Hallo Ihr Lieben,
New Horizons überträgt einstweilen weiter gemächlich Daten an die Erde. So sind seit meiner letzten Nachricht außer nachstehenden globalen Übersichten der Oberflächen von Pluto und Charon inklusive der bisher inoffiziell im Rahmen einer Online-Vorschlagskampagne vergebenen geografischen Namen jedenfalls keine neuen Bilder veröffentlicht worden:
Auffällig sind dabei die unterschiedlich guten Auflösungen, in denen die Aufnahmen der verschiedenen Oberflächenzonen bislang vorliegen. Natürlich erwartet man im Laufe der nächsten Monate nach und nach bessere Bilder, so dass das Bild der Oberflächenkarte entsprechend Stück für Stück schärfer werden wird. Witzig finde ich auch die auf Charon vergebenen geografischen Namen, die offenbar massiv von einschlägigen Science-Fiction- und Fantasy-Filmen wie Herr der Ringe („Mordor Macula“), Alien („Ripley Crater“, „Nostromo Chasma“), Star Wars („Skywalker Crater“, „Vader Crater“, „Leia Organa Crater“) oder Star Trek („Kirk Crater“, „Spock Crater“ etc.) und deren Schöpfern („Kubrick Mons“) inspiriert sind.
Bis es also wieder interessante Neuigkeiten vom Pluto gibt, möchte ich all jene unter Euch, die ich durch meine bisherigen enthusiastischen Pluto-Berichte ein wenig mit meiner Begeisterung für die Erforschung unseres Sonnensystems anstecken konnte, auf weitere NASA-Missionen aufmerksam machen, die derzeit weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit betrieben werden und als mindestens so sensationell anzusehen sind, wie New Horizons.
Allen voran möchte ich dabei die beiden „Mars Exploration Rovers“ „Spirit“ und „Opportunity“ hervorheben, die im Jahre 2004 auf dem Mars gelandet sind.
Vielleicht erinnert Ihr Euch ja noch an die Vorgeschichte der Marserkundung: die ersten Vorbeiflüge in den 1960er-Jahren durch die NASA-Sonden Mariner 4, 6 und 7, die ersten Orbiter (Flugobjekte, die in eine stabile Umlaufbahn um den betreffenden Himmelskörper gebracht werden) in den 1970er Jahren (Mariner 9) und schließlich 1976 die erste erfolgreiche Marslandung durch die beiden Viking-Sonden.
Bild von Mariner 9, das einen Ausschnitt der nach der Sonde benannten „Valles Marineris“ (Mariner-Täler) zeigt:
Bild des Viking 1 Orbiters von der Marsoberfläche mit sichtbarer Atmosphäre:
Oberflächenaufnahme des Viking 2 Landegeräts, die den frostigen Wintermarsboden zeigt:
Danach wurde es ziemlich ruhig um die Marserkundung. Die Zeit der verschwenderischen Mittelverfügbarkeit für die Raumfahrt, wie sie – motiviert durch den prestigeträchtigen Wettlauf zum Mond – zwischen Anfang der 1960er und Mitte 1970er noch gegeben war, ging zu Ende und das Wenige, was vor Ende 1996 zum Mars geschickt wurde (hauptsächlich von Seiten der Sowjetunion bzw. Russlands), hat ihn nie erreicht. Erst mehr als zwanzig Jahre nach den sensationellen aber eben auch milliardenteuren Viking-Sonden wurde dann endlich wieder erfolgreich eine Sonde auf dem Mars abgesetzt: der „Mars Pathfinder“.
Im Gegensatz zu den Viking-Sonden ist Pathfinder dabei nicht erst in eine Marsumlaufbahn eingeschwenkt, um von dort aus ein Landegerät abzusetzen. Vielmehr sollte demonstriert werden, dass man auch schlank und kostengünstig (265 Millionen Dollar anstatt 935 Millionen für Viking, die 1997 einen Gegenwert von 3,5 Milliarden Dollar gehabt hätten) zum Mars gelangen kann, indem man eine Sonde quasi direkt auf die Oberfläche des Roten Planeten schießt.
Dazu wurde die Sonde zunächst aus voller Fahrt (6,1km/s) mit einem Hitzeschild bewaffnet in die Marsatmosphäre geschickt, wo sie vom Gaswiderstand unter Entstehung einer immensen Reibungshitze auf 670m/s abgebremst werden konnte ‚so dass der Hitzeschild schließlich abgeworfen und ein Bremsfallschirm geöffnet werden konnte, der Pathfinder auf 68m/s abbremste. Kurze Zeit später wurde das eigentliche Landegerät weiter am Fallschirm hängend an einem Kabel heruntergelassen, so dass es rund 20m vor dem Fallschirm auf die Marsoberfläche herabsank. Etwa 355m über der Oberfläche wurden dann 24 Airbags in Tetraeder-förmiger Anordnung um das Landegerät aufgeblasen, um den Abstieg zunächst weiter zu verlangsamen und das Landegerät später vor dem recht harten Aufprall zu schützen. In einer Höhe von 98m über dem Marsboden wurden dann Bremsraketen an der Sondenhülle gezündet, so dass der Fall von Pathfinder zum Stillstand kam, als das von Airbags geschützte Landegerät noch etwa 21m über der Oberfläche war. Dann wurde das Haltekabel zum Landegerät durchgetrennt und die Airbagpyramide schlug mit 14m/s auf dem Marsboden ein. Dort dotzte sie ordentlich auf und flog erst einmal wieder 15m in die Höhe. Das ging dann mindestens 15 Dotzer lang so weiter, bis die Sonde endlich zum Stillstand kam. All das hat Pathfinder vollkommen autonom erledigt – ein Signal zur Erde und wieder zurück hätte rund 10 Minuten benötigt:
Später wurden dann die Airbags zusammengezogen, die Sondenhülle geöffnet und der kleine Rover „Sojourner“, der etwa die Größe eines der größeren ferngesteuerten Spielzeugautos hatte, begann seine Erkundung der Landeumgebung.
Erst 83 Tage nach der Landung ist dann die Kommunikation zu Sojourner abgerissen und die Mission für beendet erklärt worden. Das Landegerät selbst wurde übrigens „Sagan Memorial Station“ – nach dem kurz vor der Landung gestorbenen Visionär und Weltraumforschungspionier Carl Sagan – genannt.
Eine zeitgenössische Animation der gesamten Landung findet Ihr übrigens hier: https://www.youtube.com/watch?v=zZEvFyQNF90.
Doch nun kamen die beiden Mars Exploration Rover „Spirit“ und „Opportunity“ – wesentlich größer (mit ausgefahrenem Kameramast so hoch wie ein Mensch) und reichhaltiger ausgestattet als Pathfinder, der ja eigentlich in erster Linie als Technologietest gedacht war. Beide landeten kurz nacheinander im Januar 2004 auf verschiedenen Orten des Planeten – und zwar nach demselben Verfahren wie Pathfinder: Hitzebremsung in der Atmosphäre, Fallschirm, Airbags, Bremsraketen und „Dotz-Landung“.
Das primäre Missionsdesign sah eine Betriebszeit der beiden Fahrzeuge von drei Monaten vor. „Sprit“ arbeitete jedoch mit kleinen Störungen insgesamt über sechs Jahre lang. In 2009 hat er sich dann im Sand festgefahren und konnte trotz mehrfacher Versuche nicht mehr wieder freigefahren werden. Wegen des aufkommenden Marswinters wurde das solargetriebene Fahrzeug dann in einen Energiesparmodus versetzt und hat am 22.3.2010 zum letzten Mal Funksignale gesendet. Seitdem konnte kein Kontakt mehr zu ihm hergestellt werden. Am 25.5.2011 wurde Spirit dann offiziell für tot erklärt. Insgesamt hatte er zu diesem Zeitpunkt 7,73km auf dem Mars zurückgelegt!
Opportunity hingegen läuft munter weiter – und zwar bis zum heutigen Tage, also sage und schreibe seit über 11 Jahren und hat seitdem über 42 Kilometer (also mehr als einen vollen Marathon) auf dem Mars zurückgelegt! Nicht jedes für die Erde gebaute Auto hält so lange durch – und das, obwohl Ersatzteile und Werkstätten im Gegensatz zur Situation auf dem Mars jederzeit verfügbar sind. Ein Video, das die gesamte bisher von Opportunity zurückgelegte Strecke zusammenfasst, findet Ihr hier: https://www.youtube.com/watch?v=7SRGnaxMuaA.
Die immense Fülle an Bildern, Videos und wissenschaftlichen Daten, die dabei zur Erde übertragen wurden, ist natürlich nicht in einer kurzen E‑Mail zu beschreiben. Ein paar Highlights habe ich Euch aber dennoch mal nachstehend angefügt:
Sonnenuntergang über dem Gusev-Krater (man beachte den bläulichen Schimmer um die untergehende Sonne am sonst eher ockerfarbenen Marshimmel – auf der Erde ist der Himmel sonst blau und wird erst im Sonnenuntergang orangerot):
Lange Schatten am Endeavour-Krater:
Opportunity verlässt sein „Nest“ im „Eagle-Krater“ (das sogenannte „König der Löwen“-Panaorama):
Weitere sensationelle Aufnahmen der Mars Exploration Rovers findet Ihr dann hier: http://mars.nasa.gov/mer10/multimedia/images/.
Alles Liebe
Daniel