Mein Yom Kippur

Hal­lo Ihr Lieben,

es ist tat­säch­lich unglaub­li­che zwei Jah­re her, dass ich das letz­te Mal geblogt habe. Die­je­ni­gen unter Euch, die  mit mei­nen Lebens­um­stän­den seit Ende 2015 eini­ger­ma­ßen ver­traut sind, wer­den wis­sen, was mich seit die­ser Zeit so sehr ver­ein­nahmt hat, dass ich lei­der nicht mehr dazu gekom­men bin, mich mei­nem Blog zu wid­men. Aller­dings haben sich die­se Lebens­um­stän­de zwi­schen­zeit­lich wie­der wei­test­ge­hend aus­ge­wach­sen und mein All­tag folgt wie­der halb­wegs geord­ne­ten Bah­nen.  Das erlaubt mir, den Faden mei­ner Blog­ge­rei end­lich wie­der auf­zu­neh­men, was aus aktu­el­lem Anlass mit die­sem Bei­trag gesche­hen soll.

Ges­tern Abend ist näm­lich Yom Kip­pur, der höchs­te Jüdi­sche Jah­res­fei­er­tag, zu Ende gegan­gen und ich möch­te ger­ne eini­ge für mich sehr bedeut­sa­me Ein­drü­cke mit Euch tei­len, die ich dabei gewon­nen habe. Den­je­ni­gen unter Euch, die mit den Jüdi­schen Fei­er­ta­gen weni­ger ver­traut sind, sei dabei zunächst gesagt, dass Yom Kip­pur (auf Deutsch ger­ne auch als „Ver­söh­nungs­tag” bezeich­net) der­je­ni­ge Tag ist, an dem nach Jüdi­scher Über­lie­fe­rung das bereits zehn Tage zuvor am Jüdi­schen Neu­jahrs­tag („Rosh Hash­a­nah”) gefäll­te himm­li­sche Urteil über unser Schick­sal im kom­men­den hebräi­schen Kalen­der­jahr end­gül­tig besie­gelt wird. Es ist also ein Tag der Ein­kehr, des Ein­ge­ständ­nis­ses eige­nen Fehl­ver­hal­tens, der Bit­te um himm­li­sche Ver­ge­bung aber auch der Bit­te um irdi­sche Ver­ge­bung gegen­über Men­schen, denen man Unrecht getan hat. Vor allem aber ist Yom Kip­pur ein Tag der Umkehr in Form des Vor­sat­zes, sei­ne mora­li­sche Bilanz für das kom­men­de hebräi­sche Kalen­der­jahr zu verbessern.

Die Lit­ur­gie die­ses Tages (den man wohl bes­ser als „Ver­ge­bungs­tag” bezeich­nen soll­te) ist bestimmt von einem gut 25 Stun­den andau­ern­den voll­stän­di­gen Ver­zicht auf Nah­rungs­auf­nah­me jed­we­der Art und über­haupt auf alle Hand­lun­gen, die sich auf Erhalt und Pfle­ge unse­rer mate­ri­el­len Exis­tenz bezie­hen – also ins­be­son­de­re Kör­per­pfle­ge, Sexua­li­tät, Kos­me­tik und Klei­der­kult. Sinn die­ser Vor­ga­ben ist es, die mate­ri­el­le Sei­te der eige­nen Exis­tenz als pri­mä­re Quel­le unse­rer sün­den­träch­ti­gen Trieb­haf­tig­keit für die­sen einen Tag so gut es geht zu negie­ren und sich G*tt soweit es geht zu nähern, indem man sich – nahe­zu engels­gleich – auf den spi­ri­tu­el­len Teil sei­ner Exis­tenz fokussiert.

Beglei­tet wird die­ser Tag von einer Fol­ge exten­si­ver G*ttesdienstaktivitäten, begin­nend mit dem gut zwei- bis drei­stün­di­gen ers­ten Abend, der nach dem ihn prä­gen­den ein­lei­ten­den Gebet „Kol Nidrej” benannt ist. Am Mor­gen geht es dann mit einer rund sechs­stün­di­gen Mam­mut­ver­an­stal­tung wei­ter, bevor sich der Aus­klang des Tages kurz vor Son­nen­un­ter­gang mit einem wie­der­um rund zwei­ein­halb Stun­den wäh­ren­den Abendg*ttesdienst anschließt.

Was Yom Kip­pur so ein­zig­ar­tig macht, ist aus mei­ner Sicht der Umstand, dass er in der einen oder ande­ren Form von so gut wie allen Juden in allen Deno­mi­na­tio­nen des Juden­tums beach­tet wird. Es ist die­ser eine Tag im Jahr, an dem sich selbst der säku­la­ri­sier­tes­te Jude plötz­lich auf son­der­sa­me Wei­se ange­spro­chen fühlt und an dem es ihn ent­spre­chend unauf­halt­sam in den Synagogeng*ttesdienst zieht. Erfreut sich also die Syn­ago­ge unter­jäh­rig in der Regel über­wie­gend gäh­nen­der Lee­re, erlebt man schon auf dem Fuß­weg zum Kol-Nidrej‑G*ttesdienst, wie aus allen Ecken um die Syn­ago­ge her­um Men­schen her­bei­strö­men, deren Jüdi­sche See­le sich in ihrem tiefs­ten Inne­ren geregt zu haben scheint und sie dar­an erin­nert hat, dass es da noch etwas ande­res gibt, als unser all­zu säku­la­rer, von mate­ri­el­len Bedürf­nis­sen gepräg­ter Alltag.

Und wenn dann die ers­ten Töne der uralten, melan­cho­li­schen Melo­die des „Kol Nidrej” erklin­gen, spürt man, wie die­se all­um­fas­sen­den Schwin­gun­gen der uns ver­bin­den­den Tra­di­ti­on plötz­lich etwas in uns wach­ru­fen, das uns als Gemein­schaft unter­ein­an­der aber auch mit der gesam­ten Geschich­te unse­res Vol­kes und den himm­li­schen Sphä­ren ver­bin­det, auf die sich unser gemein­sa­mer Glau­be richtet.

Jaja, das klingt jetzt wirk­lich pathe­tisch und wird in der Tat auch ganz schnell wie­der dadurch rela­ti­viert, dass es selbst wäh­rend der paar Minu­ten, die der Vor­trag des Kol Nidrej in Anspruch nimmt, immer wie­der nicht zu weni­ge Unver­bes­ser­li­che gibt, die sich trotz­dem lie­ber dem gesel­li­gen Gespräch mit­ein­an­der wid­men und die­ser ergrei­fen­den Wel­le ver­bin­den­der Spi­ri­tua­li­tät damit gleich wie­der vie­les von ihrem kraft­vol­len Poten­zi­al rau­ben. Die­se Hal­tung zieht sich dann lei­der auch wie ein roter Faden durch den Morgeng*ttesdienst am nächs­ten Tag, bei dem der Lärm­pe­gel bis­wei­len deut­lich mehr an einen Israe­li­schen Wochen­markt als an eine lit­ur­gi­sche Ver­an­stal­tung erin­nert. Zwar drängt die Jüdi­sche See­le also einer­seits auf erstaun­li­che Wei­se Vie­le in die Syn­ago­ge, die sie ansons­ten nicht ein­mal mit ihrem Hin­tern anschau­en wür­den, scheint sich dann aber ande­rer­seits wie­der ziem­lich regungs­los zu ver­hal­ten, wenn jene Aus­nah­me­be­su­cher erst ein­mal in der Syn­ago­ge ange­kom­men sind.

Es hat also nicht all­zu lan­ge gedau­ert, bis in mir wie­der die­se unse­li­ge Mischung aus Unver­ständ­nis und Groll zu bro­deln begon­nen hat, von der ich all die vie­len Jah­re, in der ich als Gab­bai (= als Mit­glied des Syn­ago­gen­vor­stands) tätig war, stets beglei­tet und schließ­lich geprägt wor­den bin, was mich letzt­lich ja auch dazu bewegt hat, die­ses Amt nach bald zwölf Jah­ren nie­der­zu­le­gen. Wie­so nur, frag­te ich mich mal wie­der, ver­steht hier kei­ner, was an die­sem Tag eigent­lich Pro­gramm ist?

Wer ein­mal gese­hen hat, wie sich streng ortho­do­xe Juden seit uralten Zei­ten und bis in die Gegen­wart hin­ein an die­sem Tage regel­recht in Exta­se wie­gen und wei­nen, wäh­rend sie sich in die kla­gen­den, demuts­för­dern­den Gebe­te ver­tie­fen und sich dabei ihrem Schöp­fer immer wei­ter nähern, ja gera­de­zu nach ihm grei­fen kön­nen – und zwar als Indi­vi­du­um wie glei­cher­ma­ßen als Kol­lek­tiv – dem muss es ein­fach kör­per­li­che Schmer­zen berei­ten mit­zu­er­le­ben, wie der über­wie­gen­de Teil der Anwe­sen­den in unse­rer Syn­ago­ge sich gedan­ken­los in all­zu laut­star­ke pro­fa­ne Gesprä­che ver­tieft, Eltern einen Scheiß feuch­ten Keh­richt dar­auf geben, wenn ihre Kin­der kra­kee­lend und tram­pelnd in der Syn­ago­ge Fan­gen spie­len und weit über die Hälf­te der Anwe­sen­den gera­de­zu panik­ar­tig das Wei­te sucht, kaum dass die letz­ten Töne des Jis­kor-Gebets (das Gebet zum Geden­ken an die Ver­stor­be­nen) ver­klun­gen sind – ganz so, als hät­ten sie Angst, sich mit dem Syn­ago­gen­vi­rus zu infi­zie­ren, wenn sie auch nur eine Minu­te län­ger blieben.

War’s das also wie­der mal für mich? Die West­end­syn­ago­ge wie­der mal als Quel­le der wüten­den Ent­rüs­tung und bit­te­ren Ent­täu­schung auf der ver­zwei­fel­ten Suche nach gemein­schaft­lich geleb­ter, ver­bin­den­der und zu G*tteserfahrungen füh­ren­der Spiritualität?

Könn­te man mei­nen – und doch: es kam ganz anders.

Es geschah ziem­lich plötz­lich, und zwar kurz vor Ende des Ne’i­lah-Gebets, mit dem Yom Kip­pur im Son­nen­un­ter­gang sei­nen Abschluss fin­det. „Ne’i­lah” (נעילה) bedeu­tet wört­lich „Schlie­ßung” und bezieht sich auf die über­lie­fer­te Meta­pher, dass sich mit dem Aus­klang von Yom Kip­pur die himm­li­schen Pfor­ten für unse­re Für­bit­ten um ein posi­ti­ves Urteil unwei­ger­lich zu schlie­ßen begin­nen. So hat sich etwa im Jid­di­schen das Idi­om „es gayt tsi nile” („Es geht auf Ne’i­lah zu”) geprägt, das mit dem Deut­schen „Es ist fünf vor zwölf” ver­gleich­bar ist. Jeden­falls kul­mi­niert im Ne’i­lah-Gebet nor­ma­ler­wei­se unser gan­zes Stre­ben nach der erlö­sen­den Besie­ge­lung unse­res erhoff­ten Ein­trags in das Buch des Lebens. In unse­rem gest­ri­gen Fal­le wur­de Ne’i­lah denn auch mit anste­cken­der Lei­den­schaft und geball­ter Emo­tio­na­li­tät von unse­rem geehr­ten Rab­bi­ner Avichai Apel vor­ge­tra­gen – also gera­de so, wie es im güns­tigs­ten Fall sein sollte.

Einen nicht unwe­sent­li­chen Teil der Zeit die­ses gut eine Stun­de wäh­ren­den Gebets ver­brach­te ich neben dem Vor­trags­pult (der „Bimah” – wört­lich „Büh­ne”) in der Mit­te der Syn­ago­ge ste­hend und habe mich dort, wie so oft, inner­lich dar­über echauf­fiert, dass wie­der mal so man­cher Igno­rant die­sen bewe­gen­den Moment der um sich grei­fen­den Spi­ri­tua­li­tät mit gera­de­zu respekt­lo­ser Gleich­gül­tig­keit pro­fa­nen Gesprä­chen zu wid­men schien – also mal wie­der der abso­lu­te Show­stop­per für jed­we­des gemein­schaft­lich geteil­te Stre­ben nach spi­ri­tu­el­ler Erhö­hung. Mei­ne mehr­fa­chen Ver­su­che, jene acht­lo­sen Stö­rer durch lau­tes Schla­gen auf das Gelän­der des Vor­trags­pults zu dis­zi­pli­nie­ren, ver­puff­ten meist wir­kungs­los im Nichts.

Aber dann pas­sier­te es: es waren die aller­letz­ten Minu­ten von Ne’i­lah und damit des gesam­ten Yom Kip­pur, als Rab­bi­ner Apel die letz­te Phra­se des „Avinu Malk­einu”-Gebets anstimm­te. Bei die­sem Gebet, das täg­lich von Rosh Hash­a­nah bis Yom Kipur gesagt wird, han­delt es sich um eine regel­rech­te Bestell­lis­te an Zuwen­dun­gen aller Art, die wir uns von G*tt erbe­ten. Erst in den aller­letz­ten Stro­phen – und dabei vor allem in besag­tem letz­ten Satz – rücken wir G*tt gegen­über mit der beklem­men­den Wahr­heit her­aus, dass wir all jenes erbe­ten, ohne uns auch nur irgend­wie dar­um ver­dient gemacht zu haben:

Unser Vater, unser König, erwei­se uns Gna­de und erhö­re uns, denn wir haben kei­ne ver­dienst­vol­len Hand­lun­gen. Erwei­se uns Mil­de und Güte und erlö­se uns!

Plötz­lich, urplötz­lich, wie aus eben jenem Nichts, in dem kurz zuvor noch mei­ne ver­är­ger­ten Maß­re­ge­lungs­ver­su­che ver­pufft waren, ergriff es sie alle – jene Stö­rer, die bis zu die­sem Moment das gesam­te Gesche­hen um sie her­um bes­ten­falls als erträg­li­che Hin­ter­grund­mu­sik zu emp­fin­den schie­nen, eben­so wie jeden ande­ren in der gesam­ten Syn­ago­ge: aus­nahms­los alle stimm­ten ein in die­se wun­der­sam bewe­gen­de tra­di­tio­nel­le Melo­die eines unbe­kann­ten Kom­po­nis­ten, die zunächst mehr­fach vor­sich­tig im Domin­an­tak­kord die letz­ten vier Töne der har­mo­ni­schen Moll­ton­lei­ter hin­auf- und wie­der hin­un­ter­klet­tert und die Sub­do­mi­nan­te dabei geschickt durch den Gegen­klang umschifft, um erst sehr spät die erlö­sen­de Toni­ka und end­lich auch die Sub­do­mi­nan­te als ulti­ma­ti­ven Höhe­punkt zu errei­chen, bevor sie – als offe­nes Ende – in der Domi­nan­te verklingt.

Es war, als hät­te sich die Jüdi­sche See­le jedes Ein­zel­nen just in die­sem Moment, kurz vor Tores­schluss, end­lich ihren lang ersehn­ten Weg aus der Gefan­gen­schaft unse­res säku­la­ri­sier­ten, mate­ria­lis­ti­schen All­tags gebahnt, um sich mit den See­len der gesam­ten ver­sam­mel­ten Gemein­schaft zu einem Gan­zen zu ver­bin­den, das unbe­schreib­lich viel grö­ßer wur­de, als die blo­ße Sum­me der Anwe­sen­den. Ich sah mich um und erblick­te lau­ter Gesich­ter, in denen sich die Innig­keit die­ser erup­tiv ent­stan­de­nen Spi­ri­tua­li­tät unver­kenn­bar wider­spie­gel­te. Die Men­schen wieg­ten sich oft mit den typisch geschlos­se­nen Augen einer tie­fen Ein­kehr in den Schwin­gun­gen des gemein­schaft­li­chen Gesangs, der sie alle wie die Wogen eines auf­ge­wühl­ten Mee­res zu tra­gen und in Bewe­gung zu set­zen schien.

Als die letz­ten Töne des Avinu Malk­einu in dem legen­dä­ren Nach­hall unse­rer Syn­ago­ge ver­klun­gen waren, hör­te man für weni­ge Sekun­den – nichts. Ja, Ihr lest alle ganz rich­tig: in unse­rer Syn­ago­ge hör­te man tat­säch­lich – NICHTS. Es war die tota­le Ergrif­fen­heit aller Anwe­sen­den, die zum ers­ten Mal an die­sem gesam­ten gut 24 Stun­den wäh­ren­den Yom Kip­pur die abso­lu­te Stil­le in unse­rer Syn­ago­ge her­vor­ge­bracht hat­te. Alle schie­nen intui­tiv ver­stan­den zu haben, dass es wirk­lich sie selbst sind, die in Erkennt­nis ihrer eige­nen all­täg­li­chen Fer­ne von Glau­be und Spi­ri­tua­li­tät aus der letz­ten Stro­phe des Avinu Malk­einu spre­chen „wir haben kei­ne ver­dienst­vol­len Hand­lun­gen”. Und sie baten aus die­ser instink­ti­ven Erkennt­nis her­aus mit bis zu die­sem Moment unge­kann­ter gemein­schaft­li­cher Lei­den­schaft um jene Gna­de, Mil­de, Güte und Erlö­sung, die mit der letz­ten Stro­phe her­bei­ge­fleht wer­den sollen.

Und es kam noch bes­ser: der letz­te Teil der Ne’i­lah-Lit­ur­gie besteht aus dem ein­ma­li­gen Aus­ru­fen des ers­ten Sat­zes unse­res Jüdi­schen Glau­bens­be­kennt­nis­ses, dem „Shma Yis­ra­el” („Höre Isra­el”), gefolgt vom drei­ma­li­gen Aus­ru­fen des­sen zwei­ten Sat­zes und schließ­lich dem sie­ben­ma­li­gen Aus­ru­fen der Phra­se „HaSh­em Hu haE­lo­kim!” – „Der Ewi­ge, nur er ist G*tt”. Alle, wie sie dastan­den, waren noch so ergrif­fen von die­sem erlö­sen­den Moment die­ses plötz­li­chen Durch­bruchs der so lan­ge ver­pass­ten Gele­gen­heit, Spi­ri­tua­li­tät als all­um­fas­sen­de, die Gemein­schaft ver­bin­den­de und G*ttlichkeit her­vor­brin­gen­de Aus­drucks­form der Jüdi­schen See­le zu erle­ben, dass sie die­se schlich­ten Aus­ru­fe nach all der kom­ple­xen Lit­ur­gie der ver­gan­ge­nen Stun­den urplötz­lich in einer Innig­keit und mit einer ergrei­fen­den gemein­schaft­li­chen Lei­den­schaft voll­zo­gen, die nach mei­ner Erin­ne­rung zumin­dest in den letz­ten Jah­ren ihres­glei­chen sucht.

Und als ob das alles nicht schon bewe­gend genug gewe­sen wäre, fand es sei­nen ulti­ma­ti­ven Höhe­punkt schließ­lich in einer Tra­di­ti­on, die zumin­dest in der Frank­fur­ter West­end­syn­ago­ge seit min­des­tens fünf­zig Jah­ren unge­bro­chen gepflegt wird: wir been­den Yom Kip­pur immer mit der Natio­nal­hym­ne des Staa­tes Isra­el, der „Hatik­vah” („Die Hoff­nung”). Die Melo­die der Hatik­va ist dem­sel­ben böh­mi­schen Volks­lied ent­lehnt wie das Haupt­the­ma aus Sme­ta­nas Mol­dau und ist, bezo­gen auf ihr ers­tes The­ma, bei Lich­te betrach­tet eigent­lich kaum mehr als die ver­moll­te Ver­si­on von „Alle mei­ne Ent­chen”. Umso erstaun­li­cher also, wel­che Emo­tio­na­li­tät die­se schlich­te Melo­die her­vor­zu­brin­gen in der Lage ist. Der Text dazu stammt aus dem von Naf­ta­li Herz Imber im spä­ten neun­zehn­ten Jahr­hun­dert ver­fass­ten Gedicht „Tik­vat­einu” („Unse­re Hoff­nung”), des­sen ers­te Stro­phe in leicht abge­wan­del­ter Form in die Natio­nal­hym­ne ein­ge­flos­sen ist:

Solan­ge sich im Inne­ren des Her­zens eine Jüdi­sche See­le sehnt,
und vor­wärts zu den Gefil­den des Ostens ein Auge nach Zion blickt,
solan­ge ist unse­re Hoff­nung nicht ver­lo­ren: unse­re zwei­tau­send Jah­re alte Hoff­nung, ein frei­es Volk in unse­rem Land zu sein, im Lan­de Zions, und Jerusalems

Kei­ne Lyrik hät­te bes­ser beschrei­ben kön­nen, was sich da von mei­nen Augen abge­spielt hat: ich sah und erleb­te, wie sich aus­nahms­los bei allen Anwe­sen­den im Inne­ren des Her­zens die jüdi­sche See­le sehn­te und ihrer Sehn­sucht end­lich gemein­schaft­li­cher, spi­ri­tu­el­ler Aus­druck ver­lie­hen wur­de. Und ich sah und erleb­te, wie wir alle nach Osten blick­ten (Syn­ago­gen sind im Abend­land immer ost­wärts, also auf Jeru­sa­lem zei­gend, aus­ge­rich­tet). Und wäh­rend der Kloß im Hals mei­ne ansons­ten weit­hin ver­nehm­ba­re Stim­me zu ersti­cken droh­te ver­stand ich: unse­re Hoff­nung ist nicht ver­lo­ren. Ich spür­te wie die­se Innig­keit, mit der wir alle die Hatik­vah san­gen, etwas frei­setz­te, das aus­ge­rech­net in die­sen Sekun­den, in denen sich die himm­li­schen Pfor­ten für unse­re Für­bit­ten schlos­sen, nicht ein­mal G*tt selbst unbe­wegt las­sen konn­te. Die­se auf­rich­ti­ge, authen­ti­sche und unge­hemmt auf­wal­len­de Offen­ba­rung der jahr­tau­sen­de­al­ten Sehn­sucht unse­rer in die­sem Moment ver­ein­ten Jüdi­schen See­len – ich wuss­te ein­fach, dass sie ihr Ziel nicht ver­fehlt hat­te und wir uns alle die Besie­ge­lung im Buch des Lebens in die­sem aller­letz­ten Augen­blick ver­dient hatten.

Und genau das ist Yom Kippur.

Alles Lie­be

Dani­el

8 Kommentare

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  • „Wun­der gibt es immer wie­der” fällt mir spon­tan zu Dei­nem Bei­trag ein. Das Bedau­er­li­che dabei: Die mensch­li­che Unge­duld, die nach sofor­ti­gen Wun­dern ver­langt. Denn meis­tens brau­chen Wun­der etwas län­ger. Und den meis­ten Men­schen (auch jenen, die für Spritu­el­les grund­sätz­lich emp­fäng­lich sind) wird die Zeit dafür oft zu lang. Man­ches Wun­der braucht sogar Jahr­zehn­te (Jahr­hun­der­te, Jahr­tau­sen­de?). Für die­ses hier brauch­te es nur 24 Stun­den. Ein bewe­gen­der, lehr­rei­cher Bericht. Vie­len Dank, lie­ber Daniel.

  • 1. In נוסח אשכנז wird die letz­te Stro­phe von אבינו מלכנו lei­se gesagt, aus Scham. So war es gewiss auch in Frank­furt vor dem Krieg. Macht auch Sinn, wenn man sich den Text mal anschaut.
    2. Ich sehe einen gewis­sen kau­sa­len Zusam­men­hang zwi­schen dem Besin­gen von עם חופשי und dem unver­fro­re­nen Lärm­pe­gel in einem G‑tteshaus am hei­ligs­ten Tag des jüdi­schen Jah­res. Dass die kla­re Refe­renz auf אליהו חנבי auf dem הר הכרמל und der dor­ti­gen jüdi­schen Selbst­ver­pflich­tung auf den Dienst an השם am Ende von נעילה über­schat­tet wird vom Beju­beln einer Frei­heit, die in Geist und Tat יום כיפור dia­me­tral ent­ge­gen­steht, ist Aus­druck der fal­schen Prio­ri­sie­rung, die die­se Rück­sichts­lo­sig­keit erst ermög­licht. (Eine gelehr­te Aus­ein­an­der­set­zung mit den diver­sen Frei­heits­be­grif­fen in לשון הקודש gibt es z. B. hier .) Wür­de man doch wenigs­tens להיות עם קודשי בארצנו singen.
    3. Betrüb­lich, dass man sich dar­über freu­en muss, wenn für weni­ge Minu­ten dass ein­tritt, was anders­wo mit gros­ser Selbst­ver­ständ­lich­keit nicht nur den gan­zen Tag, son­dern das gan­ze Jahr andauert.
    4. Von wel­cher Bestän­dig­keit die neu­ge­fun­de­ne Inspi­ra­ti­on ist, wird man bereits am unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den סוכות beob­ach­ten können.

    • Hi mein Lieber, 

      vie­len Dank für die aus­führ­li­che Kom­men­tie­rung. Dass man in der asch­ke­na­si­schen Tra­di­ti­on die letz­te Stro­phe von Avinu Malk­einu lei­se gesagt hat, ist mir bekannt. Aller­dings war das bei uns noch nie so und ich selbst ken­ne auch kei­ne Syn­ago­ge, in der das heu­te noch so gehand­habt wür­de. Ich fin­de zudem, dass der inni­ge, von jener bewe­gen­den Melo­die gepräg­te Vor­trag, wie wir ihn heu­te prak­ti­zie­ren, vie­les für sich hat: es geht hier um das ehr­li­che und unver­blüm­te Bekennt­nis unse­rer mora­li­schen Unzu­läng­lich­keit. Wür­de man dies unter vor­ge­hal­te­ner Hand vor­tra­gen, ver­lö­re es an Aufrichtigkeit.

      Die Hoff­nung dar­auf, „ein frei­es Volk” zu sein, wie sie in Imbers „Tik­vat­einu” zum Aus­druck gelangt, ist sicher ein Kind ihres zeit­li­chen Kon­texts. Wo die Fran­zo­sen „Ega­li­té, Liber­té und Fra­ter­ni­té” und die Deut­schen „Einig­keit und Recht und Frei­heit” rufen, wo die immer häss­li­che­re Frat­ze des neu­en, völ­kisch gepräg­ten Anti­se­mi­tis­mus all­ge­gen­wär­tig zur Bedro­hung wird, wo Theo­dor Herzl sei­nen legen­dä­ren Satz „wenn ihr wollt, ist es kein Mär­chen” in die Welt gesetzt hat, da ist das Stre­ben nach „Frei­heit” schlicht­weg Aus­druck des Zeit­geists. Zudem ist ins­be­son­de­re die Geburt der Jüdi­schen Nati­on im Zusam­men­hang mit dem Aus­zug aus Ägyp­ten ja ganz aus­drück­lich eine Geschich­te der Befrei­ung, durch die unse­re Iden­ti­tät ent­schei­dend bestimmt wird. Ich glau­be also nicht, dass die Hatik­vah auf die Frei­heit abstellt, sich pri­mär über die Regeln unse­res Glau­bens hin­weg­zu­set­zen. Nach fast zwei Jahr­tau­sen­den der Aus­gren­zung, Ver­fol­gung und Ver­trei­bung ist es wohl das Stre­ben nach Selbst­be­stim­mung, um das es den Zio­nis­ten des spä­ten neun­zehn­ten und frü­hen zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts gegan­gen ist. War­um das dem von Dir gefor­der­ten Bestre­ben ent­ge­gen­ste­hen soll, ein hei­li­ges Volk zu wer­den, erschließt sich mir nicht so recht.

      Ja, es wäre zwei­fel­los schö­ner, wenn der gesam­te Ver­lauf des Yom Kip­pur eine ein­zi­ge spi­ri­tu­el­le Offen­ba­rung für alle böte. Aber unse­re Gemein­de ist, wie sie ist und das hat viel­schich­ti­ge Grün­de. Dass wir es trotz­dem geschafft haben, in letz­ter Sekun­de die­sen Moment innigs­ter Ver­bin­dung mit dem G*ttlichen zu errei­chen, zeigt indes­sen, dass uns etwas ver­bin­det, das weit über die blo­ße Fra­ge der Obser­vanz hin­aus­geht. Das ist es, was ich ver­stan­den habe, als wir alle „od lo avda tik­vat­einu” – noch ist unse­re Hoff­nung nicht ver­lo­ren – gesun­gen haben.

      An Suk­kot, dem Laub­hüt­ten­fest, wird sich wie jedes Jahr jene hand­ver­le­se­ne Grup­pe zusam­men­fin­den, durch die unse­re Syn­ago­gen im Moment gera­de noch so am Leben gehal­ten wer­den. Das ist nicht erfreu­lich. Zumin­dest wird es aber sehr ruhig zuge­hen. Hat ja auch was.

    • 1. Sie­he z. B. hier. Mein Punkt war, dass der Ver­lauf ein ande­rer gewe­sen wäre, wür­den noch die Vor­kriegs-Bräu­che gehal­ten wer­den. (Ver­mut­lich wäre es in dem Fal­le aller­dings auch zuvor nicht so laut gewesen.…)

      2. Trotz sei­nes bekannt­lich unre­li­giö­sen, völ­lig assi­mi­lier­ten Lebens­wan­dels soll­te Herzl hier kei­ne anti-reli­giö­se Moti­va­ti­on unter­stellt wer­den. Für Imber sieht das mög­li­cher­wei­se schon anders aus. Dass vie­le der akti­ven Prot­ago­nis­ten hin­ter der Staats­grün­dung eine neue, Torah- und g‑ttlose Iden­ti­tät anstreb­ten, ist hin­läng­lich doku­men­tiert. Mir scheint, die­se Denk­schu­le ist in Frank­furt heu­te bes­ser ver­wur­zelt als eine, die einem respekt­vol­le­ren Ver­hal­ten in der Syn­ago­ge dien­li­cher wäre.
      Dein Hin­weis auf die Befrei­ung an Pessach unter­streicht den Punkt im oben von mir ver­link­ten Arti­kel. Mit guten Grund fan­gen wir unmit­tel­bar nach Pessach an, Omer zu zäh­len bis zur Offen­ba­rung der Torah am Sinai: Eben um einem Den­ken, dass die Befrei­ung aus Ägyp­ten in Iso­la­ti­on sieht, und nicht in not­wen­di­ger Ver­bin­dung mit der Ver­pflich­tung auf den „neu­en Dienst­herrn”, vorzubeugen.
      „Hei­li­ges Volk zu wer­den” ist ja nun nicht mei­ne Forderung…

      3. Ich möch­te ja nicht all­zu zynisch wir­ken, aber nur weil gemein­sa­mes Sin­gen Endor­phi­ne etal pro­du­ziert, macht es das mei­nes Erach­tens noch nicht zu einer offen­kun­dig spi­ri­tu­el­len Hand­lung. Die­ser Effekt wird ja (bedau­er­li­cher­wei­se) auch in äußerst unhei­li­gen Zusam­men­hän­gen ausgenutzt.

      4. Dass Suk­kot mit sei­ner tief­spi­ri­tu­el­len Bot­schaft auf Jom Kip­pur folgt, ist gewiss kein kalen­da­ri­scher Zufall. Daher scheint mir die Ein­hal­tung von Suk­kot ein zuver­läs­si­ge­rer Indi­ka­tor für den Grad der erreich­ten Innig­keit zu sein.

    • 1. Ja, klar. Aber ich glau­be, es war für die gebe­ne Kon­stel­la­ti­on der Anwe­sen­den sicher die wir­kungs­vol­le­re Variante. 

      2. Trotz­dem war die zio­nis­ti­sche Bewe­gung in aller­ers­ter Linie eine poli­ti­sche Bewe­gung. Nicht umsonst leh­nen die ultra­or­tho­do­xen Strö­mun­gen im Juden­tum den moder­nen Staat Isra­el ab – teils in Form gro­tes­ker Soli­da­ri­täts­be­kun­dun­gen gegen­über den erklär­ten Fein­den Isra­els. Statt­des­sen war­ten sie lie­ber auf die Ankunft des משיח (Mes­si­as), damit er den Tem­pel wie­der­auf­bau­en und das König­reich Isra­el wie­der­erste­hen las­sen möge. 

      Was Pessach angeht, ist es halt nun ein­mal so, dass wir die zuge­hö­ri­ge Fei­er­tags­sai­son nicht ohne Grund als „זמן חרותנו” (Zeit unse­rer Befrei­ung) bezeich­nen. Neben den „Hohen Fei­er­ta­gen” und Cha­nuk­ka ist Pessach ein­deu­tig der popu­lärs­te Jüdi­sche Fei­er­tag und alle­mal das popu­lärs­te der drei Wall­fahrts­fes­te. Da geht es für alle ganz aus­drück­lich und ziem­lich exklu­siv um das erleb­ba­re Motiv der Befrei­ung. Und das Flücht­lings­schiff „Exodus” aus den vier­zie­ger Jah­ren, des­sen Geschich­te in Leon Uris’ gleich­na­mi­gem Roman ver­ar­bei­tet wor­den ist, trägt nicht umsonst einen Namen, der den Bezug auf den Aus­zug aus Ägyp­ten her­stellt. Der Weg zum moder­nen Staat Isra­el ist eine Geschich­te der Frei­heits­su­che – also des Stre­bens nach frei­er Selbst­be­stim­mung. Die Frei­heit von unse­ren Tra­di­tio­nen und Reli­gi­ons­vor­schrif­ten ist damit sicher nicht pri­mär gemeint.

      3. Ja, das Juden­tum hat kei­ne Exklu­siv­rech­te auf die emo­tio­na­le Wir­kung gemein­sa­mer Gesän­ge. Aber die lit­ur­gi­sche Musik, wie wir sie aus den asch­ke­na­si­schen G*ttesdiensten (ins­be­son­de­re ost­eu­ro­päi­scher Prä­gung) ken­nen, har­mo­niert mei­nes Erach­tens deut­lich bes­ser mit den Reso­nanz­fre­quen­zen der Jüdi­schen See­le, als preus­si­sche Marsch­mu­sik oder länd­li­che Stammtischlieder

      4. Ich glau­be, Du über­siehst ganz ein­fach, dass wir es hier mit einer Gemein­de zu tun haben, in der die meis­ten Mit­glie­der kaum je eine rea­lis­ti­sche Chan­ce erhal­ten haben, eine fun­dier­te reli­giö­se Aus­bil­dung ohne erheb­li­che (und ein­fach nicht jedem abzu­ver­lan­gen­de) Eigen­in­itia­ti­ve zu absol­vie­ren. Wir müs­sen also auch an all die­je­ni­gen den­ken, die man eben nur für einen kur­zen Moment im Jahr spi­ri­tu­ell errei­chen kann, um die tief ver­wur­zel­ten Ursprün­ge ihrer eige­nen Iden­ti­tät vor­über­ge­hend aus ihrem Dorn­rös­chen­schlaf zu wecken. Die­se Men­schen in Erman­ge­lung eines bestimm­ten Gra­des an Obser­vanz als Glau­bens­ge­nos­sen zu dis­qua­li­fi­zie­ren und infol­ge­des­sen als Teil unse­rer Iden­ti­täts­ge­mi­en­schaft abzu­schrei­ben, hal­te ich nicht für einen aus­sichts­rei­chen Weg, um unse­re Gemein­schaft stär­ker zusam­men­zu­fü­gen. Aus mei­ner Sicht geht es viel­mehr dar­um, die­sen Men­schen in den weni­gen Momen­ten, in denen sie für ver­wur­ze­lungs­stär­ken­de Anre­gun­gen emp­fäng­lich sind, den rich­ti­gen Impuls zu geben. Mehr kann man jeden­falls in einem ers­ten Schritt wohl kaum erwarten.

  • Lie­ber Daniel,
    vie­len Dank, dass ich durch die­se ein­drucks­vol­le Schil­de­rung an Dei­nem spi­ri­tu­el­len Erle­ben teil­ha­ben durf­te – das ist schön.

  • Lie­ber Daniel,

    ich lie­be die Fei­er­ta­ge in unse­rer Syn­ago­ge, ich lie­be die Gesän­ge, die Ver­traut­heit und ja, ich wünsch­te mir, es wäre manch­mal lei­ser und vor allem spi­ri­tu­el­ler. Ich spü­re die Ver­bun­den­heit unse­res Men­schen, unse­rer Gemein­de, unse­res Vol­kes immer wie­der. Und es erfüllt mich mit Glück. 

    Umso mehr, als dass es in Momen­ten pas­siert, wie du sie beschrie­ben hast, lie­ber Dani­el. Es war wun­der­bar und ganz beson­ders. Und weisst du was? Es freut mich so sehr, dass DU(!) so emp­fun­den hast. Und mit einem guten Gefühl ins neue Jahr gehst – ein Jahr, das nicht vol­ler Kri­tik, Stren­ge und nega­ti­ven Gefüh­len beginnt. Ist das nicht schon eine schö­ner Einstieg?

    Die Spi­ri­tua­li­tät gab es im übri­gen auch wäh­rend Rosh Hash­a­nah – immer dann, wenn unser fan­tas­ti­scher Zudek in Ruhe vor­be­ten konn­te. Es ist so ergrei­fend und tief­ge­hend. Ich füh­le es – und vie­le ande­re auch… mal mit mehr, mal mit weni­ger Gere­de, Kin­der­ge­schrei und sons­ti­gem. Aber leben­dig ist es & I love it. 

    Ich mag unse­re Gemein­de, unser Art von Juden­tum – ortho­dox und doch nicht zu streng, Halt gebend und doch frei, warm und manch­mal anstrengend. 

    Und unser Gab­ber – soll er sijn gesinnt – soll immer wie­der vor­ne ste­hen. Und für Ruhe sorgen:)

    Ganz lie­be Grüße
    Cathy

  • Dan­ke für die Schil­de­rung. Ein Ansporn, viel­leicht doch etwas zum »Erle­ben« von Jom Kip­pur zu schrei­ben, wenn­gleich das kein kur­zer spi­ri­tu­el­ler Höhen­flug wie in Frank­furt war. In den klei­nen Gemein­den sieht es ja noch immer anders aus. Hier strö­men die Mas­sen nicht in die Syn­ago­ge, man ist froh, wenn es über­haupt Min­jan gibt. Sta­bil war der kurz für Min­chah und Jis­kor und kratz­te danach wie­der an der Gren­ze – wes­halb ich mitt­ler­wei­le einen unge­sun­den und ungu­ten Groll gegen Jis­kor ent­wi­ckelt habe. Weil es mitt­ler­wei­le einen höhe­ren Stel­len­wert erreicht hat, als all die ande­ren Gebe­te des Tages – jeden­falls dort, wo ich war oder häu­fig bin.

    Zur Hatik­wah: Die »Grund­me­lo­die« stammt eigent­lich vom Bal­kan (und die Melo­die basiert ihrer­seits wohl auf einem italienischen
    Lied aus dem 16. Jahr­hun­dert) und ist Bestand­teil vie­ler loka­ler Volks­lie­der. Ich ken­ne »Ruse kose«, aber hör Dir mal Üsküd­ara, ein »tra­di­tio­nel­les« tür­ki­sches Lied an – es ist anzu­neh­men, dass es die Tür­ken vom Bal­kan mit­ge­nom­men haben. Auch Schmu­el Cohen, der Kom­po­nist der ein­gän­gi­gen, Melo­die hat sich da wohl von einem rumä­ni­schen oder mol­da­wi­schen Volks­lied inspi­rie­ren las­sen. In bei­den Berei­chen gab es Adap­tio­nen der Melo­die. Eigent­lich eine groß­ar­ti­ge euro­päi­sche Geschichte.

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