Ent­wur­ze­lung der Rationalität

Hal­lo Ihr Lieben,

in die­sem klei­nen Bei­trag woll­te ich im Zusam­men­hang mit mei­ner Bei­trags­se­rie „Vom Zäh­len zur Man­del­brot­men­ge” einen alter­na­ti­ven Beweis zum tra­di­tio­nel­len Beweis dafür prä­sen­tie­ren, dass die Wur­zel aus 2 kei­ne ratio­na­le Zahl sein kann. Auf die­se Idee bin ich gekom­men, weil ich beim Auf­ar­bei­ten des her­kömm­li­chen Bewei­ses – dem ich ja eigens einen klei­nen Blog­bei­trag gewid­met habe – fest­ge­stellt habe, dass man ihm zwar durch­aus eine gewis­se Ele­ganz nicht abspre­chen kann, er mich aber ganz am Ende trotz­dem irgend­wie in dem unbe­frie­di­gen­dem Gefühl zurück­lässt, dass ich eigent­lich immer noch nicht ver­stan­den hat, was der wirk­li­che Grund dafür ist, dass die Wur­zel aus 2 kei­ne ratio­na­le Zahl sein kann.

Ich mei­ne: ist ja schön und gut, dass man am Ende des tra­di­tio­nel­len Bewei­ses auf einen Wider­spruch stößt, weil Zäh­ler und Nen­ner eines ange­nom­me­nen Bruchs für die Wur­zel aus 2 einer­seits tei­ler­frei sein sol­len, wäh­rend sie ande­rer­seits gleich­zei­tig die 2 als gemein­sa­men Tei­ler haben müss­ten. Aber so wirk­lich klar wird mir des­halb nicht, was der eigent­li­che – sozu­sa­gen zah­len­me­cha­ni­sche Grund dafür ist – dass es kei­nen Bruch mit ganz­zah­li­gem Zäh­ler und Nen­ner geben kann, der mit sich selbst mul­ti­pli­ziert 2 ergibt.

Also habe ich mir die Mühe gemacht, die Sache noch­mals kon­struk­tiv zu durch­den­ken – in der Hoff­nung, dass ich einen ech­ten Erkennt­nis­ge­winn über den wah­ren Grund für die Irra­tio­na­li­tät der Wur­zel aus 2 ver­zeich­nen kann. Nach­ste­hend lest Ihr, was dabei her­aus­ge­kom­men ist:

Wir begin­nen – im Moment noch genau­so wie beim tra­di­tio­nel­len Beweis – mit der Annah­me, die Wur­zel aus 2 sei eben doch eine ratio­na­le Zahl. Das heißt, wir neh­men an, es gäbe eine ratio­na­le Zahl, die mit sich selbst mul­ti­pli­ziert 2 ergibt. Dann muss die­se Zahl als Bruch aus zwei gan­zen Zah­len a und b dar­stell­bar sein (b ist natür­lich ungleich 0 – sonst käme kei­ne defi­nier­te Zahl her­aus). Für die­sen Bruch „a/b” müss­te also gelten:

\frac{a}{b}\times\frac{a}{b} = 2

Nach den in mei­nem eigens dafür erstell­ten Blog­bei­trag reka­pi­tu­lier­ten Regeln für die Mul­ti­pli­ka­ti­on zwei­er Brü­che wür­de das der fol­gen­den Glei­chung entsprechen:

Bei genau­er Betrach­tung der Mecha­nik von Brü­chen kommt man nicht an der Not­wen­dig­keit vor­bei, dass die 2 auf der rech­ten Sei­te der Glei­chung (die ja eigent­lich für den Bruch „2/1” steht) irgend­wo als Tei­ler im Zäh­ler a×a auf der lin­ken Sei­te ent­hal­ten sein muss, damit sie letzt­lich aus (a×a)/(b×b) her­vor­ge­hen kann. Das muss so sein, weil der Nen­ner b×b kei­nen Bei­trag zur Ent­ste­hung der 2 im Zäh­ler des Ergeb­nis­ses rechts vom Gleich­heits­zei­chen leis­ten kann, denn sei­ne Tei­ler sor­gen bes­ten­falls dafür, dass sie sich mit Tei­lern des Zäh­lers a×a weg­kür­zen, die damit aus dem Zäh­ler rechts vom Gleich­heits­zei­chen „gelöscht” wer­den. Da nun aber rechts vom Gleich­heits­zei­chen im Zäh­ler gera­de die 2 steht, muss sie aus dem Zäh­ler a×a unse­res Bru­ches gekom­men sein:

Es gibt aber kei­ne gan­ze Zahl, die man mit sich selbst mul­ti­pli­zie­ren kann, so dass 2 her­aus­kommt (1×1 ist zu klein und 2×2 schon zu groß). Damit die 2 als Tei­ler in a×a vor­kom­men kann, muss sie daher also bereits als Tei­ler in a selbst ent­hal­ten gewe­sen sein (genau­er gesagt, ein Tei­ler von a sein):

Dann aller­dings lie­fert uns der Zäh­ler a×a gleich zwei­mal unse­re 2:

Da unser Aus­gangs­bruch aber nur die Zahl 2 und nicht etwa 2×2 zum Ergeb­nis haben soll, muss eine der bei­den Zwei­en frü­her oder spä­ter wie­der ver­schwin­den. Das kann sie aber nur, wenn eine 2 als Tei­ler im Nen­ner b×ent­hal­ten ist, mit der sie weg­ge­kürzt wer­den kann:

Da es – wie eben schon fest­ge­stellt – kei­ne gan­ze Zahl gibt, die mit sich selbst mul­ti­pli­ziert 2 ergibt, muss die aus b×b gelie­fer­te 2 also irgend­wie bereits in b selbst als Tei­ler ent­hal­ten sein (genau­er gesagt, ein Tei­ler von b sein), so dass sie eben­falls gleich zwei­mal unse­rem Nen­ner b×b vor­kom­men muss:

Dann bringt aber unser Nen­ner b×b eben auch gleich zwei­mal den Tei­ler 2 für den Ergeb­nis­nen­ner mit:

Dar­aus ergibt sich ins­ge­samt fol­gen­des Bild:

Wir sehen, dass der Aus­druck „2×2” sowohl im Zäh­ler als auch im Nen­ner unse­res Ergeb­nis­ses vor­kommt und sich daher qua­si gegen­sei­tig auf­hebt, weil man ihn sofort weg­kür­zen kann:

Damit ver­schwin­den aber ins­be­son­de­re gleich auch wie­der bei­de Zwei­en, die uns der Zäh­ler a×a für den Ergeb­nis­zäh­ler gelie­fert hat und wir ste­hen letzt­lich ganz ohne 2 im Zäh­ler des Ergeb­nis­ses da, so dass nie­mals eine 2 aus (a×a)÷(b×b) her­vor­ge­hen kann.

Sicher, viel­leicht ist ja noch in dem als „…” dar­ge­stell­ten Rest des Zäh­lers eine 2 ent­hal­ten. Aber damit wären wir wie­der bei der eben ange­stell­ten Über­le­gung ange­langt, denn die­se 2 müss­te ja auch irgend­wie aus a×a her­vor­ge­gan­gen sein, so dass sie – wie eben lang­at­mig dar­ge­legt – dann auch gleich wie­der dop­pelt im Zäh­ler vor­kä­me. Jeder Ver­such, eine die­ser bei­den Zwei­en durch eine ein­zel­ne 2 im Nen­ner zu „neu­tra­li­sie­ren” wür­de dann aber wie­der – wie eben gezeigt – gleich bei­den Zwei­en im Zäh­ler auf ein­mal den Gar­aus machen. Mit ande­ren Wor­ten: die 2, die aus (a×a)/(b×b) her­vor­ge­hen soll, wür­de immer im Dop­pel­pack aus dem Zäh­ler a×a her­vor­ge­hen und könn­te ande­rer­seits nur im Dop­pel­pack aus dem Nen­ner b×b her­aus weg­ge­kürzt wer­den. Daher kann sie nie ein­zeln im Zäh­ler des Ergeb­nis­ses auf der rech­ten Sei­te der Aus­gangs­glei­chung erschei­nen, so dass dort nie­mals 2 her­aus­kom­men kann.

Etwas ande­res wäre es, wenn wir die Wur­zel aus einer Zahl such­ten, die selbst das Qua­drat aus einer gan­zen Zahl ist – sagen wir 9 (also 3×3). Dann muss die 9 nicht unbe­dingt selbst in a ent­hal­ten sein, damit a×a durch 9 teil­bar ist, denn a könn­te ja zweck­mä­ßi­ger­wei­se gera­de 3 sein. In der Tat ist es so, dass jeder Bruch, des­sen Zäh­ler und Nen­ner jeweils Qua­dra­te gan­zer Zah­len sind, eine Wur­zel hat, die selbst eine ratio­na­le Zahl ist. Für die aller­meis­ten Brü­che ist das aber halt lei­der nicht der Fall.

Also ob Euch das jetzt einen Erkennt­nis­ge­winn ver­schafft hat oder nicht – bei mir ist der Gro­schen immer­hin gefal­len. End­lich habe ich mir eine kla­re Vor­stel­lung davon erar­bei­tet, war­um die Wur­zel aus 2 nicht ratio­nal sein kann. War nett von Euch, dass Ihr mir dabei zuge­hört habt. Ehr­lich. Danke!

Alles Lie­be

Dani­el

3 Kommentare

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  • Sehr cool! Hier viel­leicht noch eine etwas ein­fa­che­re Betrach­tungs­wei­se des sel­ben Prin­zips. Ange­nom­men \sqrt{2} wäre ratio­nal, d.h. \sqrt{2} = p/q. Dar­aus folgt: p\times p = 2\times q\times q. Sowohl p\times p als auch q\times q müs­sen als Qua­dra­te eine gera­de Anzahl von Prim­fak­to­ren (ins­be­son­de­re vom Fak­tor 2) haben. 2\times q\times q hat aber eine unge­ra­de Anzahl an 2‑Faktoren. Widerspruch.

    • Mega­cool! Das ist wirk­lich der Beweis auf sein abso­lu­tes essen­ti­el­les Mini­mum redu­ziert und per­fekt auf den Punkt gebracht. Dan­ke! Aller­dings glau­be ich, dass der nicht-mathe­ma­ti­sche Mensch mit die­ser eben­so kom­pak­ten wie ele­gan­ten Beweis­dar­stel­lung etwas über­for­dert wäre. Inso­fern ist mei­ne etwas läng­li­che Umschrei­bung des­sel­ben mög­li­cher­wei­se aus didak­ti­scher Sicht für nicht-mathe­ma­ti­sche Men­schen adäquater. 

      Übri­gens, wenn man Dei­ne Ver­si­on auf die Wur­zeln von Zah­len aus­wei­ten will, die selbst kei­ne Prim­zah­len sind — also etwa die 6 — dann muss man auf die Anzahl der Vor­kom­men jedes ein­zel­nen Prim­fak­tors abstel­len, denn am Bei­spiel 6 mit den Prim­fak­to­ren 2 und 3 käme sonst durch­aus ins­ge­samt eine gera­de Anzahl an Prim­fak­to­ren für 6\times q\times q heraus.

    • Du hast natür­lich recht mit den ein­zel­nen Prim­fak­to­ren. So habe ich es auch gemeint. Aller­dings ist für den Beweis tat­säch­lich nur die Anzahl des Prim­fak­tors 2 relevant.

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