­bitt­li­chen Trei­ben der Evo­lu­ti­on teil­wei­se dia­me­tral ent­ge­gen­ste­hen: in huma­nis­tisch gepräg­ten Gesell­schaf­ten haben auch die­je­ni­gen einen Platz, die auf­grund ihrer man­geln­den Ange­passt­heit von der Evo­lu­ti­on gna­den­los aus­sor­tiert wor­den wären.

      Inso­fern sehe ich die bibli­sche Ethik abso­lut nicht im Gegen­satz zu huma­nis­ti­schen Grund­sät­zen. Inwie­weit sie auf ande­re Lebe­we­sen als Men­schen anwend­bar ist, ist natür­lich eine ande­re Fra­ge. Im Juden­tum geht es jeden­falls nicht so sehr expli­zit for­mu­lier­te ethi­sche Grund­sät­ze. Statt­des­sen lei­tet man die­se erst indi­rekt aus den vie­len Ver­hal­tens­re­geln her, die uns Juden auf­er­legt sind. Man rekon­stru­iert also gewis­ser­ma­ßen die ver­mu­te­te Ethik aus den ansons­ten eher kom­men­tar­los über­lie­fer­ten Ver­hal­tens­re­geln. Wobei „eher kom­men­tar­los” sich zunächst auf den bibli­schen Urtext bezieht. Die soge­nann­te „münd­li­che Wei­sung”, die letzt­lich im Tal­mud ihren Nie­der­schlag gefun­den hat, strotzt nur so von Kom­men­ta­ren und Dis­kus­sio­nen über Aus­le­gun­gen aller Art. Aber das bezieht sich eben über­wie­gend auf die „rich­ti­ge” Inter­pre­ta­ti­on der Ver­hal­tens­vor­schrif­ten und weni­ger auf die ethi­schen Grund­sät­ze, die dahin­ter zu ver­mu­ten sind. 

      Naja – das wird jetzt, glau­be ich, ein biss­chen aus­schwei­fend. Viel­leicht kön­nen wir den Aus­tausch hier­über, wenn Du Lust hast, mal auf pri­va­ter Ebe­ne weiterführen…

      Erst­mal einen schö­nen Abend und viel­leicht bis bald mal auf einem ande­ren Kanal…

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