Hallo Ihr Lieben,
im Zusammenhang mit meiner Beitragsserie zum Thema „Vom Zählen zur Mandelbrotmenge” sind wir im fünften Teil auf die Menge der Komplexen Zahlen gestoßen. Dort habe ich – wie so oft – vollmundig behauptet, dass die Komplexen Zahlen bezüglich der vier Grundrechenarten (Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren) ebenso wie bezüglich des Potenzierens mit ganzzahligen Exponenten abgeschlossen seien, was bedeuten soll, dass die Ergebnisse jeder dieser Rechenarten, wenn sie auf je zwei komplexe Zahlen angewendet werden (bzw. das Ergebnis des Potenzierens einer komplexen Zahl mit einem ganzzahligen Exponenten), immer selbst in den Komplexen Zahlen liegen. Im Folgenden will ich den Versuch unternehmen, dies so gut es geht zu veranschaulichen.
Addieren
Um einzusehen, wie simpel es ist, zwei komplexe Zahlen zu addieren, betrachten wir jetzt einfach mal zwei Beliebige davon, nämlich a+b×i und c+d×i, und schreiben ein Pluszeichen dazwischen:
Das Ergebnis der Addition zweier komplexer Zahlen ist damit also in der Tat selbst wieder eine komplexe Zahl.
Subtrahieren
Nachdem soeben geklärt wurde, wie man zwei komplexe Zahlen a+b×i und c+d×i addiert, sollte offensichtlich sein, dass man zwei komplexe Zahlen entsprechend wie folgt subtrahiert:
Multiplizieren
Das Multiplizieren zweier komplexer Zahlen a+b×i und c+d×i ist im Grunde auch nichts anderes, als ein wenig Schulalgebra anzuwenden und die Erkenntnis einzubringen, dass i×i per definitionem ‑1 ergibt. Fangen wir also damit an, die beiden Zahlen nebeneinander zu schreiben und ein Malzeichen dazwischen zu schieben:
Nach dem oben gesagten entspricht dies folgendem Ausdruck (das war die Sache mit FOIL):
Jetzt kommt die Sache mit i×i=-1 und führt zu folgendem:
Nun sortieren wir in reelle und imaginäre Anteile und erhalten das Folgende:
Jetzt fehlt noch das mit dem Ausklammern von i:
Nun können wir noch die Multiplikationen ausrechnen und erhalten folgendes:
Wenn wir dann noch die Summen bzw. Differenzen ausrechnen erhalten wir schließlich das Folgende:
Wie gesagt: Schulalgebra und i×i=-1. Mehr ist es nicht.
Dividieren
Auch das Dividieren zweier komplexer Zahlen a+b×i und c+d×i ist im Grunde nicht viel anderes, als ein wenig Schulalgebra anzuwenden und die Erkenntnis einzubringen, dass i×i per definitionem ‑1 ergibt. Hinzu kommt allerdings noch eine Kleinigkeit, die man „konjugiert komplexe Zahl” nennt. Damit ist zu einer gegebenen komplexen Zahl a+b×i diejenige Zahl gemeint, die entsteht, wenn man das Vorzeichen des imaginären Teils umkehrt – in unserem Fall also a-b×i. Einer der wesentlichen Vorteile der konjungiert komplexen Zahl erschließt sich, wenn man sie mit der Ursprungszahl multipliziert:
Wir erinnern uns an die eben für die Multiplikation nochmals rekapitulierte „FOIL”-Regel und bilden die Summe aus dem Produkt der ersten, der äußeren, der inneren und der letzten Komponenten aus beiden Klammern:
In der dritten Komponenten haben wir schon mal aus didaktischen Gründen a und b vertauscht. Dadurch sehen wir, dass der Ausdruck „a×b×i“ einmal negativ und einmal positiv vorkommt:
Ein und dieselbe Zahl einmal hinzuzufügen und einmal wieder zu entfernen, ist dasselbe, wie die Zahl gar nicht erst hinzuschreiben, was uns folgendes Ergebnis liefert:
Dort haben wir schon mal die beiden imaginären Einheiten „i” markiert, die gemeinsam innerhalb eines Produkts auftauchen und damit gemeinsam durch „-1” ersetzt werden können (wegen i×i=-1). Damit bleibt „b×b” übrig und das Vorzeichen dreht sich von „-” auf „+”:
Und das kann man natürlich auch so schreiben:
Wozu wir uns damit befasst haben? Das werden wir gleich sehen, wenn wir zwei komplexe Zahlen a+b×i und c+d×i zu dividieren versuchen:
So wirklich viel kann man hier mit algebraischen Mitteln nicht mehr vereinfachen. Der Trick: man multipliziert das Ganze mit (c-d×i)/(c-d×i) für die konjugiert komplexe Zahl des Nenners „c+d×i”. Das darf man, weil auch jede komplexe Zahl durch sich selbst geteilt 1 ergibt – also auch (c-d×i)/(c-d×i) – und mit 1 multiplizieren ändert ja nichts an der bestehenden Zahl:
Wir erinnern uns daran, dass man Brüche multipliziert, indem man die beiden Zähler und die beiden Nenner miteinander multipliziert:
Jetzt kommt der oben gezeigte Trick mit der konjugiert komplexen Zahl im Nenner zur Anwendung, denn dort multipliziert man ja gerade c+d×i mit seiner eigenen konjungiert komplexen Zahl c-d×i, so dass nach dem oben Gesagten c2+d2 dabei herauskommt:
Im Zähler können wir mal wieder die Sache mit der „FOIL”-Regel anwenden, was uns folgendes liefert:
Ganz hinten im Zähler haben wir wieder mal die Sache mit i×i=-1, so dass nur noch b×d übrig bleibt und das Vorzeichen davon sich von „-” auf „+” dreht:
Jetzt sortieren wir im Zähler die imaginären und die reellen Anteile und schreiben zuerst die Reellen, dann die Imaginären hin:
Die imaginäre Einheit in den letzten beiden Komponenten des Zählers kann man – wie mehrfach gezeigt – einfach ausklammern:
Nun spalten wir diesen Bruch in zwei Brüche mit demselben Nenner c2+d2, so dass der Zähler des einen nur die reellen und der Zähler des anderen nur die imaginären Anteile enthält:
Zu guter Letzt schreiben wir die imaginäre Einheit aus didaktischen Gründen hinter ihren Bruch:
Und – voilà – wir haben erkennbar eine komplexe Zahl erhalten. Links steht ein ganz normaler (wenngleich etwas aufwändig gestrickter) reeller Anteil, dann kommt ein Plus und rechts daneben steht ein ganz normaler (wenngleich etwas aufwändig gestrickter) imaginärer Anteil. Hätten wir für a, b, c und d echte Zahlen verwendet, könnten wir jetzt einfach den reellen und den imaginären Teil ausrechnen. Wer Lust hat, kann das ja mal machen – zum Beispiel für a=1, b=3, c=2 und d=4 (zur Probe: die Lösung lautet 0,7+0,1×i). Wichtig ist auf jeden Fall, dass c und d nicht beide gleichzeitig Null sind, denn das hieße, durch Null zu teilen und das wiederum ist auch in den komplexen Zahlen tabu.
Potenzieren
Die Potenzrechnung haben wir bei der Einführung der Rationalen Zahlen im Rahmen meiner Beitragsserie zur Mandelbrotmenge als Verallgemeinerung der Multiplikation ganzer Zahlen kennengelernt. So konnte man bequem argumentieren, dass das Potenzieren zweier ganzer Zahlen n und m (also der Ausdruck „mn“) immer eine ganze Zahl zum Ergebnis haben muss, weil beim Potenzieren letztlich nur mehrfach hintereinander multipliziert (positiver Exponent) oder dividiert (Exponent negativ oder 0) wird und jede einzelne dieser Multiplikationen oder Divisionen immer eine ganze Zahl zum Ergebnis hat. Dasselbe gilt, wenn man einen Bruch „a/b“, eine irrationale Zahl oder sogar eine beliebige komplexe Zahl mit einer ganzen Zahl m potenziert: es wird einfach mehrfach hintereinander multipliziert oder dividiert. Diese Art des Potenzierens erzeugt demnach also auch hier bei den komplexen Zahlen in der Tat immer nur Ergebnisse, die selbst eine komplexe Zahl sind, denn für eine einzelne Multiplikation und eine einzelne Division haben wir das ja eben gerade gezeigt und jede Hintereinanderausführung mehrerer solcher Rechenarten erzeugt letztlich eine Folge von komplexen Zahlen, so dass auch das Endergebnis eine solche sein muss. Damit wären also die Komplexen Zahlen bezüglich des Potenzierens mit ganzzahligen Exponenten in der Tat abgeschlossen.
Was wir für die Rationalen Zahlen bisher noch überhaupt nicht betrachtet haben, ist der Umstand, dass der Exponent einer Potenz ja auch selbst eine beliebige rationale Zahl und daher inbesondere selbst ein Bruch sein könnte. Beispiel:
Für die später eingeführten Reellen Zahlen kann er sogar eine irrationale Zahl sein. Beispiel:
Und hier bei den Komplexen Zahlen kann der Exponent zudem auch noch imaginäre Anteile haben. Beispiel:
Diese Arten des Potenzierens bringen einige Besonderheiten und vor allem eine ganze Menge Probleme mit sich, deren Betrachtung nun wirklich den Rahmen dieser Beitragsserie sprengen würde. Sofern mir hier keiner einen ernst gemeinten Kommentar schreibt, der ausdrücklich zum Inhalt hat, dass Ihr wirklich wissen wollt, was es mit all diesen Arten des Potenzierens auf sich hat, werde ich daher vorläufig nicht weiter auf diese Fragen eingehen.
Alles Liebe
Daniel