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Von der Lei­den­schaft für Tie­re und dem, was Lei­den schafft für Tiere

Hal­lo Ihr Lieben,

in letz­ter Zeit dringt das The­ma „vege­ta­ri­sche bzw. vega­ne Lebens­wei­se” immer häu­fi­ger aus unse­rem sozia­len Umfeld zu uns. Zudem hat sich die Zahl der vege­ta­risch bzw. vegan leben­den Zeit­ge­nos­sen unter unse­ren Freun­den und Bekann­ten in den letz­ten Jah­ren gefühlt deut­lich vergrößert.

Wow, Dani­el, wie packend. Als nächs­tes erzählst Du uns, dass man­che Dei­ner Freun­de sich vor dem Früh­stück, ande­re jedoch erst danach die Zäh­ne put­zen – und die Krö­nung: es gibt sogar wel­che, die tun es sowohl vor als auch nach dem Früh­stück. Wahn­sinn. End­lich ein Blog-Bei­trag, der uns vor Span­nung die Schweiß­per­len auf die Stirn treibt.

Ja, ich weiß. Vegan, vege­ta­risch, fle­xe­ta­risch, pesce­tarisch – soll doch jeder hin­sicht­lich sei­ner Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten das tun, was er aus wel­chen Grün­den auch immer für rich­tig und ange­mes­sen hält. Dar­über gibt es wahr­lich kei­ne gro­ßen Wor­te zu ver­lie­ren und schon gar kei­nen Blog-Bei­trag zu verfassen.

Oder viel­leicht doch?

Zwar ist es näm­lich durch­aus so, dass die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit unse­rer vege­ta­risch bzw. vegan leben­den Freun­de und Bekann­ten es genau nach die­sem Grund­satz hand­habt – also ihre Ernäh­rungs­phi­lo­so­phie in der Tat zu einer Sache der pri­va­ten Lebens­füh­rung macht und bes­ten­falls auf aus­drück­li­che Nach­fra­ge dar­legt, wel­che Erwä­gun­gen sie zu die­ser Lebens­füh­rung gebracht haben. In ein­zel­nen Fäl­len kommt es aber eben auch vor, dass man sich offen­bar gedrängt fühlt, sei­ne Mit­men­schen im Rah­men eines unbän­di­gen Sen­dungs­be­wusst­seins zur eige­nen Ernäh­rungs­phi­lo­so­phie zu bekehren.

Klar, auch das ist ja irgend­wo nach­voll­zieh­bar. Man hat vor nicht all­zu lan­ger Zeit eine Über­zeu­gung gewon­nen, die das eige­ne Welt­bild und die dar­aus fol­gen­de Lebens­füh­rung fun­da­men­tal ver­än­dert hat, und nun fühlt man sich beru­fen, den Rest der Welt so gut es geht für die­se Lebens­füh­rung zu gewin­nen. Im kon­kre­ten Fall, um den es mir hier geht, spricht der Erfolg die­ser mis­sio­na­ri­schen Initia­ti­ve in gewis­ser Wei­se denn auch für sich: nicht nur der Umstand, dass ich mich auf­grund des­sen letzt­lich zur Abfas­sung die­ses Blog-Bei­trags inspi­riert füh­le. Es ver­geht zudem kaum noch eine Mahl­zeit im Fami­li­en­krei­se, bei der nicht frü­her oder spä­ter auf die­se unüber­hör­ba­re Initia­ti­ve Bezug genom­men wird.

Ist das Etap­pen­ziel die­ser Initia­ti­ve damit also erreicht?

Ein­dring­lich vs. aufdringlich

Sicher – dass die Fra­ge nach dem Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te in unser aller Bewusst­sein gerückt wird, ist zwei­fel­los ein gewoll­ter Effekt der betref­fen­den Bekeh­rungs­in­itia­ti­ve. Gleich­wohl neh­me ich in unse­rem sozia­len Umfeld aber auch unver­kenn­bar eine gewis­se Kri­tik an der Form wahr, in der die wohl am ehes­ten als „vega­nis­tisch“ zu bezeich­nen­de Über­zeu­gungs­ar­beit bis­wei­len geleis­tet wird. Ich mei­ne: wer will denn auch klag­los über sich erge­hen las­sen, wie sich ande­re laut­stark in die eige­ne Lebens­wei­se einmischen?

Und nicht nur das: in jüngs­ter Zeit waren denn auch Fäl­le vega­nis­ti­schen Akti­vis­mus­ses zu beob­ach­ten, in denen der Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te regel­recht kri­mi­na­li­siert wur­de. So wur­den die Kon­su­men­ten tie­ri­schen Fleischs in einem unlängst zu lesen­den Face­book-Post auf der Sei­te eines der lei­den­schaft­li­chen Vega­nis­mus-Vor­kämp­fer unver­blümt auf eine Stu­fe mit Skla­ven­trei­bern, Hen­kern oder gar Nazi­schär­gen (!) gestellt.

Echt Leu­te, das ist schon ganz schön star­ker Tobak, zumal sich der kon­kre­te Appell, auf den ich mich hier bezie­he, an Kin­der und Jugend­li­che gerich­tet hat, die auch noch aus­drück­lich dazu auf­ge­ru­fen wur­den, ihren eige­nen Eltern kei­nen Glau­ben zu schen­ken, wenn sie anders­lau­ten­de Posi­tio­nen ver­tre­ten! Sor­ry, aber sowas ist kei­ne ein­fa­che Über­zeu­gungs­ar­beit mehr. Das ist schon eher Pro­pa­gan­da wenn nicht gar Ver­het­zung. Aber davon mal abge­se­hen: die Gleich­set­zung von Fleisch­kon­sum mit den gro­ßen Mensch­heits­ver­bre­chen der Welt­ge­schich­te ver­bie­tet sich schon allei­ne vor dem Hin­ter­grund der damit ein­her­ge­hen­den Ver­harm­lo­sung solch sin­gu­lä­rer Extre­me der tota­len Men­schen­ver­ach­tung. Da wirkt es schon fast wie eine harm­lo­se Pos­se, dass eine offen­bar vega­nis­tisch beseel­te Lehr­kraft in der Schu­le mei­ner Kin­der wäh­rend des gemein­sa­men Mit­tag­essens in der Men­sa zu einer Schwei­ge­mi­nu­te für die toten Tie­re auf­ge­ru­fen haben soll, deren Fleisch den Schü­lern gera­de zur Haupt­spei­se ser­viert wurde.

Nicht falsch ver­ste­hen: ich zol­le einer Über­zeu­gungs­ar­beit, die sich dem Schutz ande­rer Lebe­we­sen vor unter­stell­ter Miss­hand­lung ver­schrie­ben hat, grund­sätz­lich hohen Respekt. Aber ich zol­le eben auch der Mei­nung Anders­den­ken­der – vor allem aber der elter­li­chen Erzie­hungs­ver­ant­wor­tung für ihre eige­nen Kin­der eben­so hohen Respekt. Und genau hier scheint mir das Pro­blem die­ser Vor­ge­hens­wei­se zu lie­gen: es gibt eben einen Unter­schied zwi­schen gerech­ter – ger­ne auch lei­den­schaft­lich vor­ge­tra­ge­ner – Über­zeu­gungs­ar­beit und der acht­lo­sen Intru­si­on in den Lebens­be­reich sei­ner Mit­men­schen. Ein­dring­lich­keit ist eben etwas ande­res als Aufdringlichkeit.

Wer also den Schutz von Tie­ren vor Augen hat, soll­te den Respekt vor sei­nen Mit­men­schen des­we­gen nicht gleich außer Acht las­sen. Außer­dem unter­mi­niert ein solch intru­si­ves Vor­ge­hen ja auch noch das eige­ne Ziel: fühlt man sich näm­lich von die­sem aggres­si­ven Vor­ge­hen erst ein­mal bedrängt, schal­tet man ohne­hin reflex­ar­tig auf Wider­stand und Trotz. Für Ver­ständ­nis wer­ben geht jeden­falls anders.

Die eben beschrie­be­ne, höchst zwei­fel­haf­te Metho­dik, mit der hier die vega­nis­ti­sche Mis­si­on bis­wei­len betrie­ben wird, soll­te aber nicht als Recht­fer­ti­gung dafür her­hal­ten, sich um die eigent­li­che Fra­ge nach der ethi­schen Ver­tret­bar­keit des Kon­sums tie­ri­scher Pro­duk­te her­um­zu­drü­cken. Denn auch wenn die – wie ich fin­de – unge­schick­te Her­an­ge­hens­wei­se der betref­fen­den Vega­nis­ten uns wider­sin­ni­ger Wei­se vom eigent­li­chen The­ma ablenkt – am Ende des Tages muss jeder von uns die­se Fra­ge ergeb­nis­of­fen für sich beantworten:

Ist es mit unse­rer Ethik ver­ein­bar, tie­ri­sche Pro­duk­te zu nutzen?

Wir und das Tier

Um die­se Fra­ge zu ergrün­den, ist es, den­ke ich, zunächst ein­mal erfor­der­lich zu ver­ste­hen, nach wel­cher Ethik wir übli­cher­wei­se beur­tei­len, ob wir ande­ren Indi­vi­du­en mit bestimm­ten Hand­lungs­wei­sen Unrecht tun oder nicht. Pla­ka­tiv gesagt: nie­mand hat ein ethi­sches Pro­blem damit, einen Beton­block zu zer­sä­gen, aber so ziem­lich jeder hät­te ein Pro­blem damit, einen leben­di­gen Men­schen zu zer­sä­gen – zumal bei vol­lem Bewusstsein.

Das Hand­lungs­axi­om, das hier zur Anwen­dung gelangt, hat schon Rab­bi Hil­lel gemäß tal­mu­di­scher Erzäh­lung (Schab­bat, 31a) als Ant­wort auf die Fra­ge eines inter­es­sier­ten Nicht­ju­den for­mu­liert, der die gesam­te Torah erklärt haben woll­te, solan­ge er auf einem Bein ste­hen kann:

„Was du nicht willst, dass man dir tu‘ – das füg‘ auch kei­nem Ande­ren zu.“

Wir gehen also davon aus, dass ande­re Indi­vi­du­en im Wesent­li­chen das­sel­be Emp­fin­den von Leid und Schmerz haben, wie wir selbst. Und weil wir selbst nicht ger­ne Leid und Schmerz emp­fin­den, haben wir dem­nach alles zu unter­las­sen, was ande­ren Leid oder Schmerz berei­tet. Wenn wir also einen Mit­men­schen zer­sä­gen, gehen wir davon aus, dass das extrem schmerz­haft und inso­fern leid­voll für ihn ist, weil wir wis­sen, dass es das für uns selbst wäre. Außer­dem ver­stüm­meln wir ihn dabei und brin­gen ihn inso­fern um ein gehö­ri­ges Maß an Lebens­qua­li­tät, wenn wir ihn nicht sogar damit umbrin­gen und somit eine unfrei­wil­li­ge Ver­kür­zung sei­ner Lebens­zeit her­vor­ru­fen. Daher fin­den wir es ver­werf­lich, ande­re Men­schen zu zer­sä­gen. Einem Beton­block unter­stel­len wir indes­sen, dass er kei­ner­lei Emp­fin­dun­gen hat, so dass es inso­weit kei­nen Grund gibt, ihn nicht zu zersägen.

Also gut: unse­re Mit­men­schen emp­fin­den Leid und Schmerz im Wesent­li­chen genau­so,  wie wir es selbst täten, und Beton­klöt­ze tun es nicht. Wie aber steht es um Tiere?

Schon als Kin­der haben wir dazu den Spruch gelernt:

„Quä­le nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz“

Wir neh­men damit intui­tiv an, dass zumin­dest die Tie­re, die übli­cher­wei­se betrof­fen sind, wenn wir vom Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te reden – also Säu­ge­tie­re, Vögel und Fische – Schmerz in einer Wei­se emp­fin­den, die mit ähn­lich leid­vol­len Pri­mär­er­fah­run­gen ein­her­geht wie bei uns Men­schen. Dar­auf deu­ten auch die wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se der letz­ten Jahr­zehn­te zuneh­mend hin, so dass wir zur Sicher­heit bes­ser mal davon aus­ge­hen, dass unse­re übli­chen „Kon­sum­tie­re“ wirk­lich Schmer­zen in einer Form emp­fin­den, die mit dem mensch­li­chen Schmerz­er­leb­nis ver­gleich­bar ist. Unser oben dar­ge­leg­tes Hand­lungs­axi­om, durch das wir auf­ge­for­dert sind, ande­ren zu erspa­ren, was wir selbst als unan­ge­nehm emp­fin­den, muss daher – was phy­si­schen Schmerz anbe­langt ­– auch für „Kon­sum­tie­re“ gel­ten: wir müs­sen alles dar­an set­zen, dass wir Tie­ren kei­ne Schmer­zen zufügen.

Den­noch ist es außer­or­dent­lich wich­tig, in die­sem Zusam­men­hang fest­zu­hal­ten, dass man das eigent­li­che Schmerz­er­leb­nis eines Tie­res nicht objek­tiv mes­sen kann. Zwar kön­nen wir näm­lich durch­aus die Aus­schüt­tung von Boten­stof­fen und die Akti­vi­tät von Neu­ro­nen bei Men­schen und Tie­ren glei­cher­ma­ßen mes­sen und aus der Ähn­lich­keit die­ser phy­sio­lo­gi­schen Schmerz­re­ak­tio­nen auf mut­maß­lich ver­gleich­ba­res Schmerz­emp­fin­den bei Tier und Mensch schlie­ßen. Aber ob und inwie­weit die damit ein­her­ge­hen­de Sin­nes­er­fah­rung wirk­lich als leid­voll erlebt wird, kann uns nur das jeweils betrof­fe­ne Indi­vi­du­um schil­dern – wenn es dazu in der Lage ist. Bei Tie­ren ist das in aller Regel jedoch gera­de nicht der Fall.

Das klingt jetzt so, als müs­se man ver­mu­ten, dass Tie­re uns ihr Leid nur des­halb nicht schil­dern kön­nen, weil sie es nicht schlüs­sig aus­drü­cken kön­nen. Das ist aber nicht das, was ich damit mei­ne. Ich fra­ge mich viel­mehr, ob es Tie­ren nicht grund­sätz­lich an den kogni­ti­ven Fähig­kei­ten man­gelt, die nötig wären, um Spra­che, wie wir sie ken­nen, über­haupt bil­den und ver­ste­hen zu kön­nen. Und wenn dem so ist, müs­sen wir dann nicht auch anneh­men, dass es Tie­ren daher an den not­wen­di­gen kogni­ti­ven Fähig­kei­ten zur Bil­dung gedank­li­cher Kon­zep­te fehlt? Denn letzt­lich ist Den­ken Spra­che und Spra­che ist Den­ken. Wer also über kei­ne kogni­ti­ven Sprach­fä­hig­kei­ten ver­fügt, der dürf­te auch nicht in der Form den­ken kön­nen, die wir Men­schen für uns in Anspruch neh­men. Das heißt aber auch, dass der Gemüts­zu­stand unse­rer übli­chen Nutz­tie­re nicht von Erwar­tun­gen bestimmt wer­den kann, die sich aus abs­trak­ten gedank­li­chen Kon­struk­tio­nen wie „Glück”, „Erfül­lung”, „Lebens­qua­li­tät” oder „Selbst­fin­dung” spei­sen. Dem­zu­fol­ge wären Tie­re auch nicht in der Lage, dar­un­ter zu lei­den, wenn ihnen kein „Glück”, kei­ne „Erfül­lung”, kei­ne „Lebens­qua­li­tät” oder kei­ne „Selbst­fin­dung” zuteil wird, weil sie die­se Kon­zep­te gar nicht erst erfas­sen können.

Wei­den und Leiden

Wor­auf ich damit hin­aus will?

Keh­ren wir noch­mals zu obi­gem Gedan­ken­spiel mit dem Zer­sä­gen ande­rer Men­schen zurück. Neben dem eigent­li­chen unmit­tel­ba­ren Schmerz haben wir dabei min­des­tens noch einen wei­te­ren Aspekt the­ma­ti­siert, der für die Klä­rung der Fra­ge maß­ge­bend sein muss, ob und inwie­weit unser Han­deln ande­ren Indi­vi­du­en Leid zufügt: die Ein­schrän­kung deren Lebens­qua­li­tät – auch ohne unmit­tel­ba­res phy­si­sches Schmerzerlebnis.

Gehen wir jetzt also mal gedank­lich davon aus, dass wir unse­ren Tie­ren kei­ne unmit­tel­ba­ren phy­si­schen Schmer­zen zufü­gen – wel­che ande­re For­men von Leid kön­nen Tie­re dar­über hin­aus wohl empfinden?

Im moder­nen Straf­voll­zug wer­den Ver­ge­hen übli­cher­wei­se durch Geld- oder ansons­ten durch Frei­heits­stra­fen geahn­det. Das deu­tet dar­auf hin, dass wir Men­schen ins­be­son­de­re dar­un­ter lei­den, wenn man uns mate­ri­el­len Besitz oder aber das imma­te­ri­el­le Gut der Frei­heit ent­zieht. Ist das für Tie­re genauso?

Hier kommt mei­ne obi­ge Ein­las­sung zum The­ma „abs­trak­te Begriffs­bil­dung” ins Spiel. Da Tie­re augen­schein­lich nicht über die Fähig­keit zur Bil­dung sprach­li­cher Begrif­fe ver­fü­gen, muss bezwei­felt wer­den, dass sie die Fähig­keit besit­zen, abs­trak­te Kon­zep­te wie „Eigen­tum“ und „Besitz“ zu erfas­sen. Klar, auch Tie­re kon­kur­rie­ren um Nah­rungs­quel­len und strei­ten sich bis­wei­len um Ter­ri­to­ri­en oder Beu­te. Aber das Kon­zept eines abs­trak­ten mate­ri­el­len Besitz­an­spruchs scheint mir doch etwas zu sein, was die Fähig­keit zur sprach­li­chen und damit gedank­li­chen Begriffs­bil­dung vor­aus­setzt, wozu unse­re übli­chen Nutz­tie­re jeden­falls nicht in der Lage zu sein schei­nen. Daher wäre ich nicht geneigt, bei­spiels­wei­se einer Kuh zu unter­stel­len, sie wür­de dar­un­ter lei­den, dass man ihr ihre Kuh­glo­cke klaut.

Mit dem Frei­heits­ent­zug mag das anders sein. Aller­dings ist hier mei­nes Erach­tens zwi­schen der unmit­tel­ba­ren Form von Frei­heits­ent­zug – also der offen­sicht­li­chen phy­si­schen Ein­schrän­kung der natür­li­chen Bewe­gungs­frei­heit – und der mit­tel­ba­ren Form – also der Ein­schrän­kung der indi­vi­du­el­len Ent­fal­tungs­frei­heit – zu unter­schei­den. Wenn man uns Men­schen in einen engen Raum ein­sperrt, emp­fin­den wir die damit ver­bun­de­ne Ein­schrän­kung unse­rer phy­si­schen Bewe­gungs­frei­heit als über­wie­gend leid­vol­len Ent­zug. Ob das in der­sel­ben Form für Tie­re der Fall ist, hängt – den­ke ich – vor allem davon ab, ob der Man­gel an Bewe­gungs­frei­heit zu phy­si­schen Ver­än­de­run­gen führt, die das Tier ent­spre­chend auf phy­si­scher Ebe­ne wahr­neh­men kann.

Klar: wenn man ein Huhn in so eine klas­si­sche Lege­bat­te­rie­box quetscht oder ein jun­ges Kalb in enge Ein­zel­bo­xen ohne jede Bewe­gungs­frei­heit, dann muss man wohl davon aus­ge­hen, dass die Unfä­hig­keit, den natür­li­chen Bewe­gungs­drang aus­zu­le­ben, zu mani­fes­ten kör­per­li­chen Ver­än­de­run­gen führt, die von den Tie­ren als sol­che wahr­ge­nom­men wer­den – und zwar auf unan­ge­neh­me und inso­fern leid­vol­le Weise.

Die Annah­me, dass Tie­re eine Art über­ge­ord­ne­ten Frei­heits­drang hät­ten, des­sen man­geln­des Aus­le­ben zu Leid auf ent­spre­chend über­ge­ord­ne­ter men­ta­ler Ebe­ne führt, ist hin­ge­gen schwe­rer zu veri­fi­zie­ren. Wir Men­schen lei­den unter Frei­heits­ent­zug im wei­te­ren Sin­ne vor allem des­halb, weil wir eine Vor­stel­lung davon haben, was wir dabei in der Welt drau­ßen ver­pas­sen. Wir haben Erwar­tun­gen an unser Leben und eine Vor­stel­lung von ange­mes­se­ner Lebensqualität.

Dar­an, dass man Hüh­nern oder Scha­fen der­lei Erwar­tungs­hal­tun­gen an ihr Leben unter­stel­len kann, habe ich indes­sen erheb­li­che Zwei­fel. Das passt mei­nes Erach­tens nicht zu deren Ver­hal­tens­wei­sen und es spricht – wie oben bereits mehr­fach dar­ge­legt – wohl kaum etwas dafür, dass sie über­haupt über die kogni­ti­ven Fähig­kei­ten ver­fü­gen, die nötig sind, um der­art abs­trak­te Begrif­fe zu ken­nen. Es ist schwer vor­stell­bar, dass ein Schaf, wel­ches Zeit sei­nes Lebens in Stäl­len oder auf ein­ge­zäun­ten Wei­den ver­bringt, dabei im Stil­len von einem Leben in gren­zen­lo­ser Frei­heit auf immer­grü­nen Fel­dern träumt.

Ein Indiz, dass dem tat­säch­lich so ist, fin­det sich mög­li­cher­wei­se im Ver­hal­ten mensch­li­cher Klein­kin­der. Auch sie haben anfangs nur sehr rudi­men­tä­re Grund­be­dürf­nis­se – essen, trin­ken, schla­fen und Zuwen­dung. Erst mit dem Her­an­rei­fen ihrer kogni­ti­ven Fähig­kei­ten begin­nen unse­re Kin­der, wei­ter­ge­hen­de Ansprü­che ans Leben zu stel­len. Die­se Ansprü­che schei­nen somit aus zuneh­men­der Erfah­rung und der immer dif­fe­ren­zier­ten Wahr­neh­mung der eige­nen Umwelt erwor­ben wor­den zu sein. Es spricht wenig dafür, dass bei Tie­ren ein ver­gleich­ba­rer Pro­zess abläuft, denn Tie­re sind im Gegen­satz zu Men­schen bereits kurz nach der Geburt qua­si auf dem­sel­ben kogni­ti­ven Niveau wie in aus­ge­wach­se­nem Zustand.

Fazit: das Kon­zept des Ent­zugs eines über­ge­ord­ne­ten Lebens­glücks, der sich nicht in unmit­tel­bar spür­ba­ren phy­si­schen Reak­tio­nen nie­der­schlägt, dürf­te etwas sein, das nicht zur poten­zi­el­len Erfah­rungs­welt unse­rer übli­chen Nutz­tie­re gehört. Will sagen: art­ge­recht gehal­te­ne Tie­re sind aus die­sen Über­le­gun­gen her­aus ver­mut­lich nicht „unglück­li­cher“ als wild­le­ben­de Tiere.

Aller­dings gehört zur art­ge­rech­ten Hal­tung in die­sem Sin­ne auch dazu, dass Tie­re ihre unmit­tel­ba­ren sozia­len Bedürf­nis­se aus­le­ben kön­nen. Man muss ver­mut­lich davon aus­ge­hen, dass gera­de bei Säu­ge­tie­ren die anfäng­li­che Für­sor­ge des Mut­ter­tiers für sei­ne Nach­kom­men auch eine Art emo­tio­na­le Kom­po­nen­te hat, so dass es ggf. auch für Tie­re zu leid­vol­len Emp­fin­dun­gen kommt, wenn man Mut­ter­tie­re all­zu früh von ihren Jun­gen trennt. Ähn­li­ches gilt für die „sozia­le Wär­me“ gera­de bei Her­den­tie­ren: es ist durch­aus vor­stell­bar, dass gera­de Her­den­tie­re auch ohne erfah­rungs­ge­präg­te Erwar­tungs­hal­tun­gen unter Ver­ein­sa­mung lei­den, wenn man sie von ihren Art­ge­nos­sen isoliert.

Bei alle­dem muss man mei­nes Erach­tens jedoch auf­pas­sen, dass man die ver­meint­li­chen emo­tio­na­len Reak­tio­nen der Tie­re nicht all­zu leicht­fer­tig ver­mensch­licht. So ent­wi­ckeln unse­re Klein­kin­der oft eine gera­de­zu rüh­ren­de Für­sor­ge für ihre leb­lo­sen Plüsch­tie­re, weil sie ihnen men­schen­glei­che Regun­gen unter­stel­len. Wir als Erwach­se­ne soll­ten hin­ge­gen nicht unhin­ter­fragt das­sel­be mit leben­den Tie­ren machen. Wir kön­nen schlicht nicht wis­sen, was Tie­re den­ken und füh­len, weil sie es uns nicht mit­tei­len kön­nen. Die für uns mess­ba­ren Neu­ro­trans­mit­ter, Hor­mo­ne und Ner­ven­im­pul­se allei­ne sagen wenig bis nichts dar­über aus, ob und inwie­weit ein Tier sich selbst und sein Leben wirk­lich bewusst wahr­nimmt und ob bzw. inwie­weit es in ähn­li­cher Wei­se unter dem Ent­zug eines abs­trak­ten Begriffs von Lebens­glück lei­det, wie wir Menschen.

Es dürf­te kein Zufall sein, dass unse­re bild­li­chen Dar­stel­lun­gen des „Bösen” oft  klas­si­sche Merk­ma­le von Raub­tie­ren ent­hal­ten: gefletsch­te Reiß­zäh­ne, aus­ge­fah­re­ne Kral­len, glü­hen­de Schlitz­au­gen. Wir unter­stel­len also Raub­tie­ren all­zu leicht­fer­tig eine „bös­ar­ti­ge” Natur, nur weil sie ande­re Tie­re jagen und töten. Stül­pen wir ihnen aber damit nicht in unzu­läs­si­ger Wei­se mensch­li­che Wer­tungs­ka­te­go­rien über? Ähn­li­ches gilt etwa für win­seln­de Hun­de, die zuge­ge­be­ner­ma­ßen mit­leid­erre­gend aus­se­hen. Aber ist der win­seln­de Hund wirk­lich in der glei­chen Wei­se trau­rig wie wir Men­schen trau­rig sind, nur weil sein Win­seln und sei­ne Mimik bei uns ent­spre­chen­de Asso­zia­tio­nen wecken? Woher wol­len wir das wis­sen? Wie wol­len wir das objek­tiv beurteilen?

Schlach­ten oder Achten?

Was schlie­ßen wir aus alledem?

Ganz ein­fach: es spricht aus all die­sen Erwä­gun­gen her­aus vie­les dafür, dass eine art­ge­rech­te Tier­hal­tung, bei der die Tie­re selbst­ver­ständ­lich kei­nem phy­si­schen Schmerz aus­ge­setzt sind und bei der auch ihre ver­hal­tens­be­ding­ten Grund­be­dürf­nis­se berück­sich­tigt wer­den, ethisch ver­tret­bar ist. Denn es gibt gute Grün­de anzu­neh­men, dass den Tie­ren auf die­se Wei­se kein sub­jek­tiv emp­fun­de­nes Leid zuge­fügt wird. Genau die­se Ethik wür­de wohl auch jeder Vege­ta­ri­er vor­be­halts­los mit mir tei­len, denn er hat ja auch kein Pro­blem damit, Eier und Milch­pro­duk­te von art­ge­recht gehal­te­nen Tie­ren zu konsumieren.

Reden wir aber nicht län­ger um den hei­ßen Brei her­um: wenn wir unser Steak auf dem Tel­ler haben wol­len, muss das Rind­viech dran glau­ben. Punkt. Da gibt es nichts zu beschö­ni­gen. Um das Fleisch von Tie­ren zu essen oder ihre Haut als Leder zu ver­ar­bei­ten, müs­sen wir Tie­re schlicht­weg töten (es sei denn, wir war­te­ten immer erst, bis sie eines natür­li­chen Todes ster­ben und betä­tig­ten uns dann als Aas­fres­ser. Aber so läuft es nun ein­mal in der Pra­xis nicht).

Es erhebt sich also die Fra­ge, ob auch das Töten von Tie­ren im Sin­ne unse­rer hier ent­wi­ckel­ten ethi­schen Grund­sät­ze ver­tret­bar ist. Die­se Fra­ge hängt wie­der­um ent­schei­dend davon ab, ob das Schlach­ten von Tie­ren eine unzu­läs­si­ge Form der Zufü­gung von Leid dar­stellt oder nicht.

Lasst uns also zu Ver­gleichs­zwe­cken zunächst ein­mal die Grün­de reka­pi­tu­lie­ren, aus denen wir es gemein­hin (voll­kom­men zurecht) für unethisch hal­ten, unse­re Mit­men­schen zu schlach­ten. Dazu wür­de mir vor allem fol­gen­des einfallen:

  1. Das Töten eines ande­ren Men­schen ver­ur­sacht pri­mä­res Leid in Form von extre­mem Schmerz, wie er durch die für das Töten uner­läss­li­che Kör­per­ver­let­zung ver­ur­sacht wird. Zudem geht der erleb­te Tötungs­pro­zess ggf. auch mit extre­mem Leid in Form von Todes­angst einher.
  2. Mit dem Töten eines Men­schen raubt man ihm poten­zi­el­le Lebens­zeit, in der er ins­be­son­de­re Glück und Erfül­lung hät­te erfah­ren können.
  3. Der Tod eines Men­schen ruft in sei­ner sozia­len Umge­bung Trau­er und see­li­schen Schmerz über sei­nen Ver­lust hervor.
  4. Mit dem Töten eines ande­ren Men­schen ent­zieht man ihm die freie Selbst­be­stim­mung über sein Leben.

Es gibt sicher noch unzäh­li­ge ande­re gute Grün­de, aus denen wir es als höchst unethisch emp­fin­den, ande­re Men­schen zu töten. Jeden­falls gilt natür­lich auch hier der Grund­satz, dass wir unse­ren Mit­men­schen das zu erspa­ren haben, was wir an der Vor­stel­lung, getö­tet zu wer­den, als leid­voll empfinden.

Wie ist das jetzt aber mit den Tieren?

Gehen wir dazu mal die obi­gen vier Punk­te durch:

  1. Schmerz und Todes­angst:

Pas­sio­nier­te Jäger hät­ten hier wohl eine kla­re Mei­nung: ein geziel­ter Kopf­schuss im Mor­gen­grau­en und schon liegt das Reh von einem Moment auf den nächs­ten tot im Gestrüpp – und zwar noch bevor es den Schuss hören kann, mit dem es getö­tet wur­de. Für Todes­angst war defi­ni­tiv kei­ne Zeit, denn hät­te es den Jäger auch nur gewit­tert, wäre es schnel­ler weg gewe­sen, als er hät­te abdrü­cken kön­nen. Und für das Emp­fin­den von Schmer­zen dürf­te es in dem Sekun­den­bruch­teil, in dem das Tier sein Bewusst­sein durch den Ein­schlag des Pro­jek­tils ver­lo­ren hat, nicht gereicht haben.

Das klingt jetzt alles furcht­bar maka­ber und pie­täts­los. Rein „tech­nisch” betrach­tet ist es damit aber denk­bar, dass man Tie­re ohne Schmerz­er­leb­nis und ohne Todes­angst töten kann. Das ist bei den Tötungs­me­tho­den in der indus­tri­el­len Tier­hal­tung ver­mut­lich weni­ger der Fall. Aber wenn es doch so wäre, könn­te man Punkt 1 von der Lis­te der grund­sätz­li­chen Vor­be­hal­te gegen das Töten von Tie­ren streichen.

  1. Raub von poten­zi­ell glücks­er­füll­ter Lebens­zeit:

Hier wür­de ich auf mei­ne obi­gen Ein­las­sun­gen Bezug neh­men und daher zumin­dest nach­drück­lich in Fra­ge stel­len wol­len, dass Tie­re ein Kon­zept von Lebens­glück und Erfül­lung ken­nen, wel­ches dem mensch­li­chen auch nur nahe kommt. Haupt­ar­gu­ment hier­für ist wie­der­um das Feh­len der kogni­ti­ven Fähig­kei­ten, die not­wen­dig sind, um spre­chen zu kön­nen. Das Den­ken in abs­trak­ten Begrif­fen, zu denen eine Vor­stel­lung vom Ver­lauf des eige­nen Lebens zwei­fel­los gehört, ist aller Wahr­schein­lich­keit nach nicht mög­lich, wenn man nicht über ein Sprach­zen­trum ver­fügt. Unse­re mensch­li­chen Klein­kin­der machen das ein­drucks­voll vor (obwohl sie sogar über ein Sprach­zen­trum ver­fü­gen): es gibt kei­nen Anhalts­punkt dafür, dass wir einen Begriff vom Ver­lauf unse­res Lebens haben, bevor wir spre­chen kön­nen. Ver­mut­lich aus die­sem Grund haben wir auch kei­ner­lei begriff­li­che Erin­ne­run­gen an unse­re Frühkindheit.

  1. Trau­er und Ver­lust­schmerz im sozia­len Umfeld:

Ob Herin­ge oder Hüh­ner ihre Ange­hö­ri­gen ver­mis­sen, wenn sie eines Tages ein­fach nicht mehr da sind, ver­mag ich nicht qua­li­fi­ziert zu beur­tei­len. Man kann sicher bestimm­te Ver­hal­tens­wei­sen beob­ach­ten, die dar­auf hin­deu­ten, dass die Tie­re auf die dau­er­haf­te Abwe­sen­heit kon­kre­ter Art­ge­nos­sen reagie­ren. Aber ob und inwie­weit sie das als leid­voll emp­fin­den, darf zumin­dest in Fra­ge gestellt werden.

Bei Säu­ge­tie­ren könn­te das anders sein, denn es gibt alle­mal eine star­ke Bin­dung zwi­schen Mut­ter­tie­ren und ihren Nach­kom­men. Trotz­dem müs­sen wir auch hier auf­pas­sen, dass wir ihnen nicht unhin­ter­fragt unse­re eige­nen mensch­li­chen Erfah­run­gen über­stül­pen. Kann gut sein, dass eine Kuh ech­tes, bewuss­tes Unglück emp­fin­det, wenn man ihr das gera­de gebo­re­ne Kalb für immer weg­nimmt. Kann aber auch sein, dass es nicht so ist. Die Kuh kann nicht dar­über spre­chen, also kön­nen wir es nicht beur­tei­len. Und ich blei­be dabei: wer kein Sprach­zen­trum im Gehirn hat, dürf­te kaum in der Lage sein, abs­trak­te Begrif­fe wie „Fami­lie”, „Gene­ra­tio­nen” oder „Gesell­schaft” zu kennen.

Tat­sa­che ist jeden­falls, dass man mensch­li­che Säug­lin­ge durch­aus ihren Eltern weg­neh­men und sie etwa in die Obhut von Adop­tiv­el­tern geben kann, ohne dass die Säug­lin­ge erkenn­bar so dar­un­ter lei­den wür­den wie ihre erwach­se­nen Eltern. Auch hier gilt also: ohne Spra­che kei­ne abs­trak­ten Begrif­fe und ohne abs­trak­te Begrif­fe kein Leid aus Ent­zug derselben.

  1. Ein­griff in die Selbst­be­stim­mung:

Haben Tie­re ein Recht auf Selbst­be­stim­mung, das dem­je­ni­gen gleich­kommt, wie es in libe­ra­lis­ti­schen Gesell­schaf­ten für Men­schen gefor­dert wird? Zumin­dest wenn man die Tie­re in frei­er Wild­bahn beob­ach­tet, kann man das getrost ver­nei­nen. Der Gepard reißt die Anti­lo­pe, weil er Hun­ger hat. Ihr etwa­iges Recht auf freie Selbst­be­stim­mung geht ihm dabei ganz offen­sicht­lich am Aller­wer­tes­ten vorbei.

Ent­bin­det das uns Men­schen jedoch davon, den Tie­ren ein Recht auf Selbst­be­stim­mung zuzu­ge­ste­hen? Nun, Selbst­be­stim­mung erfor­dert Mün­dig­keit und die­se wie­der­um die Fähig­keit, abs­trak­te Begrif­fe wie „Gemein­schaft”, „Recht” und „Moral” zu erken­nen und nach ihnen zu han­deln. Dazu sind Tie­re auf­grund ihrer kogni­ti­ven Ein­schrän­kun­gen schlicht­weg nicht in der Lage. Sie könn­ten also gar nicht gleich­wer­ti­ger Teil einer mün­di­gen Gesell­schaft wer­den, und gera­de Her­den­tie­re sind zudem schon von ihrer natür­li­chen Ver­hal­ten­s­prä­gung her aus­ge­spro­che­ne „Mit­läu­fer”. Auch hier könn­te der Ver­gleich mit unse­ren mensch­li­chen Klein­kin­dern hel­fen: ihr Recht auf Selbst­be­stim­mung wird ihrem gesetz­li­chen Vor­mund über­tra­gen, solan­ge sie nicht einen bestimm­ten Grad an men­ta­ler Rei­fe erlangt haben. Das heißt im Klar­text, dass man sogar Klein­kin­dern von Men­schen zunächst kein Recht auf Selbst­be­stim­mung über ihr Leben zuge­steht, weil sie die dafür nöti­gen abs­trak­ten Begrif­fe nicht verstehen.

Bit­te nicht falsch ver­ste­hen: natür­lich berech­tigt uns das nicht dazu, unse­re unmün­di­gen Kin­der zu töten. Wohl aber machen wir das Recht auf Selbst­be­stim­mung von der Mün­dig­keit des betref­fen­den Indi­vi­du­ums abhän­gig, und die kön­nen wir unse­ren Tie­ren nicht in der­sel­ben Form attes­tie­ren, wie uns Menschen.

Fazit

Was heißt das jetzt für die Vor­be­hal­te gegen das Töten von Tieren?

Ich wür­de sagen, man kann es so oder auch so sehen – und damit jeden­falls nicht ein­deu­tig nur so, wie es die Vega­nis­ten sehen. Die Abfas­sung die­ses Blog-Bei­trags hat mir alle­mal dabei gehol­fen, die Fra­ge nach der ethi­schen Ver­tret­bar­keit der Nut­zung  von Tie­ren dif­fe­ren­ziert zu sehen. Ich geste­he den Vega­nis­ten vor­be­halt­los zu, dass es gute Grün­de gibt, unter durch­aus gerecht­fer­tig­ten Annah­men das Töten von Tie­ren als unethisch ein­zu­stu­fen und inso­weit abzu­leh­nen. Eben­so plau­si­bel scheint es mir aber auch zu sein, unter ver­än­der­ten – jedoch nicht weni­ger gerecht­fer­tig­ten – Annah­men die ethi­schen Vor­be­hal­te gegen das Töten von Tie­ren zu entkräften.

Die Fra­ge ist also eher, ob man hier lie­ber den vor­sich­ti­gen Ansatz fährt und inso­fern davon aus­geht, dass Tie­re eine men­schen­ähn­li­che Wahr­neh­mung ihrer Welt haben oder aber, ob man schon auf­grund des nicht vor­han­de­nen Sprach­zen­trums bei Tie­ren von einer viel schlich­te­ren Wahr­neh­mung ihrer Welt aus­ge­hen muss, in der die Vor­be­hal­te gegen das Töten von Tie­ren fol­ge­rich­tig eher auf einer Stu­fe mit den Vor­be­hal­ten gegen das Töten von Pflan­zen zu ver­or­ten wären. Denn eines ist mal klar: kein noch so fana­ti­scher Vega­nist hat auch nur das gerings­te Pro­blem damit, Pflan­zen zu töten. Und zwar, weil wir davon aus­ge­hen, dass weder ihnen noch ihren Ange­hö­ri­gen Leid oder Unrecht wider­fährt, wenn wir sie töten.

Neben­bei bemerkt: der moder­ne land­wirt­schaft­li­che Pflan­zen­an­bau kos­tet so oder so tag­täg­lich unge­zähl­ten Tie­ren das Leben – allen vor­an soge­nann­ten „Schäd­lin­gen”, die wir mas­sen­wei­se zum Tode durch Ver­gif­ten ver­ur­tei­len, um unse­re pflanz­li­che Nah­rung vor ihrem natür­li­chen Hun­ger zu schüt­zen. Hin­zu kommt, dass die aggres­si­ve Erschlie­ßung neu­er Anbau­flä­chen für unse­ren indus­tri­el­len Pflan­zen­an­bau gan­zen Tier­ar­ten ihre Lebens­grund­la­ge raubt und oft genug deren Aus­ster­ben zur Fol­ge hat. Die Illu­si­on, man kön­ne sich ernäh­ren, ohne dass Tie­re dabei drauf­ge­hen, ist also nach mei­nem Emp­fin­den ohne­hin nur Wunsch­den­ken. So betrach­tet könn­te man sogar argu­men­tie­ren, dass die Kon­su­men­ten tie­ri­schen Flei­sches in gewis­ser Wei­se ehr­li­cher sind als Vege­ta­ri­er und Vega­ner, weil sie wenigs­tens offen dazu ste­hen, dass Tie­re für ihre Ernäh­rung dran glau­ben müs­sen. Aber ja, ich weiß schon: das ist ein ganz klein Wenig pole­misch überspitzt…

Unterm Strich bleibt zu sagen, dass nach mei­ner Über­zeu­gung hier kei­ne Sei­te den Anspruch erhe­ben kann, die Wahr­heit für sich allei­ne gepach­tet zu haben. Die Fra­ge, ob Tie­ren die­sel­be Ethik wie für Men­schen oder doch eher die­sel­be Ethik wie für Pflan­zen zuteil wer­den soll­te, hängt (abge­se­hen von der Ver­mei­dung pri­mä­ren phy­si­schen Schmer­zes) über­wie­gend davon ab, ob man Tie­ren ein ähn­li­ches kogni­ti­ves Begriffs­bil­dungs­ver­mö­gen unter­stellt, wie wir Men­schen es besit­zen, oder eben nicht.

Ich per­sön­lich tra­ge Leder­schu­he und esse Fleisch von Tie­ren. Im Augen­blick kann ich mir dabei vor­be­halt­los in den Spie­gel sehen, obwohl ich zuge­ben muss, dass ich erst auf­grund des vega­nis­ti­schen Akti­vis­mus in unse­rem sozia­len Umfeld so wirk­lich ange­fan­gen habe, ernst­haft über die For­de­rung nach art­ge­rech­ter Tier­hal­tung nach­zu­den­ken. Soll­te ich mir eines Tages hin­ge­gen nicht mehr vor­be­halt­los dabei in den Spie­gel sehen kön­nen, wer­de ich mich natür­lich gleich wie­der ans Blog­gen machen und Euch aus­führ­lich die Erkennt­nis­se dar­le­gen, die mich zu die­ser neu­en Hal­tungs­än­de­rung bewo­gen haben wer­den. Stay tuned…

Alles Lie­be

Dani­el

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