Hallo Ihr Lieben,
man ist ja in Sachen Feierkultur bei Bar- und Bat-Mitzwahs zwischenzeitlich vieles gewohnt. Mit der Einhaltung der Schabbat- und Feiertagsgesetze nimmt man es ja schon seit Jahren nicht mehr so genau und auch die Speisegesetze werden zunehmend großzügiger interpretiert. Nachdem ich aber unlängst auf einer Bar-Mitzwah-Feier Putenbrust in Schinken (ja, aus Schweinefleisch) eingerollt und auf einer Bat-Mitzwah-Feier Schalentiere serviert bekommen habe, ist mir der Kragen dann doch ein wenig geplatzt.
Im Ergebnis habe ich dann den folgenden Artikel verfasst und um Veröffentlichung desselben in der Gemeindezeitung der Jüdischen Gemeinde zu Frankfurt am Main ersucht. Nach langem Hin- und Her wurde dann schließlich eine zahnlose bis kastrierte Version des Artikels veröffentlicht, die ich Euch lieber ersparen will. Ich hoffe indessen, dass das Original zumindest ein wenig zum Nachdenken anregt:
Die_Fuchsjagd_zum_Tierschutzvereinsjubilum_v2
Alles Liebe
Daniel
Es ist besonders betrüblich, diese Beschreibung des Trends zu mehr Prunk und גשמיות auf Kosten überlieferter jüdischer Werte und רוחניות im direkten Anschluss an סוכות zu lesen, ist doch die סוכה ein Symbol für anzustrebende Genügsamkeit und Zufriedenheit mit bescheidenerer materieller Ausstattung.
Dass die Redaktion der JGZ es offenbar für richtig hielt, dieses Plädoyer für jüdische Substanz auf jüdischen Festlichkeiten (bei חתונות sieht es wohl kaum besser aus) als „Einzelmeinung” abzutun, grenzt für meine Begriffe schon an einen Skandal, aber passt ins Bild.
Haben שמחות eigentlich jüdische Mindeststandards zu erfüllen, um in der entsprechenden Sektion der JGZ aufgelistet zu werden? Wenn nein, warum eigentlich nicht? Eine Taufe (להבדיל?) würde vermutlich auch nicht gelistet.
Apropos הבדלה: Ich habe mir aus Erfahrung angewöhnt, Einladungen zu Feierlichkeiten oder Mahlzeiten, bei denen gewisse Standards nicht eingehalten werden, nicht anzunehmen. Ich muss nicht durch meine bloße Anwesenheit einem טריפה Ereignis einen imaginären כשר Stempel aufdrücken.
Ja, ich hatte da so meine liebe Mühe mit der JGZ-Redaktion, die stets darauf bedacht ist, absolute Neutralität zu wahren und nur das zu schreiben, was mit ihrem Charakter als amtliches Gemeindeorgan kompatibel ist. Meinungen einzelner Gemeindemitglieder, welche die Gepflogenheiten anderer Gemeindemitglieder kritisch hinterfragen, gehören naheliegender Weise nicht dazu.
Soweit ich weiß, muss mindestens eine der von der Simche „betroffenen” Personen Gemeindemitglied sein oder zumindest mit einem solchen verwandt sein.
Ich handhabe es meist ähnlich wie Du, wobei ich bei Leuten, die mir nahestehen, meine Teilnahme an deren freudigem Ereignis als das höhere Gut betrachte. Auf jeden Fall trage ich keine Kippa auf Feiern, bei denen das Essen treife ist. Das wäre für mich eine Verhöhnung all dessen wofür die Kippa steht und dokumentiert zudem meinen kleinen Protest.
Das Konzept „absoluter Neutralität” im Bezug auf Bewahrung jüdischer Substanz in einer Organisation, von der ich erwarten würde, dass sie sich eben dieser Bewahrung satzungsmässig verpflichtet fühlt – und auf sie zur längerfristigen Sicherung der eigenen Existenz angewiesen sein dürfte – leuchtet mir ehrlich gesagt nicht so recht ein. Aber es können ja nicht alle Juden potentielle Nobelpreisträger sein…
Frei nach Böckenförde: die Gemeinde lebt von Voraussetzungen, vor deren Bewahrung sie sich anscheinend drückt.
Es soll ja Gemeinden geben, bei der man sich bei Beantragung der Mitgliedschaft zur Einhaltung gewisser halachischer Mindeststandards verpflichtet.
Wie ironisch: Einer der klassischerweise angeführten „Gründe” für כשרות ist ja die Bewahrung gewisser sozialer Abgrenzungen zur Verhinderung eben jener Assimilation, deren Fortschreiten es hier so schwierig macht, den Betroffenen den Wert gewisser jüdischer Werte zu vermitteln. Ist das Kind bereits im sprichwörtlichen Brunnen.…