Hallo Ihr Lieben,
im Rahmen meiner Beitragsserie zur Mandelbrotmenge habe ich im Zusammenhang mit den Polarkoordinaten für komplexe Zahlen behauptet, dass man den legendären Pythagoräischen Lehrsatz anschaulich erklären könne. In diesem Fall war die Behauptung nicht wirklich gewagt, denn gerade die alten Griechen – deren einer Pythagoras ja selbst war – haben solcherlei Gesetzmäßigkeiten eigentlich hauptsächlich aus der Anschauung heraus hergeleitet. Die formale Sprache der Mathematik mit ihren – für viele Menschen meist kryptisch empfundenen – eigentümlichen Zeichen kannten die Griechen ja auch noch gar nicht.
Also, dann beginnen wir jetzt mal mit unserem rechtwinkligen Dreieck, auf dessen Seitenlängen sich der Satz des Pythagoras ja schließlich bezieht:
Um dies einzusehen, nehmen wir obiges Dreieck und legen es genau viermal in ein großes lilafarbenes Quadrat:
Mit Blick auf die rechts nochmals dargestellte Benennung
Ich meine, Ihr wisst doch sicher noch, dass die Fläche eines Quadrates mit der Seitenlänge a eben gerade durch a×a also a2 bestimmt ist, oder? Natürlich wisst Ihr das. Die von den vier Dreiecken nicht beanspruchte Fläche des großen lilafarbenen Quadrats hat also insgesamt den Flächeninhalt a2+b2. Das bitte für die folgenden Ausführungen merken.
Als nächstes nehmen wir unsere vier Dreiecke wieder aus dem großen lilafarbenen Quadrat heraus…
…und legen sie gleich wieder hinein – diesmal allerdings in wie folgt veränderter Anordnung:
„Aldä, wissu misch krrass vera♥♥♥♥♥n? Hassu bloss rumgetrixt! Das nix gleische Dreiecke wie vorhin!”
Wie, Ihr glaubt nicht, dass das dieselben Dreiecke wie eben sind? Na schön. Dann sehen wir uns das Ganze hier nochmals animiert an:
Sorry, aber überzeugender kriege ich es nicht hin. Glauben wir es jetzt also im Zweifelsfalle einfach.
Die wiederum nicht von den vier Dreiecken beanspruchte Fläche des großen lilafarbenen Quadrats muss weiterhin genauso groß sein, wie die Restfläche, die bei der ursprünglichen Anordnung unserer Dreiecke verblieben ist (also weiterhin a2+b2). Warum? Na weil es ja weiterhin genau jene vier Dreiecke sind, die wir vorhin in dasselbe große lila Quadrat hineingelegt haben – nur eben jetzt in veränderter Anordnung. Die vier Dreiecke beanspruchen also nach wie vor dieselbe Fläche des lila Quadrats wie vorher, so dass die Fläche, die nicht von den Dreiecken beansprucht wird, ebenso dieselbe Größe haben muss wie vorher. Da diese Fläche – wie wir oben gesehen haben – vorher die Größe a2+b2 hatte, muss sie also auch jetzt noch die Größe a2+b2 haben.
Bei genauem Hinsehen (bitte gerne auch nochmals auf die rechts erneut dargestellte Benennung
Damit haben wir aber genau das gezeigt, was zu zeigen war, nämlich: c2=a2+b2. Quod erat demonstrandum (ach, wie cool kommt man sich doch vor, wenn man diese oberlehrerhafte lateinische Phrase einfach mal so selbstgefällig dahinklatscht. Klasse!).
Aber jetzt mal im Ernst: das müsste doch recht eingängig gewesen sein, oder? Immerhin sollen schon die Babylonier zur Zeit der Hammurapi-Dynastie (also irgendwann zwischen dem neunzehnten und sechzehnten vorchristlichen Jahrhundert) diesen Zusammenhang zwischen den Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks erkannt haben – in einer Zeit also, in der selbst die Erfindung der Schrift noch tief in den Kinderschuhen steckte. Insbesondere ist die Urheberschaft des Pythagoras für diesen Satz daher nach heutiger Kenntnis umstritten. Möglicherweise war er aber tatsächlich der Erste, der den formalen Beweis ausgearbeitet und publiziert hat.
Wie auch immer – für Generationen von Schülern ist der Satz des Pythagoras so ziemlich der erste mathematische Satz, mit dem sie im Laufe ihrer meist unfreiwilligen mathematischen Karriere in Berührung kommen. Gehört hat also so ziemlich jeder mal was von Pythagoras. So einfach macht man sich unsterblich – ob jetzt eher geliebt oder gehasst, sei mal dahingestellt. Hat doch trotzdem was, oder?
Übrigens, wer von Euch von solcherlei Beweisen nicht genug bekommen kann, der darf sich gerne überlegen, warum man anhand unserer ursprünglichen Anordnung der Dreiecke auch gleich die erste binomische Formel beweisen kann:
Alles Liebe
Daniel